David Mitchell – Utopia Avenue

Erschien im Original: 2020 | deutsche Übersetzung von Volker Oldenburg | 2022 erschienen bei Rowohlt | 748 Seiten

Als mir letzten Sommer mein Geburtstagswunsch erfüllt wurde und ich David Mitchells neustes Buch bekam, da war mir klar, dass es vorerst der letzte Roman des britischen Schriftstellers für mich sein würde, denn mit seinem 2022 auf Deutsch erschienen Buch habe ich alle von ihm momentan verfügbaren Werke gelesen[1]. Also verzögerte ich den Lesegenuss nach hinten und als 2023 anbrach wurde ich mir bewusst, dass ich nun doch endlich anfangen könnte, die 748 Seiten anzugehen.

„Utopia Avenue“ spielt im Jahr 1967. Der kanadische Musikmanager Levon Frankland führt vier junge Musiker in London zusammen, um eine Band zu gründen. Da ist der abgebrannte Bassist Dean Moss, aus Gravesend stammend, einem Arbeitervorort am östlichen Ende der Themse gelegen. Die Keyboarderin Elf Holloway, die kürzlich von ihrem Freund verlassen wurde, der Halb-Brite, Halb-Holländer Jasper de Zoet, der ein begnadeter Gitarrist ist, aber ein sehr merkwürdiger Einzelgänger zu sein scheint und der Nordengländer Griff, der das Schlagzeug spielt. Die vier Musiker finden tatsächlich musikalisch zueinander und schon bald spielen sie ihre ersten Konzerte und sie starten einen gemeinsamen Weg kreativer Entfaltung, öffentlicher Aufmerksamkeit, Geld und Starrummel, der sie tief ins Musikbusiness eintauchen lässt. „David Mitchell – Utopia Avenue“ weiterlesen

David Mitchell – Die Knochenuhren

Erschien 2014 mit dem Originaltitel: „The Bone Clocks“ | deutsche Übersetzung von Volker Oldenburg erschien 2016 bei Rowohlt | 812 Seiten

Am 19. Juli kam David Mitchells neuster und mittlerweile achter Roman „Utopia Avenue“ in die Buchläden und selbstverständlich wird eine Ausgabe davon schon bald auch in meinem Regal stehen. Doch vorher galt es für mich, dass letzte, bis dato nicht studierte Werk des Briten zu lesen, „Die Knochenuhren“, welches sich günstigerweise schon in meinem Regal befand. „David Mitchell – Die Knochenuhren“ weiterlesen

David Mitchell – Slade House

Erschien im Original: 2015 | Deutsche Übersetzung von Volker Oldenburg | 2018 bei Rowohlt | 240 Seiten

Vor nicht allzu langer Zeit habe ich an dieser Stelle eine Art Leselinie von Autoren gezeichnet. Wie das nun mal bei Listen so ist, kann man mit ihnen nie ganz zufrieden sein, denn die Frage wer oder was auf ihnen aufgenommen ist und wer oder was nicht, ist immer ein wenig komplex. Eine Liste lebt genauso davon was auf ihr steht, wie was sie nicht beinhaltet. David Mitchell jedenfalls erschien auf der angesprochenen „biographisch-chronologischen“ Leselinie meines Lebens. Seit rund anderthalb Jahren würde ich mich als großen Fan bezeichnen und was sehr erfreulich ist, mir stehen noch drei Bücher des britischen Autors bevor, die ich noch nicht gelesen hatte. Eines davon ist „Slade House“, ein für Mitchell Verhältnisse recht kurzes Werk.

In einer verwinkelten Gasse in einer namenlosen britischen Stadt steht das nicht einfach zu findende Slade House. Dichte und hohe Mauern scheinen es fast unauffindbar zu machen, doch wenn man einmal hineingelangt, dann eröffnet das Haus und seine Bewohner einen ganz eigenen, auf seine Besucher abgestimmten Charme, der einen schneller als man denkt gefangen nimmt. „David Mitchell – Slade House“ weiterlesen

David Mitchell – Number 9 Dream

Originaltitel: „number9dream“ | Erschienen: 2001 (auf Deutsch: 2011 bei Rowohlt) | Übersetzer: Volker Oldenburg | Seitenzahl: 544

Ich vergesse für gewöhnlich meine Träume in dem Moment, in welchem ich die Augen aufmache. Manchmal habe ich das Gefühl der Traum der Nacht bestimmt die Form des darauffolgenden Tages, aber das Gefühl kann ich fast nie überprüfen, weil die Stimmung eines Traumes verfliegt bevor mein erster Tee des Morgens kalt wird. Manchmal erscheinen meine Träume mir irgendwann am Tag und manchmal kann ich mich erinnern, dass sie sich wirklich auf meinen letzten Schlaf bezogen, manchmal scheinen sie ein Deja-Vu zu sein, und alles erscheint genauso vertraut, wie zusammenhanglos und ohne Kontext. Es gibt nur ganz wenige Träume an die ich mich noch heute erinnern kann, aber ich habe die Nächte und die Tage danach vergessen.

David Mitchells zweiter Roman „Number 9 Dream“ beginnt mit einem träumenden jungen Mann. Eiji Miyake ist 19 Jahre alt und ist von den Rändern Japans (der kleinen Insel Yakushima) aufgebrochen in das niemals schlafende Tokyo, um seinen Vater kennenzulernen. Eiji ist ohne Eltern aufgewachsen. Seine Mutter war mit dem Leben überfordert und verließ die Kinder, als diese noch sehr klein waren. Seine Zwillingsschwester Anju starb, als Eiji noch nicht mal ein Teenager war und für Eiji bleibt der Traum von seinem Vater, den er endlich einmal kennenlernen möchte. So versucht er im stickig heißen Moloch Tokyo nicht nur seinen Vater zu finden, sondern auch sein Leben. „David Mitchell – Number 9 Dream“ weiterlesen

David Mitchell – Der dreizehnte Monat

Der Sommer 2021 zeigt gerade nochmal, dass er auch warm und sonnig kann, aber es lässt sich nicht wegdiskutieren, irgendwann wird es Herbst und dann wieder Winter. Und mitten im Winter, genauer im Januar 1982, beginnt David Mitchells vierter Roman und zeigt uns in 13 Monaten, 13 Kapitel aus dem Leben des 13-jährigen Jason Taylor.

Jason lebt in der kleinen Ortschaft Black Swan Green (so auch der Originaltitel des Romans), in der Provinz Westenglands, irgendwo zwischen Birmingham und Bristol. Sein größtes Problem in der aufkommenden Welt der Adoleszenz ist, dass er einen kleinen Sprachfehler hat und gelegentlich stottert. Das ist für sein Image bei den Schulkameraden keinesfalls förderlich und Image ist fast alles, worum es in diesem Alter in der Schule geht. Die Schule wird für ihn daher zunehmend zu einem unangenehmen Ort voller Rabauken, Idioten und eher inkompetenten Lehrern. Leider ist aber auch im Hause Taylor, nicht alles eitel Sonnenschein. Jasons Vater, ein notorisches Arbeitstier, bekommt seltsame Anrufe, während Jasons Mutter das einsame Leben einer Hausfrau lebt und Jasons Schwester, Julia, mit ihren 18 Jahren, es quasi als Lebensaufgabe ansieht, ihren Bruder zu nerven. „David Mitchell – Der dreizehnte Monat“ weiterlesen

David Mitchell – Der Wolkenatlas

Ich tue mich immer schwer damit, dass Buch zum Film zu lesen, wenn ich den Film schon kenne. Das gilt natürlich umso mehr, wenn das Buch nach dem Film kommt, aber auch wenn nur der Film auf einem Buch beruht, bin ich meistens nicht dazu bereit mir etwas zweifach zu rezipieren.
Im Fall von David Mitchell konnte ich da aber getrost eine Ausnahme machen, was nicht nur daran liegt, dass der Film „Cloud Atlas“ von den Wachowski Geschwistern und Tom Tykwer in meinen Erinnerungen ziemlich verschwommen ist, sondern viel mehr daran, dass ich mit Mitchell einen weiteren Autor gefunden habe, dessen Werke ich mit größtmöglicher Begeisterung lese. „Der Wolkenatlas“, welcher 2004 als sein 3.Roman veröffentlicht wurde, gilt dabei für viele Leser als sein Hauptwerk. „David Mitchell – Der Wolkenatlas“ weiterlesen

David Mitchell – Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

In Zeiten wie diesen – und an dieser Stelle müssen wir nicht groß rumdrucksen – die allgemein, aber auch individuell durchaus als bescheiden und schlechter bezeichnet werden können, ist die Lektüre eines Buches eine der wenigen brauchbaren Alternativen aus der zunehmenden Einsamkeit der Welt. „David Mitchell – Die tausend Herbste des Jacob de Zoet“ weiterlesen

David Mitchell – Chaos

Warum habe ich eigentlich David Mitchel nicht schon viel früher mal gelesen? Bekannt ist er mir schon seit vielen Jahren, aber irgendwie lag nie ein Buch vor mir. Jetzt endlich bestellte ich „Chaos“, Mitchells ersten Roman aus dem Jahr 1999, dass Teil meiner Sommerbibliothek werden sollte.

„Chaos“, dessen englischer Originaltitel „Ghostwritten“ für den Großteil des Buches besser passt, als die deutsche Kreation (wenn man das Buch beendet hat, dann kann man sich auch mit dem deutschen Titel anfreunden) ist ein Roman, der aus neun längeren Geschichten (und einer sehr kleinen Abschließenden) besteht. Diese Storys sind für sich recht vielfältig und teilweise wundervoll geschrieben. Wir erleben einen Terroristen auf der Flucht, eine junge Liebe in Tokyo, einen mitgenommenen Bänker in Hongkong, eine Reise durch die Mongolei, eine von ihren Reizen überzeugte Museumswärterin in St. Petersburg, einen Musiker und Ghostwriter in London der Erfolg bei den Frauen, aber kein Geld hat, eine Wissenschaftlerin auf der Flucht auf einer einsamen irischen Insel und eine Radiotalkshow in der Nacht New Yorks.
Alle diese Geschichten sind für sich genommen schon wundervolle Erzählungen. Sie sind alle in der Ich-Form geschrieben und lassen den Leser in unterschiedlichste Personen eintauchen, die zwar nicht immer sympathisch, aber jederzeit eine spannende Geschichte zu berichten haben. Dabei erleben sie Liebe, Hass, Gewalt, Erleuchtung oder Enttäuschung.
Zusätzlich ist Mitchell ein hervorragender Beobachter und Beschreiber von Orten und man lernt viel über die Städte und Plätze, die er in „Chaos“ einbaut. Er schafft es auch wundervoll komische Passagen mit Tragik und Spannung abzuwechseln, was dieses Buch sehr, sehr kurzweilig werden lässt. Hier nur ein kleines Beispiel, was genauso zeitgemäß, wie witzig ist (S.523; Beginn des Kapitels „Night Train“): „David Mitchell – Chaos“ weiterlesen