Karl Hepfer – Verschwörungstheorien. Eine philosophische Kritik der Unvernunft

Schon im letzten hier vorgestellten Sachbuch über die veränderte Rolle der Medien in unseren Zeiten habe ich versucht näher kennenzulernen, wie heutzutage Informationen gesellschaftlich bewertet und weitergeleitet werden. Dabei maßgeblich sind neue Formen, wie die sozialen Medien, die in der Menschheitsgeschichte einen großen Umbruch einzuleiten scheinen. So stellt Karl Hepfer fest:

„Ackerbau und Industrialisierung haben in der Vergangenheit unsere Lebensumstände jeweils grundlegend revolutioniert. Das allgemeine Überangebot an Informationen ist gerade dabei, dies ein weiteres mal zu tun. Mit einem wesentlichen Unterschied. Denn bei dieser Revolution betrifft die Veränderung nicht mehr die physischen Bedingungen unserer Existenz, sondern vor allem unsere ‚psychische‘ Umgebung.“ (S. 139)

Wir leben in sehr dynamischen Zeiten, die unsere Wahrnehmung der Welt maßgeblich zu verändern scheinen. Ein Merkmal unserer Gegenwart ist das Auftreten bzw. die Wahrnehmung von Verschwörungstheorien.

Karl Hepfer versucht aus einer Perspektive der Philosophie heraus, Verschwörungstheorien zu untersuchen. Dies macht er, in dem er den Aufbau und die theoretischen Strukturmerkmale von Verschwörungstheorien beleuchtet und dann jedem Kapitel eine Verschwörungstheorie als inhaltliches Beispiel folgen lässt. Dies ist ein sehr erhellendes Vorgehen, dass dem Leser zeigt, der Umgang mit solchen Theorien ist keinesfalls simpel und schnell nach dem Schema wahr / unwahr abzuarbeiten. Hepfer zeigt strukturelle Besonderheiten von Verschwörungstheorien (gerade im Vergleich mit wissenschaftlichen Theorien) auf, wie beispielsweise das Vorhandensein von letztgültigen und absoluten Antworten welche Verschwörungstheorien gern anbieten. Gleichfalls gefällt es ihnen einen teilweise extrem aufgeblähten quasi-wissenschaftlichen Argumentationsaufbau mit einem selektiven Kohärentismus anzubieten, daher dem Anspruch, das Wahrheit aus dem widerspruchsfreien und stimmigen Behauptungen eines Theoriekonstrukts entsteht (und daher „nur“ so etwas wie eine stimmige Erzählung sein müssen, deren Legitimation nicht aus dem Bezug zur Realität, sondern aus ihrer eigenen Stimmigkeit ergibt). Fast schon essentiell ist, dass diese Theorien sehr gern ein Modell von Gut und Böse etablieren und den Untersuchungsgegenstand dabei dämonisieren. Hepfer verweist aber auch auf die Konsequenzen einer zunehmend von Verschwörungstheorien durchsetzen Welt und appelliert:

„Denn besonders in einer Zeit, in der die Zahl der ‚offen‘ im Geheimen agierenden Alphabet-Agencies kaum noch zu überschauen ist, erinnert uns die verschwörungstheoretische Konkurrenz zu den offiziellen Verlautbarungen mit Nachdruck daran, die offiziellen Versionen jeweils sorgfältig zu prüfen. Sie legen den Finger auf die Brüche und Ungereimtheiten in den offiziellen Geschichten und fordern uns immer aufs Neue dazu auf, über das Maß und die Gründe des Vertrauens nachzudenken, mit denen wir unseren sozialen Institutionen und unseren Mitmenschen begegnen.“ (S.148)

Wer dabei einen Einblick in die Philosophie und Wissenschaftstheorie nicht scheut und schon immer etwas mehr über Verschwörungstheorien wissen wollte, der ist bei diesem Sachbuch richtig!

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