Daniel Kehlmann – Ich und Kaminiski

Selten wurde die Figur einer „dummen Sau“ mal so treffend beschrieben wie in Kehlmanns Roman „Ich und Kaminski“. Wir begleiten dort Sebastian Zöllner, der sich als Kunstjournalist einen Namen machen möchte. Dafür hat er einen schönen Plan entwickelt. Er möchte eine Biographie über den Maler Manuel Kaminski schreiben, früher einmal berühmt, jetzt aber vollkommen erblindet und kurz vor seinem Tod stehend. Für Zöllner die Möglichkeit mit dem baldigen Ableben des alten Mannes, sofort mit dem richtigen Buch auf den Markt zu kommen.
Zöllner ist die „dumme Sau“, wie sie im Buche steht. Eitel und von solcher Selbstüberschätzung das einen bei Lesen der Mund offen stehen bleibt. Fehler machen für ihn selbstredend nur die Anderen und das wird denen von Zöllner sofort auch klar gemacht. Seine eigenen Handlungen und Kommentare sind dafür aber immer lustig und sehr gewieft, zumindest sieht er es selbst so und hat keine Probleme, dass anderen Leuten breit ausschmückend mitzuteilen. Und so trifft dieser Jung-Egomane auf Kaminski. Dieser war selbst einmal ein verschrobener Ich-fixierter Malerkauz, der immer irgendwie vor seinem ganz großen Durchbruch stand, heute jedoch nur noch eine Mischung aus Senil und Verschlagen ist und dessen größte Begabung es neben dem Malen ist, andere Leute sich von ihm abhängig zu machen.

Kehlmanns dritter Roman aus dem Jahr 2003 ist eine großartige Komödie über einen Ehrgeizling, dessen vollkommen verzehrte Selbstwahrnehmung höchst amüsant ist und der sich mit der Arbeit über den sagenumwobenen Kaminski auf dem unmittelbaren Weg nach oben sieht, denn nur dort nimmt er sich selbst wahr. „Ich und Kaminski“ ist zweifellos eine Satire über den Kunstbetrieb und die Kunstkritik. Aber es ist vielleicht mehr auch die Frage wie sich Biographien bilden und erzählen lassen. Sind sie eine Suche nach dem inneren Sein eines Menschen, oder dessen Wirken, sind sie eine flotte Aneinanderreihung von Anekdötchen oder sind sie eine wilde Mischung aus Fakten und Fantasie? Und natürlich sind Arbeiten an Biographien anderer immer auch Fragen an die eigene Lebensgeschichte, was Zöllner irgendwann bewusst wird.

Geistreiche und vor allem sehr humorvolle 174 Seiten, bei denen die letzten Kapitel herausragen, aber auch alle anderen Passagen einen großen Lesespaß beinhalten.

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