Aftersun

Jahr: 2022 | Regie & Drehbuch: Charlotte Wells | Drama | 101min | Location: Ende der 1990er Jahre an der türkischen Rivera

Ende der 1990er Jahre war die Welt eine und doch war sie unseren Tagen ganz ähnlich. Damals studierte ich noch die Fernsehzeitungen nach Filmhighlights. Die seiner Zeit 14-tägig erworbene „TV Movie“ bewertete Filme mit Punkten, Symbolen und kleinen Texten und so stieß ich von Zeit zu Zeit auf Filme, die beispielsweise abends auf 3sat liefen. Ich habe seit Jahren keine TV-Zeitschrift mehr gelesen (was auch daran liegen könnte, dass auf meinem Fernseher kein einziger Kanal gespeichert ist), aber ab und an stöbere ich durch die Mediatheken, wie die vom Ersten und auch da finden sich nun einige Filmperlen, wie Charlotte Wells Debütfilm „Aftersun“. „Aftersun“ weiterlesen

Andrea lässt sich scheiden

Jahr: 2024 | Regie & Drehbuch: Josef Hader | Komödie | 90 Minuten | Location: in der österreichischen Provinz nahe St. Pölten

Betreuung steht eigentlich für eine Hilfe, die man im Regelfall jüngeren oder älteren Menschen zuteilwerden lässt, weil diese selbige benötigen. Aber in unserer wortspielreichen Welt (könnte es eine schönere Welt geben?) wird der Begriff Betreuung gern auch mal abgewandelt. In Dresden beispielsweise gibt es das äußerst erfolgreiche (und mir leider unbekannte) Format des betreuten Singens, das sich nach den mir vorliegenden Informationen insbesondere bei der hiesigen Damenwelt großer Popularität erfreut. Da hat man sich im Programmkino Ost vielleicht gedacht, mit „Betreuung“ machen wir auch was! Oder man dachte sich, mit Josef Hader machen wir was, denn im März und April gab es hier eine Filmreihe mit dem Titel „betreutes Hadern“, in der Filme des großartigen österreichischen Kabarettisten, Schauspielers und Regisseurs gezeigt wurden (und eine Gesprächsrunde mit ihm, die ich leider verpasste). In dieser Reihe lief auch Haders neuester Film, „Andrea lässt sich scheiden“, der 2024 in die Kinos kam. Zwar war der Betreuungscharakter im Film auf das Zeigen von Untertiteln reduziert (was bei einem deutschsprachigen Film aus der österreichischen Provinz schon ein wenig anmaßend erscheint, gerade in Sachsen), aber das Publikum – im überwiegend gesetzten Alter – war trotzdem zahlreich erschienen. „Andrea lässt sich scheiden“ weiterlesen

Here

Jahr: 2024 | Regie & Buch: Robert Zemeckis (Buch mit Eric Roth) | Spielfilm | 104min

Anfang der 2000er Jahre war die Webcam Technologie, ebenso wie das Internet, noch recht neu. Ich las in jenen Tagen meinen ersten Roman in englischer Sprache (der zum Glück sehr kurz war, denn ich musste zahllose Wörter übersetzen und damals musste man noch in einem großen Wörterbuch nachschlagen, heute verlegt sich das ins Internet und geht ungleich schneller). Wahrscheinlich hat mich das Übersetzen so sehr mitgenommen, dass ich mich nicht mehr an die Story des Romans erinnern kann, nur eine Erzählkonstellation ist bis heute nicht vergessen; die amerikanische Hauptheldin saß immer nachts an ihrem Computer und beobachtete die Bilder einer Webcam aus Kotka / Finnland, welche eine Straße aufnahm, in der für gewöhnlich nichts passierte. Ich fand diese Szenen großartig, einfach durch seinen Computer – in der Stille des eigenen Lebens – live in die Welt hinauszuschauen, was der Rest der Welt so macht. Heute gibt es zwar alle möglichen Webcams und man kann 24/7 auf diese zugreifen, aber diese Angebote zu nutzen und alle möglichen Plätze des Planeten anzusehen, habe ich dann doch nie richtig gemacht.[1]
„Here“ weiterlesen

Empire of Light

Jahr: 2022 | Regie & Drehbuch: Sam Mendes | Spielfilm | 119min | Location: Südküste Englands in den frühen 1980er Jahren

Eine der vielen Sachen, die ich mir in meinem Leben hätte gut vorstellen können, wäre es gewesen, an der englischen Küste zu leben (bevorzugt Devon oder Cornwell). Das habe ich zwar fast ein Jahr gemacht und der Regen in den Wintermonaten war langanhaltend und nervtötend wie ein Tag mit stechendem Kopfschmerz und ohne Aspirin, doch auf der anderen Seite ist diese Gegend eine der reizvollsten und liebeswertesten, die ich kenne.

Sam Mendes entführt uns in seinem 9.Kinofilm an die Südküste Englands in eine Stadt am Meer, die ein beeindruckend schönes Kino sein Eigen nennen kann. Dieser Bau aus den 1920er oder 30er Jahren, als modernes Bauen seinen ästhetischen Höhepunkt feierte, hat in den 1980er Jahren etwas an Strahlkraft verloren, obwohl Kinodirektor Mr.Elis (Colin Firth) das Empire Kino mit einer Südengland Premiere und dem damit verbundenen Trubel aufwerten will. Seine wichtigste Angestellte ist Hillary (Olivia Colman), die sich um alles im Kino zu kümmern scheint, Kartenverkauf, Zuschauerzufriedenheit und die allgemeine Ordnung der Dinge. Darüber hinaus bereitet sie noch Mr.Elis Gefallen, die weit über ein Angestelltenverhältnis hinaus gehen. Doch Hillary ist eigentlich eine sehr einsame Frau, an der das Leben vorbei zu rauschen scheint. Das ändert sich mit der Ankunft von Stephen (Michael Ward), der mit jugendlichem Elan und gutem Aussehen Leben und Freude in das Tagewerk der Kinoangestellten bringt. „Empire of Light“ weiterlesen

Kinds of Kindness

Jahr: 2024 | Regie & Drehbuch: Giorgos Lanthimos (Drehbuch mit Efthymis Filippou) | Spielfilm | 165 min

Es gibt kaum einen Regisseur, der mich so fasziniert wie Giorgos Lanthimos. Oder sagen wir lieber, es gibt kaum solche faszinierenden Filme, wie die von Giorgos Lanthimos. „The Lobster“ aus dem Jahr 2015 halte ich immer noch für einen der besten Liebesfilme aller Zeiten (mindestens der beste nicht-romantische Liebesfilm der Geschichte). Sein vielgepriesenes 2023er Werk „Poor Things“ fand ich nicht wirklich berauschend, weshalb ich vielleicht mit etwas gedämpfter Vorfreude sein neuestes Werk „Kinds of Kindness“ sah. „Kinds of Kindness“ weiterlesen

Juror#2

Jahr: 2024 | Regie: Clint Eastwood | Drehbuch: Jonathan Abrams | Gerichtsdrama | 114min

Im November letzten Jahres (in Deutschland allerdings erst im Januar 2025) startete Clint Eastwoods 41. Film als Regisseur! Es ist für den mittlerweile 93-jährigen, der Abschied aus dem Filmbusiness und an dieser Stelle sein schon gesagt, er tut dies mit einem sehr eindrücklichen Film.

Justin Kemp (Nicholas Hoult) lebt zusammen mit seiner Frau Ally (Zoey Deutch) und sie stehen kurz davor endlich ihr erstes Kind zu bekommen. Da kommt die Verpflichtung in einer Geschworenen-Jury zu sitzen, nicht gerade zeitlich günstig. Verhandelt wird der Fall von James Michael Sythe (Gabriel Basso), der wegen Mordes an seiner Freundin Kendall (Francesca Eastwood) angeklagt ist. Trotz der Einwände von Justin, seine Frau sei in einer Risikoschwangerschaft, wird er als Geschworener berufen und erlebt, wie die Staatsanwältin (Toni Colette) die Fakten der Anklage präsentiert und der Pflichtverteidiger (Chris Messina) von Sythe versucht eher bemüht, diesen zu entlasten. Bei der Präsentation des Tatvorgangs bemerkt Justin Kemp nicht nur, dass er zur Tatzeit in der gleichen Bar war, in welcher der Angeklagte und das Mordopfer einen Streit hatten, sondern auch, dass sein längst vergessener Wildunfall auf dem damaligen Heimweg vielleicht gar kein Wildunfall war, wie Justin seinerzeit dachte, sondern unmittelbar mit dem Tod von Kendall zu tun haben könnte. Als Anonymer Alkoholiker berichtet er seinem Sponsor Larry (Kiefer Sutherland) von seinem Verdacht, dass er unbewusst Kendall umgefahren haben könnte, und Larry, der auch Anwalt ist, rät ihm, keinesfalls diesen Verdacht auszusprechen, da ihm erhebliche strafrechtliche Konsequenzen drohen könnten. Mit diesem Wissen geht Kemp in die Beratungen der Jury, die sich bis auf ein Mitglied, dem Ex-Cop Harold (J.K. Simmons) einig sind, dass Sythe der Mörder war. Justin steht vor einer Zwickmühle, sein Gewissen sagt ihm aber, Sythe nicht zu schnell zum Mörder zu verurteilen. „Juror#2“ weiterlesen

Alpen

Jahr: 2011 | Regie & Drehbuch: Giorgos Lanthimos | Drama | 93min

Lange stand schon „Alpen“ von Giorgos Lanthimos auf meiner Film-Watchlist und die Erweiterung meiner Möglichkeiten über das neue Filmportal Mubi, machte es nun möglich den Vorgängerfilm von „The Lobster“ zu sehen, einen fast schon Klassiker zu nennenden Film, den ich für einen der besten der 2010er Jahre halte. „Alpen“ weiterlesen

Another World

Jahr: 2011 | Regie & Drehbuch: Mike Cahill | Drama | 93min

„Another Earth“ erzählt die Geschichte von Rhonda Williams (Brit Marling) deren Leben ihr zu Füßen liegt. Sie ist am MIT für ein Studium zugelassen, einer Karriere scheint nicht viel im Weg zu stehen. Sie feiert das Ereignis mit Freunden und fährt leicht angetrunken nach Hause, als im Radio von einem neuen Planeten gesprochen wird, der wie die Erde aussieht und tatsächlich auch mit bloßem Auge von dieser aus, gesehen werden kann. Da lohnt sich ein Blick aus dem fahrenden Auto, doch unglücklicherweise rammt sie damit, ein an einer Kreuzung stehendes Auto des Musikprofessors John Burroughs (William Mapother), der bei diesem Unfall seinen Sohn und seine Frau verliert.

Vier Jahre später wird Rhonda aus dem Gefängnis entlassen und erfährt davon, dass John Burroughs noch lebt, der jedoch an seiner Existenz zu zerbrechen scheint. Sie will sich bei ihm entschuldigen, schafft dies aber nicht und wird seine Putzfrau. Währenddessen ist der sichtbare Planet immer noch da und die Vermutungen scheinen sich zu bestätigen, dass er so etwas wie eine gespiegelte Erde ist. „Another World“ weiterlesen

Rushmore

Jahr: 1998 | Regie & Drehbuch: Wes Anderson | Komödie | 93min

In der auf dieser Seite eingerichteten Reihe „Filmklassiker der Jahrtausendwende“ wurde schon längere Zeit kein Film mehr beleuchtet. Als ich neulich die Möglichkeit hatte, Rushmore von Wes Anderson zu sehen, dachte ich, ich hätte den Film bereits geschaut, aber tatsächlich gibt es keinerlei Aufzeichnungen darüber und ich vermute, der Filmgenuss lag noch vor der Zeit, als ich mir zu jedem Film etwas notiert habe. Wes Anderson gelang es mit diesem, seinen zweiten Streifen seinen Durchbruch zu erleben und heute gilt „Rushmore“ als kultiger Klassiker der Low-Budget Filmkomödien der 90er. „Rushmore“ weiterlesen

The Wizard of Lies

Jahr: 2017 | Regie: Barry Levinson | Filmbiographie | 133min

Wie Sie, geneigter Leser dieses Blogs, vielleicht wissen habe ich dieses Jahr mein Interessensgebiet auf den Finanzbereich ausgeweitet und dabei begegnete mir der Fall von Bernard Madoff, der – wie sich 2008 herausstellte – ein riesiges Betrugssystem als Investmentbanker aufbaute, dass seinerzeit in sich zusammenfiel und allerhand geprellte Investoren zurückließ und es gibt nicht ärgerlicheres als Geld auf dem Finanzmarkt zu verlieren, wie ich ihnen als Junginvestor berichten darf!
Barry Levinsons (den man als Regisseur zahlreicher Klassiker wie „Rain Man“ oder „Good Morning Vietnam“ kennen mag) Film erzählt, wie Madoff (Robert De Niro), einer der angesehensten Männer der Wall Street von einem geschätzten Geschäftsmann und Familienvater zu einer persona non grata wurde. „The Wizard of Lies“ weiterlesen