Idee: Bill Hader, Eric Berg | Dramedy | 8 Folgen in finaler 4.Staffel (insgesamt 32 Folgen) | veröffentlicht 2023 auf HBO (in Deutschland auf Wow Serien)
Eigentlich hatte ich nach dem Ende der 3.Staffel von „Barry“ keine mögliche Fortführung für die Serie gesehen und dachte, damit wäre eine der klügsten und witzigsten Serien der letzten Jahre abgedreht. Aber weit gefehlt, Bill Hader und Eric Berg versorgen uns mit einem grandiosen Abschluss der Reihe über Authentizität, Schauspiel, Ruhm und Mord.
Staffel vier von „Barry“ wirkt wie eine Dekonstruktion der vorausgegangenen drei Staffeln. Das beginnt beim Vorspann, der nun nur noch, die ein paar Sekunden lange Einblendung des Seriennamens ist und den Jingle verloren hat, der bisher immer schmissig in die Folgen einleitete, damit man auch musikalisch wusste, jetzt kann der Spaß beginnen. Das wirkt, als wäre die Show vorbei, als wäre man aufgewacht im wahren Leben. In diesem Leben arbeitet die Serie sich an ihren Figuren ab und fragt, wer diese wirklich sind. „Barry“ lebte bis hierher von der Andersartigkeit, der witzigen Schrägheit und der fehlenden Ernsthaftigkeit seiner Charaktere trotz höchst seriöser Probleme, wenn man überlegt, dass allerlei kriminelle Energie hinter ihren Taten standen. Welche tieferen Abgründe stecken hinter diesen Menschen? Wer sind sie wirklich? Ist der fabelhafte NoHo Hanks (Anthony Carrigan) nicht eben doch nur ein Mafiaboss und nicht ein romantischer Schöngeist, ist Fuches (Stephen Root) nun Vaterersatz oder mörderischer Freund von Barry, ist Gene Cousineau (Henry Winkler) trauernder Witwer oder ruhmsüchtiger Möchtegernstar, ist Sally (Sarah Goldberg) eine umtriebige Powerfrau oder ein verletzlicher Looser und ist Barry (Bill Hader) letztendlich selbst nur ein kühler Mörder, oder doch ein Mensch der lieben und geliebt werden will.
Staffel vier be- und verhandelt diese Themen in den ersten Folgen der letzten Staffel und als Zuschauer der ersten Minute ist man irritiert, wie sich die Charaktere verändern, stellt aber genauso fest, dass es ein hohes Prädikat für eine in Hollywood spielende Serie ist, die Rollen und Bilder der eigenen Figuren näher zu durchleuchten (und damit eine Meta-Ebene der eigenen Erzählung einzubauen), auch wenn man identifikatorisch als Zuschauer vom Glauben abkommen könnte und man sich manchmal fragt, warum macht ihr mir meine Lieblinge kaputt. Doch die Serie, phasenweise in dunkle Dramatik abdriftend, verliert dabei nie ihren (tief) schwarzen Humor.
Das wäre eigentlich schon genug, doch „Barry“ bietet noch mehr. Im zweiten Abschnitt der letzten Staffel weitet sich das Geschehen und wir erleben ein Finale der Serie, die tatsächlich das vielleicht Beste (mindestens aber das Durchdachteste) ist, was mir in einer TV-Serie in Erinnerung blieb und das uns Zuschauern letztendlich aufzeigt; dass das Leben aus Geschichten besteht (das Geschichten erzählen eine soziale Tatsache ist) und welche Geschichte wir glauben, liegt an unserem Glauben an die Geschichte, ganz unabhängig, ob sich diese Geschichte für andere Menschen anders darstellt. Das sollte man nicht unbedingt relativistisch interpretieren, sondern zeitdiagnostisch, denn wir leben in einer Welt, die gefühlt nicht mehr auf der Suche nach Wahrheit ist, sondern nach der emotionalen Korrektheit der Story, die uns glaubwürdig und gut erscheint.
Keine Serie schaffte es bisher, Humor so sehr mit ernsthafter und tiefgründiger Handlung zu vereinen wie „Barry“ und es ist gerade nicht ihr teilweise grandioser Humor, sondern die immer wieder neuen Reflexionen über Authentizität, das Leben, Zwänge, Gewalt und Liebe, welche diese Serie einzigartig machen und uns zeigt, dass es auch in den 2020er Jahren noch großartige (und zeitlose) Serien gibt.