Ingo Schulze – Simple Stories

Erschien 1998 beim Berlin Verlag | hier vorliegend als Taschenbuch bei dtv mit 315 Seiten

In den frühen 2000er Jahren konnte ich mich nicht, eines umherschwirrenden Themas erwehren, welches darin bestand; dass damals schon 10 Jahre zur Bundesrepublik gehörende Ostdeutschland zu durchdenken. Das „vereinigte Deutschland“ war damals – und ist es heute noch – ein ungewöhnlich schiefes Land, oder besser gesagt ein schiefer Begriff. Das liegt an einer eigentümlichen Trennung zwischen: „an Deutschland denken“ und an das „vereinigte Deutschland“ denken. Nimmt man nur letzteres müsste man theoretisch annehmen, an ein gesamtes Land zu denken, aber „vereinigtes Deutschland“ bezog (und bezieht) sich interessanterweise zumeist auf Ostdeutschland und die Frage, was die Leute dort so machen, seit sie zur BRD gehören. Das wirkt ein klein wenig so, als wenn sie nachdem Sex immer nur einen Partner befragen, wie es für diesen – trotz Vereinigung – denn so war und wie es ihm so dabei geht. Ein schönes Beispiel für die Begriffsanomalie ist ein Zitat auf dem Cover der Taschenbuchausgabe von Ingo Schulzes Roman „Simple Stories“ auf dem man lesen kann: „Ingo Schulze hat den langersehnten Roman über das vereinigte Deutschland geschrieben.“ Das schon im Untertitel „ostdeutsche Provinz“ zu lesen ist und der Roman fast ausschließlich im thüringischen Altenburg spielt, verstärkt meinen Verdacht, dass alles, was man über das „vereinigte Deutschland“ sagen kann, immer irgendwie ostdeutsche Befindlichkeit sein muss[1]. „Ingo Schulze – Simple Stories“ weiterlesen

Die rechtschaffenen Mörder im Staatsschauspiel Dresden

Regie: Claudia Bauer | Länge: 2h 20min | gesehen am 6.10.2022 im Schauspielhaus Dresden

aus der (neuen) Reihe: „Bretter der Welt

Jetzt ist es ja so! Das Leben gleitet an einen vorbei und es gibt immer wieder Momente, in welchen man bemerkt, dass man mehr zugreifen müsste. Vor etwa einem Jahr schrieb ich die hier verlinkten Zeilen zu Ingo Schulzes Roman „Die rechtschaffenen Mörder“ und nahm mir fest vor, das Theaterstück zum Buch im Schauspielhaus zu besuchen. Es dauerte fast ein Jahr, bevor ich diesen Plan umsetzte (entschuldigend sei auf den leidigen Lockdown in Sachsen verwiesen, der zuallererst mal wieder Kunst und Kultur betraf). Was persönlich noch etwas schwerer wiegt, oder besser gesagt trauriger ist; ich war tatsächlich seit Jahren erstmals wieder bei der Aufführung eines Theaterstücks! Zu dieser Schwerfälligkeit, mich in die heiligen Hallen der Schauspielkunst zu begeben, gesellte sich noch meine Arroganz, die sich nicht vorstellen konnte, aus dem vorzüglichen Buch ein gutes Bühnenstück zu machen. „Die rechtschaffenen Mörder im Staatsschauspiel Dresden“ weiterlesen

Ingo Schulze – Peter Holtz. Sein glückliches Leben erzählt von ihm selbst

Erschien 2017 bei Fischer | hier vorliegend als Fischertaschenbibliothek (2020) mit 762 Seiten

Im letzten Herbst war ich begeistert von Ingo Schulzes 2020er Roman „Die rechtschaffenden Mörder“ und so erwarb ich mir für diesen Sommer, die sehr handliche Fischer Taschenbibliothek Ausgabe (weil diese vermeintlich gut in meine Fahrradlenkertasche passen würde, was sie übrigens nicht wirklich tat) des Vorgängerwerkes „Peter Holtz. Sein glückliches Leben erzählt von ihm selbst“. „Ingo Schulze – Peter Holtz. Sein glückliches Leben erzählt von ihm selbst“ weiterlesen

Ingo Schulze – Die rechtschaffenen Mörder

Vorbemerkung: Dieser Text ist Teil der Reihe „our pathetic age“Er stellt nicht nur den Roman vor, dessen Gegenwartsdiagnose genauer besprochen werden soll. Neben einer etwas intensiveren Darstellungen des Textes führt dies auch dazu, dass einige Passagen aus dem Roman gespoilert werden.

Literatur – ein weites Feld! Man kann sie lesen, rezipieren, auswendig lernen, interpretieren, selbst schreiben, und tatsächlich kann man sie auch hören. Beispielsweise im Autoradio.
Ich erinnere mich auf dem Weg zu einem coronabedingten Großeinkauf im Frühjahr 2020 im mir übertragenen KfZ, Ingo Schulze gehört zu haben, als er aus seinem aktuellen Werk „die rechtschaffenen Mörder“ las. Der Weg zum Rewe ist nun leider nicht sehr lang (und seit einigen Monaten ist er sogar kürzest möglich, aber das ist eine ganz andere Geschichte) und der Empfang in der Tiefgarage kann mit den besten Störsendern weltweit mithalten, weshalb mir nicht viel mehr als ein kurzer Eindruck bleib. Dieser war aber so, dass ich mir vornahm, nach dem Öffnen der Buchläden, welche sich im Lockdown Schlaf der ersten Viruswelle befanden, zu meinem Buchhändler zu eilen, um mir eine Ausgabe zu besorgen. Wie vieles aus der ersten und den weiter folgenden Wellen, vergaß oder ignorierte ich dieses Vorhaben. Vor einigen Wochen kam ich beim großen Buchhaus am Ende der Prager Straße vorbei, wo ich ein günstig eingepreistes Mängelexemplar sah und es kurzentschlossen erwarb.
In den Monaten zwischen erstem Hören und letztendlichem Kauf, hatte ich, ohne es recht zu wollen, etwas über den Inhalt des Buches aufgeschnappt. Nicht nur, dass es bald im Staatsschauspiel Dresden aufgeführt werden soll, sondern auch, dass es eine Geschichte erzählt, die einen Nerv unserer Zeit trifft, nämlich den Drift einer gebildeten Bevölkerung zum rechten politischen Rand hin. „Ingo Schulze – Die rechtschaffenen Mörder“ weiterlesen