Thomas Glavinic – Unterwegs im Namen des Herren

Im Jahre des Herrn 2011 kam Thomas Glavinics Reiseroman „Unterwegs im Namen des Herren“ heraus. Er beschreibt die Reise des Alter Egos Glavinic mit seinem Freund Ingo in den bosnischen Pilgerort Medjugorje. Die beiden Herren wünschen sich, ein näheres Bild von einer Pilgerreise zu machen. Gemeinsam mit anderen, mehr oder weniger streng gläubigen Menschen, fahren sie von Wien aus per Bus (wundervoller erster Satz des Buches: „Sechs Uhr früh ist eine Uhrzeit, die ich sonst nur von der anderen Seite her kenne.“) auf den Balkan. Als Atheisten beobachten sie das Geschehen, sind aber nicht wirklich von den Botschaften begeistert, doch irgendwie bleibt doch etwas Hängen bei diesem drei Tages-Trip zwischen Himmel und Hölle. „Thomas Glavinic – Unterwegs im Namen des Herren“ weiterlesen

Thomas Glavinic – Das größere Wunder

Nachdem ich begeistert „Das Leben der Wünsche“ beendet hatte, wünschte ich mir sehr, auch den dritten „Jonas“ Roman von Thomas Glavinic zu lesen. Wie gut das ich Geburtstag hatte und sich dadurch manche Wünsche (zumindest teilweise) erfüllen.

Bei den „Jonas“ Romanen handelt es sich um drei Bücher, bei denen der Hauptheld jeweils Jonas heißt und sich auch die Namen von einigen anderen Hauptfiguren wiederholen. Die Romane behandeln jeweils fundamentale menschliche Grundsituationen, in „Die Arbeit der Nacht“ Einsamkeit, in „Das Leben der Wünsche“ sind es Wünsche. „Das größere Wunder“ nun behandelt die Liebe (so hörte ich es aus dem Munde Glavinics, als ich vor 2 Jahren bei einer Lesung einen ersten Eindruck vom Buch bekam).

Jonas wächst mit seinem geistig behinderten Zwillingsbruder Mike, bei seiner alkoholkranken Mutter auf, die sich alles andere als um die beiden Jungen kümmert. Über Jonas besten Freund Werner lernt er Picco kennen. Dieser ist äußerst vermögend und nimmt Jonas und Mike auf, so dass er gemeinsam mit Werner aufwächst. Neben einer unerschöpflichen Menge von Geld gibt Picco Jonas mit auf den Lebensweg, dass Antworten im Allgemeinen überschätzt werden und so geht Jonas in das Leben hinaus, immer auf der Suche nach etwas, bis er schließlich am Mount Everest Basiscamp ankommt, um diesen zu besteigen. „Thomas Glavinic – Das größere Wunder“ weiterlesen

Thomas Glavinic – Das Leben der Wünsche

Die wohl fundamentalste Frage, die man an sich selbst richten kann ist, wer bin ich? Lösen kann man diese Frage nie vollständig, ignorieren kann man sie zeitlebens. Aber wenn man sich dem Thema nähern möchte, kann man beispielsweise reflektieren, was man sich im (oder vom) Leben wünscht. Und hier sind weniger konsumistische (das neue Smartphone) oder punktuelle (dem Mann vor mir in der Schlange zur Kasse weniger Lebensmittel im Wagen) Wünsche gemeint, sondern das was tief in uns schlummert. Wünsche die wir vielleicht verdrängen, bei denen wir wissen, dass es Wünsche bleiben werden, die wir nicht für realistisch halten, oder vor deren Erfüllung wir gar Angst haben. Thomas Glavinic analysiert in seinem 2009er Roman „Die Welt der Wünsche“ genau dieses Szenario.

Wir erleben Jonas, denn der Leser schon aus dem Roman „Die Arbeit der Nacht“ kennt. Ob es der selbe Jonas ist, wie dort, spielt eigentlich keine Rolle. Jonas hat eine Frau, Helen, und zwei Söhne, Chris und Tom. Er arbeitet in einem eher mittelmäßigen Job, sein Vater sitzt nach einem Schlaganfall im Altenheim, seine erste Liebe und immer noch gute Freundin Anne ist unheilbar krank, seine Mutter schon lange Tod. Die Ausflucht und der Hoffnungsstrahl seiner Welt ist neben seinen Söhnen, Marie. Sie ist nicht nur seine Geliebte, sondern sie ist seine Bestimmung, der Mensch dem man unerbittlich, unendlich, einzigartig liebt. Ungünstigerweise ist auch Marie verheiratet und hat einen Sohn. Beide wollen für ihre Liebe, ihre eigentlichen Familien, ihr Umfeld, ihr gewohntes Leben nicht verlassen.
In einem Park trifft Jonas eine zwielichtige Person, der ihn um eine Sekunde bittet. Er weiß alles über Jonas, weiß von seiner Affäre, aber er will ihn nicht erpressen. Ganz im Gegenteil, er schenkt ihm drei Wünsche, was Jonas verwirrt. Aus ihm sprudeln eine ganze Reihe von Ideen heraus, jedoch beschließt er, dass er nur einen einzigen Wunsch hat, nämlich das alle seine Wünsche in Erfüllung gehen. Und so endet dieses Treffen und Jonas Leben geht weiter, so wie er es gewohnt ist. Langsam jedoch schleichen sich Veränderungen ein. „Thomas Glavinic – Das Leben der Wünsche“ weiterlesen

Thomas Glavinic – Wie man leben soll

Man hat ja so seine Lieblingsautoren. Von denen liest man gern alles, was sich auftreiben lässt. Günstigerweise lässt sich von Thomas Glavinic noch eine Menge auftreiben und so fällt einem sein vierter Roman „Wie man leben soll“ in die Hände. Auch wenn man der Meinung ist, dass dieses Werk nicht an die Glanzstücke seines Oeuvres ran reicht, so erfreut man sich doch an dem wie immer ausgesprochen humorvollen Ton und dem wie immer anregenden Stil der Verwendung größtmöglicher Quantität an Indefinitivpronomen, den der Autor einen präsentiert, der in diesem Fall hier nachgeäfft wird (wenngleich auf weniger hohem literarischen Niveau). „Thomas Glavinic – Wie man leben soll“ weiterlesen

Thomas Glavinic – Lisa

Es ist Sommer und die Nacht bricht herein. Sie suchen im Internet nach Unterhaltung und sie finden eine Radiostation. Dort spricht ein Mann, wohl so Mitte 30. Er sendet von einem Ort, den er nicht verraten will. Er ist dort mit seinem acht Jahre alten Sohn und versteckt sich, weil er Angst hat gefunden zu werden.

Das ist das Szenario von Thomas Glavinics Roman „Lisa“. Wir lesen, wie ein Mann im selbstgemachten Radio spricht (genau genommen wissen wir nicht, ob der immer wieder stockende Text dadurch bedingt ist, dass der Radiomacher teilweise auch anderen Tätigkeiten nachgeht, oder sein Mikro fehlerhaft ist, oder ob die das Radio hörende Person zwischenzeitlich eine andere Station einschaltet, aber das sind recht unwichtige Details). Dieser Mann, der von seinem Laptop aus sendet, hat große Angst. Er flieht vor einer Unbekannten.
Die Angst hat er, weil vor drei Jahren bei ihm eingebrochen wurde. Alles war harmlos, aber wie sich später rausstellt, wurden DNA-Spuren gefunden, welche zu mehreren anderen Tatorten passten. Die Spuren sind von einer Frau und die weiteren Verbrechen, bei denen diese Spuren noch gefunden wurden, sind grausig, brutal und auf der Welt verstreut. Hilgert, der damals zuständige Kriminalist, verfolgt die Spur der geheimnisvollen Kriminellen und so werden unser Radiomacher und er Freunde, mit dem Ergebnis, dass Hilgert immer mehr verwirrende Spuren ausfindig macht und schlussendlich, als unser Hauptheld nichts mehr vom ihm hört, auch diesen so sehr dadurch ängstigt, dass er fortfährt und sich versteckt, trinkt und kokst und zu seiner Ablenkung und weil er etwas zum reden benötigt, sein Internet anstellt und Radio macht. „Thomas Glavinic – Lisa“ weiterlesen

Thomas Glavinic – Der Kameramörder

Protokoll eines Osterausflugs. Der namentlich nicht genannte Ich-Erzähler wird gebeten niederzuschreiben, was sich beim Osterausflug in die Weststeiermark ereignete. Er fuhr mit seiner Lebensgefährtin zum befreundeten Ehepaar Stubenrauch. Tischtennis, Federball und Kartenspiele sollen an diesen sonnigen Tagen im April durchgeführt werden, jedoch erschüttert eine Nachricht die Vier. Ganz in der Nähe ist ein schreckliches Verbrechen begangen worden. Ein mit einer Kamera ausgerüsteter Mann, bringt drei Jungen in seine Gewalt und tötet zwei davon durch die Ausübung psychischen Drucks, so dass diese von Bäumen springen, weil sie Angst haben müssen das der Mann sonst alle weiteren Familienangehörigen töten wird. Das Verbrechen schlägt schnell hohe mediale Wellen und auch das gemeinsame Wochenende der Vier gerät in den Sog der Gier nach Neuigkeiten und dem Ekel über das grausame Verbrechen. „Thomas Glavinic – Der Kameramörder“ weiterlesen

Thomas Glavinic – Carl Haffners Liebe zum Unentschieden

Weltmeisterschaften sind ja gerade in aller Munde. Thomas Glavinic erzählt in seinem Debütroman aus dem Jahr 1998 auch von einer Weltmeisterschaft und zwar einer zwischen Österreich und Deutschland. Wir reden aber nicht über jetzt und hier und auch nicht über Fußball, sondern über Schach und 1910.
Es ist Winter in Wien, als das Erste von zehn Duellen um den Weltmeistertitel im Schach ansteht. Der Deutsche Emanuel Lasker, seit nunmehr fast 16 Jahren Weltmeister tritt in der Hauptstadt der K-K Monarchie gegen Carl Haffner, einem zurückhaltenden, ärmlichen, aber wegen seiner großen Fairness, den Wienern äußerst sympathetischen Repräsentanten des hiesigen Schachklubs. Haffner ist großer Außenseiter des Weltmeisterschaftskampfes, der fünf Spiele in Wien und fünf in Berlin beinhaltet. „Thomas Glavinic – Carl Haffners Liebe zum Unentschieden“ weiterlesen

Thomas Glavinic – Das bin ja ich

Erst kürzlich beendete ich Glavinics Buch „Die Arbeit der Nacht“, von dem ich nicht wirklich begeistert war. Was liege ferner, als gleich noch einen Roman vom Österreicher zu lesen? (Beantworten Sie sich diese Frage bitte selbst) Aber wie wäre es mit einem Roman, der beschreibt, wie der gerade gelesene Roman fertiggestellt ist und jetzt auf Veröffentlichung wartet. In „Das bin ja ich“ beschreibt Glavinic (allerdings nicht in der Form eines Berichts, sondern eines Romans), was nach der Fertigstellung von „Die Arbeit der Nacht“ passiert. Das fertige Manuskript liegt also bei seiner Agentin und diese sucht einen Verlag für ihn. Währenddessen verkauft Glavinics Freund Daniel Kehlmann tausende von Exemplaren seines neuen Romans „Die Vermessung der Welt“ und scheint immer irgendwo in der Weltgeschichte, bei bekannten Persönlichkeiten zu verweilen. Zu Hause warten Glavinics Frau Else und sein Sohn Stanislaus auf ihn. Und wie immer wenn er ein Buch zu Ende geschrieben hat, und die Arbeiten zu einem Neuen noch nicht aufgenommen hat (selbstreflexiv kommt der Roman in sich allerdings allenfalls indirekt vor), weiß er nicht wie es weiter gehen soll und so streift er durch Wien und man erfährt einiges aus dem Leben eines Autoren. „Thomas Glavinic – Das bin ja ich“ weiterlesen

Thomas Glavinic – Die Arbeit der Nacht

Als ich letztes Jahr zur Buchmesse in Frankfurt bei der Veranstaltungsreihe „Open Books“ war, so kamen die Beweggründe vorwiegend aus einem großen Interesse für Thomas Glavinic heraus, der mit seinem Roman „Das größere Wunder“ auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis stand. Ich kannte den Namen Glavinic schon, wusste aber nicht mehr genau woher, ob aus der Zeitung oder von verdrängten Buchrezessionen. Auf jeden Fall war er mir sympathisch bei seiner Buchpräsentation, nur leider fand ich, das eigentlich Präsentierte, nämlich Auszüge aus „Das größere Wunder“ viel weniger spannend und interessant als die Texte von Peter Stamm, der unmittelbar vor Glavinic vorgetragen hatte. Trotzdem riss mein Interesse nie ganz ab, denn wer lässt sich schon negativ von einem 10minütigen Vorlesen etwas ganz vergrätzen. In diesem Sommer, der dem körperlichen Gebrechen Tribut zollen muss und dadurch jede Menge Zeitreserven bereit hält, bestellte ich mir eines der älteren Werke von Glavinic, wie immer bei einem Internet 2.Hand Buchladen (was mir übrigens für meinen Lieblingsbuchhändler irgendwie Leid tut, aber trotzdem viel billiger ist). „Thomas Glavinic – Die Arbeit der Nacht“ weiterlesen