Breaking Bad

Stellen sie sich vor, sie sind ein guter Mensch (das fällt ihnen hoffentlich nicht allzu schwer). Sie haben ein gutes Herz und sie lieben ihre Familie. Ja, auch sie haben Fehler, tun manchmal Schlechtes, es gibt Leute die von ihnen enttäuscht sind, aber im Großen und Ganzen sind sie ein guter Mensch und das Schlechte gehört nicht zu Ihnen, es ist nur ein Teil der Fassade, ein Ausbruch, eine Abweichung der Regel, denn ihr Ziel, ihr Lebenssinn ist Gut.
Und nun stellen sie sich das genaue Gegenteil vor: sie sind Böse und das Gute an ihnen, dass die Anderen von ihnen wahrnehmen, ist nur die Fassade damit das Böse sich verstecken kann, sie scheinen den guten Sinn verloren zu haben und können auch nicht mehr sagen, wann und wo das genau passierte.

Mehr oder weniger ist das die Story von Breaking Bad.

Nein, fangen wir anders an, denn so einfach kann man diese Serie, die in 62 Folgen auf 5 Staffeln verteilt von 2008 bis 2013 lief, nicht beschreiben. Bleiben wir grob beim Rahmen. Im Mittelpunkt steht Walter White (Bryan Cranston), der als Lehrer und Mitarbeiter einer Waschanlage mehr oder weniger schlecht seine Familie, bestehend aus seiner Frau Skyler (Anna Gunn) und seinem Sohn Junior (RJ Mitte), ernährt. Er ist ein zurückhaltender und gleichwohl intelligenter Mensch und er erfährt, dass er sehr schwer an Lungenkrebs erkrankt ist, todsterbens schwer. Walter sieht sein Leben davon schwimmen und alles was ihm zu bleiben scheint ist, die Familie finanziell abzusichern. Zu allem Überfluss ist Skyler wieder schwanger und er beschließt an seinem 50. Geburtstag, nichts der Familie von seiner Erkrankung zu sagen. Als sein Schwager Hank (Dean Norris), der als Drogenfahnder in Albuquerque arbeitet, ihn mal zu einer Drogenrazzia mitnimmt, bekommt Walter die Idee selbst Drogen herzustellen. Das Wissen dazu, Crystal-Meth zu „kochen“ hat er als Chemielehrer. Bei der Razzia begegnet er Jesse Pinkman (Aaron Paul), einem selbsternannten Drogenkoch und Junkie, dem Walter hilft nicht geschnappt zu werden. Weniger, weil Pinkman mal sein Schüler war, sondern mehr, weil er in ihm die Möglichkeit sieht in das Drogengeschäft einzusteigen. Und so beginnt Walters unheilvoller Weg, bei dem er zahlreiche Bösewichte trifft, wie den lokalen New Mexico Repräsentanten des mexikanischen Drogenkartells Tuco Salamanca (Raymond Cruz), den Geschäftsmann Gustavo Fring (Giancarlo Esposito), dessen Leibwächer Mike (Jonathan Banks) oder den Vorzeige-Arier Todd (Jesse Plemons).

Was macht nun den Reiz von „Breaking Bad“ (man kann es als „vom rechten Weg abkommen“ übersetzen) aus? Da ist zum einen der Plot. Keine andere Serie vermochte es bisher so überraschend auf den Zuschauer zu wirken, so spannend zu sein und – obwohl ein klares Ziel vor Augen habend – so viele geschickte Schlenker einzubauen und dabei immer wieder zu faszinieren, aber logisch und fundiert zu erzählen, ohne unrealistisch oder konstruiert zu wirken. Dabei ist der Name Programm. Die ganze Serie geht der Frage nach, wie aus einem grundsoliden, beinahe langweiligen und immer guten Kerl ein Böser wird. Einer der über Leichen geht, wenn es sein muss. Selten hat eine Serie so vielschichtig vom moralischen Verfall einer Person geredet. Während beispielsweise Tony Sopranos schon zu Beginn der „Sopranos“ kriminell ist, sieht man bei Walter White erst die Verwandlung. Nicht das Böse an und für sich steht im Mittelpunkt, sondern wie es entsteht, wie es sich entwickelt und welchen Reiz es hat, vielleicht auch, wie einfach es ist. Dabei fällt auf, das „Breaking Bad“ die Entwicklung der Charaktere, außer beim Hauptdarsteller zurückfährt. Während sich die Rollen bei vielen Serien im Laufe der Zeit etwas wandeln, sie zu neuen Ufern gelangen, ihre Einstellungen sich ändern, so passiert dies bei „Breaking Bad“ zumeist nur beim Haupthelden Walter White, dessen böses Alter Ego „Heisenberg“ immer mehr Kontrolle in ihm gewinnt. Alle anderen Personen bleiben seltsam starr, fast schon unbeweglich und abhängig von seinen Taten und verstärken dadurch den Prozess der Verwandlung von W.W. nur noch. Mir ist keine andere Serie dieses Ausmaßes bekannt, die sich so sehr auf die Entwicklung seines Hauptdarstellers konzentriert. Natürlich muss man dabei erwähnen, dass die Serie, obwohl 5 Jahre lang gedreht, hauptsächlich nur den Zeitraum von Walters 50. bis zu seinem 51. Geburtstag erzählt.

Trotzdem ist „Breaking Bad“ aber auch eine Familienserie. Sie erzählt über die Motive für eine Familie da zu sein, Angehörige zu belügen, um sie zu schützen und sich letztendlich selbst zu belügen und nur noch sich vorzumachen, es für jemanden anderen zu tun. Eine Serie die zeigt das familiäre Fundamente nicht alles aushalten können und das stetige Beschädigungen zum Einsturz des gemeinsamen Miteinander kommen können, egal ob dieses Miteinander von Liebe, Tradition oder Abhängigkeiten gehalten wird.
Es ist aber auch Serie, die uns zeigt das Pläne im Leben nie vollständig aufgehen, dass sie Korrekturen benötigen und das vom ursprünglichen Plan nur noch sehr wenig übrig bleibt, wenn man nicht mehr weiß wo alles hinführt. Sie zeigt, dass man manchmal nicht mehr den Absprung findet und das vielleicht gerade das, eine sehr wichtige und notwendige Tat ist, um nicht alles noch schlimmer zu machen.

„Breaking Bad“ vereint Elemente des Thrillers, des Dramas und des schwarzen Humors. Die Serie wird schauspielerisch von einem überragenden Bryan Cranston getragen. Sie spielt immer wieder mit den Erwartungen der Zuschauer und erfüllt sie fast nie, sondern führt ständig zu neuen aha-Erlebnissen. Auch wenn das sicherlich etwas Effekt-Heischend ist (und gerade in den letzten Folgen fast schon zu viel wirkt), so ist es doch immer gut bis grandios gemacht.

Zuletzt noch: Was sind die Lehren aus Breaking Bad? Als erstes: you better call Saul! (kleiner Insider ab Staffel 2, aber tatsächlich ist die Figur des schmierigen Anwalts Saul Goodman (Bob Odenkirk) ziemlich grandios angelegt und wie schön wäre es doch, wenn man immer jemanden hätte, der einen die Drecksarbeit abnimmt). Nein, wir lernen vor allem: wenn Sie eine Sache beginnen, von der sie denken, sie könnte Böse sein, auch wenn Sie für einen guten Zweck ist, dann denken Sie daran, sie könnte tatsächlich Böse sein und ebenso enden. Wir lernen weiterhin das „Böse sein“, oder vielleicht besser, das „Ausbrechen aus dem was man ist, oder zu sein glaubt“, sehr lebenswert sein kann, aber einen auch in allerlei gefährliche Abenteuer führen kann.

 

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