Christoph Hein – Glückskind mit Vater

Christoph Hein schätze ich sehr, weil er über die jüngere deutsche Geschichte außerordentlich lesenswerte Romane verfasst hat, so wie „Landnahme“, einen großartigen Vertriebenenroman, der in der DDR spielt. Ein ähnlich geschichtliches Sujet behandelt „Glückskind mit Vater“ aus dem Jahr 2016.
Der Ich-Erzähler Konstantin Boggosch ist ein angesehener Bürger einer Kleinstadt an der Havel. Er war Gymnasialdirektor und zum Jubiläum der Bildungsanstalt wird er von der Lokalzeitung um ein Interview gebeten. Doch Boggosch ist nicht daran interessiert, denn er möchte die alten Zeiten Ruhen lassen, denn er hat ein (irgendwie offenes und doch verstecktes) Geheimnis, was er Zeit seines Lebens mit sich herumträgt; die Abstammung von seinem Vater, der ein am Ende des Krieges gehängter Kriegsverbrecher war. Obwohl Konstantin erst nach dessen Tod geboren wurde, verfolgt der Vater und sein Wirken für die Nazis im 3.Reich ihm auf Schritt und Tritt und behindern sein Leben in der DDR, woraufhin Konstantin einen Plan fasst.

Christoph Hein schafft es in „Glückskind mit Vater“ erneut, ein weites und verzweigtes Panorama über die DDR-Geschichte zu schreiben. Er nimmt dabei nicht nur ihre Ungerechtigkeiten und ihre starre und verquere Ideologie unter die Lupe, sondern auch die Orte, welche sich die Menschen darin schufen und wie sie ihr Leben führten. Die Stärke des Buches liegt dann in den Querverweisen und den Fragen, wie sich berufliche und menschliche Karrieren entwickeln und dies wird nicht nur im DDR-Alltag, sondern gleichfalls im Nachkriegs-Frankreich und im wiedervereinten Deutschland beschrieben. „Glückskind mit Vater“ ist ein Roman, der über kollektive und individuelle Schuld reflektiert und über Moral und Tat. Hein erschafft damit ein weiteres sehr kluges Werk über die Geschichte der 2.Hälfte des 20.Jahrhunderts in Mitteleuropa. Vielleicht bleibt als minimaler Wehrmutstropfen, dass die Ausgestaltung der Charaktere, insbesondere der von Konstatins Jugendjahren leicht konstruiert und etwas sprunghaft wirken aber das tut „Glückskind mit Vater“ als zeitgeschichtlichen Roman eigentlich keinen Abbruch.

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