Alexander Osang – Lunkebergs Fest

Aus der Reihe: „aus fremden Regalen“

Erschien 2003 bei S.Fischer Verlag mit 176 Seiten

Es ist sehr schön einen neuen Autor besser kennenzulernen und auf Bücher zurückgreifen zu können, die ein anderes Bücherregal für mich bereithält. Insofern plünderte ich das Regal meiner Schwester ein weiteres Mal, um mir Alexander Osangs Kurzgeschichtenband „Lunkebergs Fest“ zu sichern.

Elf Erzählungen beinhaltet der recht schmale Band, von dem man sich nur eines mehr wünschen würde, dass er ein klein wenig länger wäre, denn Osang erzählt meisterlich. Von einer Busfahrt, bei der man gar nicht so genau weiß, wie dramatisch sie eigentlich ist. Von einem weihnachtlichen Besuch (überhaupt spielen die großen Feststage, Weihnachten und Ostern eine große Rolle) einer Tochter, bei der Mutter und ihrem neuen Freund, bei der sie die Bedeutung der eigenen Beziehung in Frage stellt. Bei einer nicht herkömmlichen Weihnachtsfeier mit Freunden, bei dem sich der Gastgeber vornimmt, seine gefühlte Unzeitgemäßheit zu verbergen. Von einem Urlaub in Schweden und in die Vergangenheit ostdeutscher Vertriebler. Von einer Band, die nur der Chef des Betriebes kennt, bei welchem sie zur Weihnachtsfeier aufspielt. Von einem Ausflug von Vater, Sohn und dessen Freund zum Fußball und in die Jugend des Vaters. Über eine Mutter, die nach einer Urlaubsreise hart in der Realität ihrer infrage gestellten Mutterrolle aufschlägt. Vom Versuch den Weihnachtsbaumständer aus dem Keller zu holen und in eine Art Weihnachtswunder zu geraten. Von einem wegdriftenden Osterfest. Und von einer Tour in Weiten Brandenburgs und die Frage welche Geschichten sich mit Häusern verknüpfen. „Alexander Osang – Lunkebergs Fest“ weiterlesen

Richard David Precht – Geschichte der Philosophie

Bisher 4 Bände erschienen (Band 1: 2015 „Erkenne die Welt“ mit 576 Seiten; Band 2: 2017 „Erkenne dich selbst“ mit 672 Seiten; Band 3: 2019 „Sei du selbst“ mit 610 Seiten; Band 4: 2023 „Mache die Welt“ mit 528 Seiten) | alle Bände erschienen bei Wilhelm Goldmann Verlag

Es gehört fast schon zum guten Ton öffentlicher Äußerungen, sich kritisch zu Aussagen von Richard David Precht zu melden.[1] Das scheint das eigene intellektuelle Selbstverständnis zu erhöhen, wenn man sich an anderen Intellektuellen abbauen kann. Mir fiel das eigentlich nie auf, bis ich auf den Podcast „Lanz & Precht“ aufmerksam wurde, der mir anfangs immer ganz gemischte Gefühle beim Hören brachte, denn teilweise fand ich die Argumentation der beiden Podcaster nicht wirklich zielführend. Ich merkte aber schnell, dass bei einer Stunde Dauer des jeweiligen Hörangebotes, vielleicht 10min dabei waren, die ich für zu kurz gedacht (oder etwas polemisch) hielt, die restlichen 50min fand ich aber teilweise ziemlich inspirierend und ich habe fast bei jeder Ausgabe des wöchentlich erscheinenden Gesprächs recht viel gelernt, weshalb ich beim Podcast hängen geblieben bin. Man kann also, so meine Erkenntnis, vom durchaus viel belesenen Philosophen Richard David Precht etwas lernen.

Da liegt nichts näher, als von ihm über die Geschichte der Philosophie zu lernen, einem Feld, dass ich mir seit Jahren immer mal wieder „reinziehen“ wollte. Deshalb habe ich mir seit letztem Herbst seine bisher in vier Bänden erschiene Geschichte des Faches durchgelesenen und war bereits im ersten Teil erstaunt zu sehen, dass das komplette Werk eigentlich nur für drei Bände ausgelegt war (so verrät es die Einleitung des ersten Textes), jetzt aber bereits vier Bücher erschienen sind und wir immer noch nicht die Philosophie der 2.Hälfte des 20.Jahrhunderts behandelt haben. Ob sich Precht nicht kurzhalten kann, oder kommerzielle Interessen dahinterliegen ist mir eigentlich egal, denn tatsächlich sind die bisherigen vier Bände ein Gewinn (mindestens mal für mein Verständnis von Philosophie) „Richard David Precht – Geschichte der Philosophie“ weiterlesen

Christian Kracht – Eurotrash

Erschien 2021 bei Kiepenheuer & Witsch mit 208 Seiten (in der hier gelesenen Taschenbuchausgabe)

Wieso komme ich eigentlich nie um einen Wühltisch in einer Buchhandlung herum, obwohl ich nie einen Wühltisch im Klamottenladen anrühren würde? Selbst Restbücherverkäufe in Supermärkten ignoriere ich problemlos. Aber der Wühltisch im Buchladen (bevorzugt im Hugendubel in der AmaGa) kann manchmal Schätze hervorbringen und habe ich diese gehoben, ist es ein fast unmögliches Unterfangen, sie nicht zu erwerben. So geschehen Anfang Januar, als mir unter anderem Christan Krachts „Eurotrash“ in die Hände fiel.

Christian Kracht ist 25 Jahre nach seinem Bucherfolg „Faserland“ in Zürich, um seine Mutter zu besuchen, die – über 80-jährig – immer gebrechlicher ist, aber nichts vom Schrecken ihrer Boshaftigkeit verloren zu haben scheint. Krachts Familiengeschichte ist voll von Nazivergangenheit und wirtschaftlichem Erfolg im Nachkriegsdeutschland und der Autor reflektiert all dies, bevor er zum Besuch seiner Mutter aufbricht, bei dem er beschließt eine vielleicht letzte Reise mit seiner Mutter zu unternehmen, an die Orte seiner Kindheit. „Christian Kracht – Eurotrash“ weiterlesen

Anja Reich, Alexander Osang – Wo warst Du? Ein Septembertag in New York

Aus der Reihe: aus fremden Regalen

Erschien: 2011 bei Piper mit 272 Seiten

Das Bücherregal in der Wohnung meiner Schwester hält mich immer wieder auf. Diesmal entdeckte ich ein weiteres Buch von Alexander Osang und obwohl er bis diesem Werk lediglich Co-Autor war und obwohl es zum Thema, den 11.September 2001 hatte (ich dachte, ich hätte das Gefühl gehabt, über 9-11 alles notwendige gelesen, gehört und gesehen zu haben), habe ich es bei meinem weihnachtlichen Besuch trotzdem eingepackt, dafür bin ich von Osangs Roman „Lennon ist Tod“ zu nachhaltig positiv beeinflusst worden.

Das Buch einzupacken und durchzulesen, war eine gute Entscheidung. „Wo warst du?“ beschreibt den 11.September 2001 der Familie Osang – Reich. Alexander Osang ist Journalist des Spiegels, der in New York arbeitet. Seine Frau Anja Reich ist mit ihm und den beiden Kindern Ferdinand und Mascha vor zwei Jahren mitgezogen, doch während ihr Mann durch die USA und Europa reist, um Geschichten zu recherchieren und Menschen zu treffen, ist ihre journalistische Karriere etwas abgebremst worden, weil sie sich hauptsächlich um die Kinder kümmert. Am 10. September kommt Osang von einer längeren Reise aus Europa wieder nach Hause und geht erstmal joggen, weil er für den New York Marathon trainieren möchte, was seine Familie, insbesondere seine Frau nicht unbedingt goutiert, da sie den Familienvater lange nicht zu Gesicht bekommen hat. Und dann startet der 11.9., eine eigentlich ganz normaler, sonniger Spätsommerdienstag in New York City. „Anja Reich, Alexander Osang – Wo warst Du? Ein Septembertag in New York“ weiterlesen

Wolf Haas – Eigentum

Erschien 2023 bei Hanser mit 158 Seiten

Dieses Jahr versuchte ich, wie schon in den letzten Jahren, mit meiner Nichte im Park von Frankfurt Soßenheim, den grundgütigen Weihnachtsmann zu finden. Als wir seine Spur wir fast hatten, erklang das Weihnachtsglöckchen, was meine Nichte jedoch gefühlte Ewigkeiten nicht hörte und welches die Bescherung ankündigte, was wiederum besagte Nichte (als sie das Glöckchen endlich hörte) dazu brachte unter Hochdruck nach Hause zu laufen und ich flitzte hinterher. Es war jener Zeitgenosse im roten Mantel, den wir wieder nicht wirklich zu Gesicht bekamen, der aber am heiligen Abend, in kluger Zusammenarbeit mit dem Christkind (und unter Zuhilfenahme von Cola-Getränken) Geschenke verteilte und der mir das neueste Büchlein von Wolf Haas unter den Weihnachtsbaum legte.

„Eigentum“ ist kein neuer Brenner-Krimi von Wolf Haas, sondern ist, wie beispielsweise „Junger Mann“ ein autofiktionaler Text des Österreichers aus Maria Alm am Steinernen Meer. Wir erleben einen Erzähler, der natürlich Wolf Haas heißt, welcher wiederum die letzten Tage seiner Mutter auf Erden dazu nutzen möchte, genau über jene Mutter zu schreiben, obwohl er eigentlich eine Poetik-Vorlesung vorbereiten müsste.
Marianne Haas war kein sonderlich herzensguter Mensch und bei den Nachbarn eher unbeliebt. Ihr Leben war geprägt von Arbeit und dem Wunsch nach Wohneigentum, der sich aber durch fehlende Steigerung des Realeinkommens nicht einlösen ließ. „Wolf Haas – Eigentum“ weiterlesen

Umberto Eco – Der Name der Rose

Erschien 1980 im italienischen Original „Il nomma della rosa“ bei Editoriale Fabbri-Bompiani | deutsche Übersetzung von Burkhart Kroeber hier vorliegend als dtv Taschenbuch mit 680 Seiten

Fast ein halbes Jahr liegt die letzte Romanvorstellung auf diesen digitalen Seiten zurück. Das lag zum einen daran, einen gewissen Sachbuchrückstand weg zu machen (verbunden mit einem größeren Projekt über die Geschichte der Philosophie, aber dazu in einem späteren Eintrag mehr). Zum anderen lag dies auch daran, mein „Tsundoku-Konto“ positiv zu halten und keine neuen Romane zu erwerben (was schwerfällt, betrachtet man die Neuerscheinungen; ich nenne Namen: Murakami, Kehlmann, Haas). Also musste die heimische Bibliothek untersucht werden, nach ungelesenen Schätzen und da fiel mir schnell „Der Name der Rose“ in die Hände, vor vielen Jahren begonnen, aber nach rund 200 Seiten nicht beendet. Diese Schmach – wohl schon als Student zugezogen – nicht ein einziges Buch von Umberto Eco fertig gelesen zu haben, musste ich irgendwann tilgen, also frisch ans Werk.

Am Ende seines Lebens schreibt der Mönch Adson von Melk eine ganz besondere Geschichte seiner Vita auf. Wir befinden uns im Spätmittelalter, im November 1327, als der damals junge Novize den britischen Franziskanermönch William von Baskerville in eine Benediktinerabtei im Apennin begleitet. William, ein ehemaliger Inquisitor ist hier, um ein Treffen von Abgeordneten seines Ordens mit Vertretern des Papstes zu organisieren. Doch im Kloster ist es zu einem Todesfall gekommen und der Abt Abbo von Fossanova bittet William um Mithilfe bei der Aufklärung. „Umberto Eco – Der Name der Rose“ weiterlesen

Der tommr.de Jahresrückblick 2023

Das Jahr 2023 war eigentlich gar nicht so übel, wie man meinen könnte, wenn man auf die globalen Ereignisse schaut. Wie immer zum Jahresabschluss – oder besser zum Neujahrsbeginn – soll ein kurzer Blick folgen, auf meine besten hier im Blog dargebrachten Filme, Serien und Bücher, verbunden mit dem gewohnten Hinweis, dass hier der sehr begrenzte Horizont meiner intellektuellen Aufnahme nicht überschritten wird, weshalb es weiterhin auch keine Kommentarfunktion auf diesen Seiten gibt. „Der tommr.de Jahresrückblick 2023“ weiterlesen

Frank Sieren – Zukunft? China! Wie die neue Supermacht unser Leben, unsere Politik und insere Wirtschaft verändert

Aus der Reihe: our pathetic age

Erschien 2018 bei Penguin | hier in der Sonderausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung mit 366 Seiten

Ich möchte an dieser Stelle ankündigen, dass dieser kleine Blog in Zukunft ein weiteres Themenfeld aufnehmen soll, dass mich zunehmend prägt; nämlich Podcasts! In einem „meiner“ Podcasts, hörte ich erstmals von Frank Sieren, einem deutschen Autor, der nicht nur in China lebt, sondern auch über China berichtet. Als Europäer – und so verlief meine Hinwendung an gerade genannten Autor – sollte man sich der zunehmenden weltpolitischen Bedeutung Chinas bewusst werden und mehr über die vermeintlich neue Weltmacht erfahren. Hatte ich mich vor einigen Jahren zur Frage welche Geschichte und Kultur China hat etwas belesen, wozu Stefan Baron und Guangyan Yin-Baron sowie Marcus Hernig Auskunft gaben, waren meine Erwartungen bei Sieren hoch, denn er wurde im Podcast von „Lanz&Precht“ erwähnt, über den ich eigentlich auch mal ein paar Zeilen schreiben sollte. „Frank Sieren – Zukunft? China! Wie die neue Supermacht unser Leben, unsere Politik und insere Wirtschaft verändert“ weiterlesen

Heinz Bude – Das Gefühl der Welt. Über die Macht von Stimmungen

aus der Reihe: „our pathetic age

Erschien 2016 bei Carl Hanser | hier in der Sonderausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung vorliegend mit 144 Seiten

Meine Stimmung geht gegen Ende des Sommers immer eine Winzigkeit in Richtung Melancholie. Die Freibäder schließen, die Tage werden kürzer, sommerlichen Hitzetage werden seltener und bald danach wird es zu kalt werden, sich auf die Wiese zu legen und Bücher zu lesen. Erst gestern erzählte mir mein Opa von einem ähnlich melancholischen Gefühl, wobei er die Stimmung im Lande meinte, die nach seiner Einschätzung immer schlechter würde und nachdem ich danach den letzten Tag der Leichtathletik Weltmeisterschaft sah und man feststellen musste, dass niemand vom DSV[1] eine einzige Medaille, in der vergangenen Woche, gewonnen hatte war mir für einen Moment so, den Gedanken das alles immer schlechter wird zuzulassen. „Heinz Bude – Das Gefühl der Welt. Über die Macht von Stimmungen“ weiterlesen

Thomas Piketty – Eine kurze Geschichte der Gleichheit

Aus der Reihe – our pathetic age

Erschien 2021 im französischen Original „Une brève histoire de l’egalitè“ bei Editions du Seuli | in deutscher Übersetzung von Stefan Lorenzer in der Sonderausgabe der Bundeszentrale für politische Bildung 2022 mit 264 Seiten

Die Prominenz und Aktualität von Themen ist immer eine Aussage über die Zeiten, in welchen wir Leben, den Geist der sie bestimmt. Dafür ist auch Thomas Pikettys „kurze Geschichte der Gleichheit“ ein schönes Beispiel. Pikettys „Kapital im 21. Jahrhundert“ war 2015 für mich eines der anregendsten Sachbücher, dass viel über die Ungleichheit in der Leitungsgesellschaft des Kapitalismus zu sagen hatte. Mit großer Freude sah ich dann, dass die Bundeszentrale für politische Bildung sein neuestes Buch „Eine kurze Geschichte der Gleichheit“ im Angebot hatte. „Thomas Piketty – Eine kurze Geschichte der Gleichheit“ weiterlesen