David Mitchell – Der dreizehnte Monat

Der Sommer 2021 zeigt gerade nochmal, dass er auch warm und sonnig kann, aber es lässt sich nicht wegdiskutieren, irgendwann wird es Herbst und dann wieder Winter. Und mitten im Winter, genauer im Januar 1982, beginnt David Mitchells vierter Roman und zeigt uns in 13 Monaten, 13 Kapitel aus dem Leben des 13-jährigen Jason Taylor.

Jason lebt in der kleinen Ortschaft Black Swan Green (so auch der Originaltitel des Romans), in der Provinz Westenglands, irgendwo zwischen Birmingham und Bristol. Sein größtes Problem in der aufkommenden Welt der Adoleszenz ist, dass er einen kleinen Sprachfehler hat und gelegentlich stottert. Das ist für sein Image bei den Schulkameraden keinesfalls förderlich und Image ist fast alles, worum es in diesem Alter in der Schule geht. Die Schule wird für ihn daher zunehmend zu einem unangenehmen Ort voller Rabauken, Idioten und eher inkompetenten Lehrern. Leider ist aber auch im Hause Taylor, nicht alles eitel Sonnenschein. Jasons Vater, ein notorisches Arbeitstier, bekommt seltsame Anrufe, während Jasons Mutter das einsame Leben einer Hausfrau lebt und Jasons Schwester, Julia, mit ihren 18 Jahren, es quasi als Lebensaufgabe ansieht, ihren Bruder zu nerven.

„Der dreizehnte Monat“ (über den deutschen Titel rätsele ich ein wenig, wobei er mir zunehmend mehr gefällt) ist anders als die großen Romanpanoramen von Mitchell, eher eine kleine und vom Handlungszeitraum (dem Jahr 1982) fast schon mikroskopisch zu nennende Geschichte. Trotzdem ist dieses Buch sehr lesenswert und versprüht einen reizenden Charme, weil Jason mit seinen 13 Jahren, ein wunderbarer Erzähler ist und man tief eintaucht in eine Welt, die vor dem Abschluss der Kindheit steht und welche in das raue Schicksal des Erwachsenwerdens blickt. Das ist insbesondere für erwachsene Leser ein spannendes Sujet, denn es geht nicht nur darum, wie man sich dem Spott seiner Mitschüler erwehrt, sondern auch, wie man herausfindet, was in der Welt ist und wie man es auszudrücken vermag und das ist tatsächlich ein nicht immer leichtes Unterfangen, wie beispielsweise folgende Szene verrät:

„Grün besteht aus Gelb und Blau und sonst nichts, aber wo sind das Gelb und das Blau, wenn du dir etwas Grünes ansiehst? Irgendwie hat das mit Morans Vater zu tun. Irgendwie hat das mit allem und jedem zu tun. Aber wenn ich versucht hätte, Moran das zu erklären, wäre es nur schiefgegangen.“  (S.138, Hervorhebung im Original)

Dazu ist „Der dreizehnte Monat“ ein Portrait Großbritanniens in den 1980er Jahren, eines Landes das als ehemalige Weltmacht in den Falklandkrieg um eine winzige, schroffe Inselkette im Südpazifik zieht und das eine aufstrebende neue Premierministerin hat, Margaret Thatcher, für deren streng konservative Politik sich sogar ein ganz eigener Begriff durchsetzte, der Thatcherismus. Das Mitchell ein paar Verknüpfungen zu früheren Büchern einbaut, ist dann als kleines und für Fans wie mich, erquickendes Extra zu lesen.
Der Roman ist ein wirklich lesenswertes Buch, dass einiges aus dem Leben des Schriftstellers zeigt (1982 war auch Mitchell 13 Jahre alt, er wuchs in der gleichen Gegend auf, in welche er das fiktive Örtchen Black Swan Green platziert und auch Mitchell stottert), in dieser „semi-autobiographical novel“, wie der Autor sein Werk selbst bezeichnete.

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