Benjamin Labatut – Maniac

Erschien 2023 im englischen Original „The Maniac“ bei Penguin Press | deutsche Übersetzung von Thomas Brovot als hier vorliegendes Taschenbuch 2024 bei Suhrkamp mit 397 Seiten

Man kann noch nicht sagen, wohin uns die Entwicklung tragen wird. Werden wir in 20 Jahren alle nur noch vor Geräten sitzen und mit einer Künstlichen Intelligenz interagieren? Wird unsere direkte Sozialität untereinander verschwinden, weil es viel angenehmer, weniger störend und befriedigender sein wird, nur noch mit einer KI zu sprechen, die uns kennt und genau weiß, wie sie eine Kommunikation mit uns zu führen hat?
Oder wird es KI in 20 Jahren nicht mehr geben, weil sie uns als Menschheit stört, nicht hilft oder alles viel komplizierter macht? Das sind sicherlich extreme Pole einer Zukunft, von der wir heute vielleicht nur ahnen können, wie dynamisch sie sein wird. „Benjamin Labatut – Maniac“ weiterlesen

Sommer 85

Originaltitel: „Été 85“ | Jahr: 2020 | Regie & Drehbuch: François Ozon | Drama | 101min | Location: Normandie in den 1980ern

Dem ein oder anderen mag es aufgefallen sein, der Sommer kommt gerade zur Tür hinein und es gibt keine Jahreszeit – so finde ich – die solche Emphase und ein solches Versprechen mitbringt, wie die warmen und freien Monate in der Jahresmitte.

Der 16-jährige Gymnasiast Alexis (Félix Lefebvre) wohnt seit zwei Jahren an einem Küstenort in der Normandie. Als er bei einem Bootsausflug auf einer kleinen Jolle allein in ein Unwetter gerät und kentert, hilft ihm der 18-jährige David (Benjamin Voisin). Er bringt Alexis zu sich nach Hause, wo er hilfsbereit und freundlich von Davids Mutter (Valeria Bruni Tedeschi) aufgenommen wird. David und Alexis werden Freunde und schließlich ein Paar, ohne dies jedoch jemandem groß zu offenbaren (wir befinden uns in den 1980er Jahren). Aber für Alexis wird David seine erste große Liebe. Doch auch der beste Sommer geht einmal zu Ende, und der Herbst (hier in Form des Dramas) steht vor der Tür. „Sommer 85“ weiterlesen

Pacifiction

Jahr: 2022 | Regie & Drehbuch: Albert Serra | Spielfilm | 165min | Location: Tahiti

Der französische Hochkommissar De Roller (Benoît Magimel) ist auf der polynesischen Insel Tahiti so etwas wie ein Mann für alles. Man findet ihn gefühlt überall, ob bei Empfängen oder in zwielichtigen Etablissements, immer darum bemüht, den Lauf der Dinge in die richtige Bahn zu leiten. Ein Schiff der französischen Marine ist auf der Insel angekommen und Gerüchte kommen auf, dass man die vor 20 Jahren beendeten Atomtests wieder aufnehmen will. „Pacifiction“ weiterlesen

Interior Chinatown

Idee: Charles Yu | Comedy-Drama Miniserie | 10 Folgen | veröffentlicht 2024 auf Hulu (international bei Disney+)

Wie könnte man am besten einen Artikel zu einer wunderbaren Serie eröffnen? Man müsste schreiben, warum einen diese Serie persönlich so berührt hat, warum man auf sie gekommen ist. Vielleicht auch, in welchem Kontext die Serie steht, ob nun im Genre oder gesellschaftlich allgemein. Und vielleicht könnte man schon darauf anspielen, warum einem die Serie so gut gefallen hat. „Interior Chinatown“ weiterlesen

Islands

Jahr: 2025 | Regie & Drehbuch: Jan-Ole Gerstner | Thriller | 123min | Location: Fuerteventura

Mit einer gewissen Spannung begleitete ich neulich meine Begleitung in das von mir hochgeschätzte Programmkino Ost, sollte doch dort ein Film laufen, der auf Fuerteventura spielt und dessen Hauptheld Tom heißt. Und das alles sollte in einem wirklich sehr kleinen Kinosaal gezeigt werden.

Tom (Sam Riley) ist Tennislehrer in einer Hotelanlage auf Fuerteventura. Sein Leben ist geprägt von Tennisstunden und einem exzessiven Nachtleben. Die sich in einer ziemlich schwierigen Situation befindliche Familie von Anne (Stacy Martin) und ), Dave Maguire (Jack Farthing) besucht gemeinsam mit und dem achtjährigen Sohn (Dylan Torrell) besucht das Hotel, und schnell scheint sich eine gewisse (leidenschaftliche) Spannung zwischen Anne und Tom aufzubauen. Toms Arbeitsethos leidet beträchtlich darunter, ist er doch lieber bereit, der Familie die Insel zu zeigen, als Gästen Lobs, Volleys oder Aufschläge beizubringen. Auch als nach einem erwartbar exzessiven Diskobesuch Dave verschwunden ist, kehrt Tom nicht auf den Hoteltennisplatz zurück. „Islands“ weiterlesen

Alexander Osang – Die Leben der Elena Silber

Erschien 2019 bei S.Fischer | hier als Fischer Taschenbuch mit 624 Seiten

Ich habe soeben bemerkt, dass auf diesem bescheidenen Blog keine Möglichkeit vorhanden ist, nach Familienromanen zu suchen, was die Begrenztheit der hier vorliegenden Nullen und Einsen objektiv gut sichtbar macht. Bei Familienromanen fallen mir zumeist nur amerikanische Autoren ein, allen voran natürlich Jonathan Franzen. Meine Freude war daher groß, als ich im Zuge des vergnüglichen Drangs der Abarbeitung eigener Leselisten, auf die sich besonders Autoren drängen, von denen ich meine, viel von ihnen lesen zu wollen, einen Familienroman von Alexander Osang fand. Ich muss Ihnen – geneigter Leser – nicht nochmal erklären, dass Osang seit einiger Zeit zu meinen Lieblingsautoren gehört, nicht nur, weil er brillant und humorvoll schreibt, sondern weil mir seine Erzählperspektive – qua gemeinsamer Herkunft – sehr gefällt. In seinem (5.) Roman porträtiert er ein ganzes Jahrhundert zwischen Deutschland und Russland. „Alexander Osang – Die Leben der Elena Silber“ weiterlesen

Aftersun

Jahr: 2022 | Regie & Drehbuch: Charlotte Wells | Drama | 101min | Location: Ende der 1990er Jahre an der türkischen Rivera

Ende der 1990er Jahre war die Welt eine und doch war sie unseren Tagen ganz ähnlich. Damals studierte ich noch die Fernsehzeitungen nach Filmhighlights. Die seiner Zeit 14-tägig erworbene „TV Movie“ bewertete Filme mit Punkten, Symbolen und kleinen Texten und so stieß ich von Zeit zu Zeit auf Filme, die beispielsweise abends auf 3sat liefen. Ich habe seit Jahren keine TV-Zeitschrift mehr gelesen (was auch daran liegen könnte, dass auf meinem Fernseher kein einziger Kanal gespeichert ist), aber ab und an stöbere ich durch die Mediatheken, wie die vom Ersten und auch da finden sich nun einige Filmperlen, wie Charlotte Wells Debütfilm „Aftersun“. „Aftersun“ weiterlesen

Peter Stamm – In einer dunkelblauen Stunde

Erschien 2023 bei S.Fischer mit 254 Seiten

Wie schon vor langer Zeit an dieser Stelle erwähnt, hörte ich das erste Mal in meinem Leben von Peter Stamm bei einer Lesung. Das ist Jahre her, aber im letzten Herbst hatte ich die Möglichkeit Stamm nochmals in Dresden anzuhören, als er zwei neue Kurzgeschichten anlässlich des Literaturfestivals in der Stadt vorlas. Da wurde mir klar, dass ich einen weiteren Roman von ihm gern auf meiner Leseliste sehen würde und entschied mich für „In einer dunkelblauen Stunde“. „Peter Stamm – In einer dunkelblauen Stunde“ weiterlesen

Alice Munro – Die Jupitermonde

Erschien 1982 im amerikanischen Original als „The Moons of Jupiter“ bei Macmillan of Canada | hier in der deutschen Übersetzung von Heidi Zernig 2016 bei Fischer Taschenbuch mit 318 Seiten

Ich dachte neulich über Listen nach und ob Alice Munro in eine persönliche Top 10 meiner Lieblingsautoren gehören würde. Ich kann mit Sicherheit sagen, dass dies der Fall ist. Wie es sich für solche ausgezeichneten Autoren gehört, möchte ich so viel von ihnen lesen, wie es geht. Das wird bei Munro eine reichhaltige Aufgabe, den von der kanadischen Nobelpreisträgerin liegen 14 Erzählbände vor! „Die Jupitermonde“ ist chronologisch gesehen, ihre fünfte herausgegebene Sammlung von Kurzgeschichten und erschien im Original 1982, ist aber die Sammlung, die ihre Bekanntheit maßgeblich förderte, wenn man Wikipedia glauben darf. „Alice Munro – Die Jupitermonde“ weiterlesen

Andrea lässt sich scheiden

Jahr: 2024 | Regie & Drehbuch: Josef Hader | Komödie | 90 Minuten | Location: in der österreichischen Provinz nahe St. Pölten

Betreuung steht eigentlich für eine Hilfe, die man im Regelfall jüngeren oder älteren Menschen zuteilwerden lässt, weil diese selbige benötigen. Aber in unserer wortspielreichen Welt (könnte es eine schönere Welt geben?) wird der Begriff Betreuung gern auch mal abgewandelt. In Dresden beispielsweise gibt es das äußerst erfolgreiche (und mir leider unbekannte) Format des betreuten Singens, das sich nach den mir vorliegenden Informationen insbesondere bei der hiesigen Damenwelt großer Popularität erfreut. Da hat man sich im Programmkino Ost vielleicht gedacht, mit „Betreuung“ machen wir auch was! Oder man dachte sich, mit Josef Hader machen wir was, denn im März und April gab es hier eine Filmreihe mit dem Titel „betreutes Hadern“, in der Filme des großartigen österreichischen Kabarettisten, Schauspielers und Regisseurs gezeigt wurden (und eine Gesprächsrunde mit ihm, die ich leider verpasste). In dieser Reihe lief auch Haders neuester Film, „Andrea lässt sich scheiden“, der 2024 in die Kinos kam. Zwar war der Betreuungscharakter im Film auf das Zeigen von Untertiteln reduziert (was bei einem deutschsprachigen Film aus der österreichischen Provinz schon ein wenig anmaßend erscheint, gerade in Sachsen), aber das Publikum – im überwiegend gesetzten Alter – war trotzdem zahlreich erschienen. „Andrea lässt sich scheiden“ weiterlesen