Mario Vargas Llosa – Das Fest des Ziegenbocks

Ein im 20. Jahrhundert verhältnismäßig häufig vorzufindendes politisches Amt war das, des Diktators. Mario Vargas Llosa ist es zu verdanken, dass wir unter den zahlreichen im karibischen Raum regierenden Herrschern der letzten 100 Jahre, die Gestalt von Rafael Trujillo näher kennen lernen, seines Zeichens Diktator der Dominikanischen Republik für über drei Dekaden (was im Diktatoren-Index schon mal einen ganz guten Wert für Langlebigkeit darstellt).

„Das Fest des Ziegenbocks“ gibt Auskunft über die traurige Zeit um das Jahr 1961, als die Herrschaft Trujillos schon dreißig Jahre alt ist und das Land durch Gewaltexzesse im In- und Ausland in die politische Isolation getrieben wurde. Weder die Kirche noch die USA, beides ehemalige treue Verbündete des Regimes, wollen den mittlerweile 70-jährigen „Wohltäter des Volkes“ noch unterstützen, während dieser auch immer mehr die Auswirkungen der Wirtschaftssanktionen zu spüren bekommt.

Das sind die Rahmenbedingungen der Geschichte, die dem Leser hauptsächlich über drei Erzählperspektiven vorgestellt werden. Zum einen über die mittlerweile 49-jährige Uranita Cabrales, die 1961, als 14-jährige das Land verlassen konnte, nachdem sie ein grauenhaftes Erlebnis hatte, und nach 35 Jahren erstmals wieder in das Land reist, um den mittlerweile greisen Vater, dem ehemaligen Senator Cabral und die Verwandtschaft zu sehen und sich erinnert, an Ereignisse die sie prägten, die sie aber lieber längst vergessen hätte. Die zweite Perspektive ist die von Diktator Rafael Trujillas, dem Diktator persönlich, der seinen Arbeitstag pünktlich um 4 Uhr beginnt und dessen Tagewerk uns vorgestellt wird. In einer dritten Ebene lernen wir vier Verschwörer kennen, die den Generalissimus umbringen wollen.

Vargas Llosa porträtiert sehr eindrücklich die gesellschaftlichen Verhältnisse in der Dominikanischen Republik. Er zeigt Verfolgung und Unterdrückung ebenso auf, wie das Machtspiel des Herrschers und die Ränkespiele und Speichelleckerrein seiner Untergebenen. Trujillo wird dabei als eine Allmachtsperson vorgestellt, der fast schon mehr Ärger mit den Auswüchsen seiner Familie und Machtriege hat, als mit außenpolitischen Problemen. Nur ein Problem scheint noch größer, das seiner ständig wachsenden Prostata. Er ist ein sehr disziplinierter und eitler Geist, der sich aber als Chef das Recht zuspricht, sich alles zu nehmen, was er möchte, angefangen von Geld, über kleine Mädchen bis zum Menschenleben von Oppositionellen, um damit sich und gleichzeitig dem Lande zu dienen.

„Das Fest des Ziegenbocks“ ist kein ideengeschichtliches Buch, das zeigen möchte, dass diese oder jene politische Idee zu Unterdrückung und Verfolgung führt. Vargas Llosa versucht vielmehr darzustellen, wie Diktaturen funktionieren, ganz gleich welche Ideen sie sich selbst vorgeben. Er beschreibt wie sehr Individuen ihrer Menschlichkeit beraubt werden, wenn sie in einem solchen System anecken und wie brutal eben dieses System zurückschlagen kann, wenn man es angreift. Das ist die große Stärke des Buches (das auch von der Beschreibung von Folter nicht zurückschreckt, weshalb einige wenige Kapitel, nur schwer zu ertragen sind). Jedoch bekommt man als Leser nicht vom Eindruck los, das hier ein routinierter Autor (Das „Fest des Ziegenbocks“ ist der 10.Roman des Literaturnobelpreisträgers von 2010) einen runden Plot liefern möchte. Das gelingt ihm zweifellos, aber man hat immer wieder das Gefühl als würde irgendetwas fehlen, um dieses Buch von der Liga der guten Romane in die Liga der Weltklasse-Romane zu spülen. Vielleicht ist das aber auch gar nicht wichtig und eher eine Geschmacksfrage. Ärgerlich sind vielmehr die sich am Ende des Buches etwas zu stark durchsetzende Gefühlsduselei. Ein  weiteres Problem ist die – bei einem politisch-historischen Roman  aber immer vorhandene – Ausgestaltung real existierender Charaktere. Zieht man die notorischen Gewalttäter und Sadisten ab (die scheinbar in karibischen Diktaturen einen besonderen Anlaufpunkt haben), so muss man sich fragen, ob beispielsweise die Rolle von Balaguer (den man im Laufe der Zeit als Marionettenpräsidenten kennenlernen wird) am Ende nicht ein wenig zu positiv gestaltet ist (wenn man sich danach über ihn bei wikipedia informiert, kann man sich dieses Eindrucks nicht erwehren). Weiterhin, aber das kann man einem 540 Seiten Roman nur schwerlich vorwerfen, scheint die wechselvolle Geschichte des Landes erst in dem Moment Fahrt aufzunehmen, als der Roman sich aus eben dieser ausklingt. Aber das macht auch den Reiz aus, sich verstärkt über die Historie eines Landes zu informieren und dieser Roman ist eine wunderbare Inspirationsquelle, um mehr erfahren zu wollen. Trotz all dieser mehr oder weniger relevanten Kritikpunkte ist das „Fest des Ziegenbocks“ ein sehr gut zu lesendes Buch das nicht nur die Geschichte der Dominikanischen Republik darstellt, sondern auch aufzeigt, wie Individuen und politische Systeme miteinander verwoben sind und uns deutlich macht, das Diktaturen keine erstrebenswerten politischen Systeme sind.

Schreibe einen Kommentar