Dystopien sind ein gern genutztes Genre, um heutige Entwicklungen kritisch zu durchleuchten, um sie in einer entfernten Zukunft zu spiegeln. Interessanterweise sind sie weitaus jünger als Utopien, die einen fiktiven Nicht-Ort, ein herbeigewünschtes Nirgendwo beschreiben. Dystopien tauchen erstmals seit der industriellen Revolution auf und in den letzten Jahren scheint diese Gattung durchaus Konjunktur zu haben, was vielleicht dafür spricht, dass wir in bewegenden Zeiten leben.
Marc-Uwe Kling, den Sie geneigter Leser, vielleicht von den „Känguru-Chroniken“ kennen, legt mit „Qualityland“ eine Betrachtung unserer digitalisierten und kommerzialisierten Welt vor und zeigt eine mögliche Radikalsierung dieser. Wir befinden uns in Qualityland, einem Staat der seinen Namen von einer Marketingagentur bekommen hat, damit er motivierender auf seine Bewohner und potentielle Gäste wirkt. Die Einwohner werden in Levels aufgeteilt, die zwischen 0 und 100 liegen und je nach Höhe des Levels hat man mehr Privilegien. Große Unternehmen kontrollieren den Alltag, sei es die Partnervermittlung „QualityPartner“, die den perfekten Partner errechnet und ein zufälliges Verlieben ad absurdem führt, oder „The Shop“, ein globaler Versandhändler, der schon bei unbewussten Wünschen der Kunden, Waren an diese versendet. Seinen Nachnamen erhält der Einwohner des Landes vom Beruf seiner Eltern und so gesehen geht es Peter Arbeitsloser besser als seinem Vater, denn Pater hat einen Job, allerdings in seiner eigenen Schrottpresse. Es ist kein wirklich ansprechender Beruf und Peter muss feststellen, dass sein Leben etwas stagniert, wenn nichts sogar nach unten abzurutschen droht, auf Level 10, wo man nur noch als Nutzloser geführt wird. Währenddessen liegt die Präsidentin von Qualityland im Sterben und Neuwahlen sind erforderlich in welchem der rechte Kandidat Conrad Koch gute Siegchancen hat, denn sein Gegenkandidat John of Us ist ein sehr attraktiv aussehender Roboter, der vielleicht aber zu ehrlich für den Politikbetrieb programmiert wurde.
„Qualityland“ ist ein sehr engagiertes Buch, dessen klares Ziel es ist, die Entwicklungen der digitalen Gesellschaft zu kritisieren. Da gelingt dem Buch gut, ohne das es auf eine hohe Abstraktionsebene abstellt. Tatsächlich erinnert es in der Struktur sehr an die „Känguru-Chroniken“, die dialogisch abgefasst sind und auch „Qualityland“ besteht zum großen Teil aus Dialogen, die immer wieder von fiktiver Werbung unterbrochen werden. Das ist an vielen Stellen ziemlich witzig. Leider bleibt die literarische Qualität dabei auf der Strecke, so dass man bei „Qualityland“ nicht wirklich von einem Roman sprechen kann. Wer aber humorvolle Kritik unserer Gesellschaft in einer abgedrehten Zukunft lesen möchte, der ist bei diesem Buch nicht falsch.