Birdman

Warum lesen sie diesen Blog? Zeitvertreib? Interesse an sozialen Medien? Vielleicht sogar am Kino, oder dem Film „Birdman“, der gerade vier Oscars gewann (so etwas erhöht das Interesse immer, kann man machen was man will)? Oder fragen Sie sich, warum schreibt jemand so etwas wie diesen Blog? Wieso meint dieser jemand mir seine Meinung zu einem Film aufdrängen zu müssen (und warum bitte interessieren mich denn andere Meinungen)? Und ist dieser Schreiberling nicht eigentlich vollkommen ahnungslos (hat er denn Kunst studiert, oder Filmgeschichte oder so was)? Oder lassen Sie uns gleich etwas abstrakter werden und fragen uns: was tun wir hier, auf dieser Welt überhaupt? Wozu die Zeit die bleibt, benutzen? Sollten wir nicht ständig nach dem Wahren, Schönen, Guten suchen, um unserem Tun einen Sinn zu verleihen?

Das Erträgliche am Leben ist, dass wir diese Suche machen können, aber nicht müssen. Sie kann uns bedrängen und anspornen, aber sie muss nicht wirklich beantwortet werden, um weiterzuleben (dafür ist im Grunde nur das einigermaßen akzeptable Funktionieren der Organe wichtig). In Alejandro González Iñárritus Film „Birdman“ steht Schauspieler Riggan Thomson (Michael Keaton) vor der Frage, was er noch aus seinem Leben machen könnte. Er war vor 20 Jahren das letzte Mal der gefeierte Action-Held Birdman. Doch nach drei Teilen des Blockbusters war es vorbei mit Ruhm, Glanz, Reichtum und dem Wissen es geschafft zu haben, eine beachteter Star zu sein verblasste mit jedem Tag ein wenig mehr und heute sitzt er in einem Theater am Broadway und versucht sich in Personalunion als Schauspieler, Drehbuchautor und Regisseur in einer Neuinszenierung von Raymond Carvers Kurzgeschichte „What We Talk About When We Talk About Love“. Doch der Birdman spuckt noch in seinem Kopf, ist Teil seiner Wirklichkeit geworden, obwohl er immer nur eine Rolle war. Riggan versucht seine Karriere – und damit auch sein Leben – in eine neue Rolle zu pressen und nun als gefeierter Theatermann Ansehen, Reputation und letztendlich Selbstbewusstsein auf ein solches Level zu heben, dass Fragen nach der Suche des Sinns der eigenen Existenz für ihn wieder flüssig und selbst-befriedigend beantwortet werden können (bestenfalls in einem Gespräch mit dem eigenen Ego Birdman). Doch leider ist das nicht so einfach, da die Inszenierung nicht gerade leicht von der Hand geht. Da einer seiner Hauptdarsteller ausfällt, muss Thomson den extravaganten Method-Acting Bühnenstar Mike Shiner (Edward Norton) engagieren, der die Produktion durch seine unkonventionelle Art nicht immer nur voranbringt. Dieser hat noch eine Beziehung mit der Schauspielerin Lesly (Naomi Watts), welche aber alles anderes als glücklich verläuft. Ebenso unglücklich scheint Riggans Tochter Sam (Emma Stone) zu sein, die als Produktionsassistentin mitarbeiten darf, nachdem sie gerade aus einer Entzugsklink entlassen wurde. Riggans Geliebte Laura (Andrea Riseborough), die eine weitere der vier Hauptrollen in der Aufführung bekam, eröffnet ihm, dass sie Schwanger sei, was Riggan nicht zu Jubelstürmen veranlasst, denn sein künstlerischer Erfolg steht in seiner Prioritätenliste klar vor weiterer Nachkommenschaft. Letztendlich ebenfalls alles andere als gut gelaunt ist Riggans bester Freund und Produzent Jake (Zach Galifianakis) der sich ständig mit den Schwierigkeiten der Produktion rumplagen muss.

Was Alejandro González Iñárritus Film „Birdmann – oder die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit“ so beeindruckend macht, ist wie intelligent und gleichzeitig wunderschön er diese gar nicht mal so umwerfend neue Thematik auf die Leinwand bannt. Da hätten wir als augenfällig Wichtigstes, das Format des Films zu nennen, dass zu großen Teilen versucht als one-shot (also ohne filmische Schnitte, sondern durch das Weiterwandern der Kamera) auszukommen, was ideal zur Theateratmosphäre passt, die er beschreibt. Der Film beschränkt sich auch gleichzeitig fast ausschließlich mit diesem als Schauplatz der Handlung. Dadurch wird viel Wert auf die schauspielerischen Leistungen gelegt und denen ist nichts abzusprechen, gerade Michael Keaton nimmt man diese Rolle ab und ist immer wieder versucht in Riggan Thomson die Rolle seines Lebens zu sehen, gerade wenn man seine Vita in die Betrachtung mit einfließen lässt (der Zusammenhang von Batman und Birdman ist mehr als offensichtlich). Und auch das zeichnet „Birdman“ aus, dieses ständige hintergründige Spiel mit der eigenen Verortung und Funktion im Showbusiness. Um hier nur ein Beispiel zu nennen, Theaterkritikerin Tabitha Dickinson (Lindsay Duncan) findet es geradezu lächerlich das Riggan mehrere Funktionen gleichzeitig im Stück übernimmt und kritisiert seine Selbstüberschätzung. Umso interessanter wird diese Sichtweise wenn man sich verdeutlicht, dass Iñárritu für den Film auch in Personalunion Drehbruch, Produktion und Regie übernommen hat. Letztendlich ist damit auch ein wenig die Frage verbunden, wie ernst man Theaterkritik nehmen kann bzw. wie man überhaupt künstlerische Leistungen bewerten soll oder noch allgemeiner gesprochen, wie kann man die Lebensleistungen anderer einschätzen und ist das nicht viel mehr immer die Frage, wie man selbst zu seinem Leben steht?

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