Jürgen Neffe – Einstein. Eine Biografie

Erschien: 2005 bei Rowohlt | hier vorliegend als Taschenbuch (2006) mit 496 Seiten

Ich bin eigentlich kein großer Freund von Biografien. Jedoch entwickle ich mich mit zunehmendem Alter zu einem Interessierten der Physik. Das hätte ich mir in der 10.Klasse mal nicht erträumen lassen, als ich Physik für die Sekundarstufe 2 abwählte, weil ich vermutete, die Teilnahme an diesem Fach könnte mich das angestrebte Abitur kosten, denn die Gefahr an einer Naturwissenschaft zu scheitern, erschien mir beträchtlich und kombiniert mit meiner Faulheit und unzureichenden Auffassungsgabe, war für mich – in der Bundesligaterminologie gesprochen – jedes Jahr ein Kampf, um den Klassenerhalt und da muss man sehen, wie man seine Schäfchen elegant ins Trockene bringt. Tatsächlich habe ich dann zwei Jahre später das Abitur geschafft, aber ganz richtig fühlt sich der Schritt Physik abzuwählen heute trotzdem nicht mehr an.
Mein Opa schenkte mir vor Jahren zu Weihnachten eine Biografie über Albert Einstein, dem nicht nur bekanntesten, sondern sicherlich auch wichtigsten Naturwissenschaftler des 20.Jahrhunderts. Im Zuge meiner sich langsam steigernden Affirmation zur Welt der Physik, dachte ich mir das Studium einer Biografie Einsteins schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe, nicht nur würde ich etwas über den großen Meister und sein Leben erfahren, ich würde wohl auch etwas zu seinem Werk lernen können und dass hoffentlich auf einer Abstraktionsebene, welche einen Lichtpunkt in die dunkle Materie meines Geistes setzen könnte.

Um es gleich zu erwähnen, Neffes Biographie ist ein sehr lesenswertes Buch. Zum einen lernen wir den Menschen Einstein kennen (und auch wenn ich immer ein wenig fremdle, wenn man sich anmaßt, das Leben eines anderen Menschen zu interpretieren[1], ist Neffe dies wohl ganz gut gelungen, insofern wir eine Idee bekommen, wer dieser große Physiker war). Einstein heiratete zweimal und hatte mindestens zwei Kinder. Er hatte die Schweizer, später die deutsche und letztendlich die amerikanische Staatsbürgerschaft, war aber in keinem dieser Länder wirklich glücklich. Zu Deutschland hatte der gebürtige Ulmer, eine Art Hassliebe, die insbesondere durch das 3.Reich zu echtem Hass wurde, was durchaus einfach nachzuvollziehen ist, wenn man, wie Einstein als linker, jüdischer Mensch zur politischen Zielscheibe von Verbrechern wird. Neffe gelingt aber noch mehr, denn er schafft es uns (minderbegabten Physikern), einen Blick in Einsteins Gedanken und Theorien zu geben und dass macht er auf einem sehr nachvollziehbaren Weg. Er führt großartig in die spezielle Relativitätstheorie ein und weiß gekonnt die nicht mehr richtig vorstellbare Welt der allgemeinen Relativitätstheorie zu beschreiben, ohne zu komplex oder unverständlich zu werden und er schafft es, die die Quantentheorie anzudeuten, ein Feld in der Physik an deren Anfang auch Einstein stand, der sich mit den Konsequenzen dieser Theorie aber nie anfreunden konnte und auch den großen Rest seines Forscherlebens damit zubrachte, die Theorie in einer Weltformel aufgehen zu lassen, was ihm nicht gelang.

Wer also schon immer mal vorhatte, etwas über einen Popstar zu lesen, dessen physikalische Ideenwelt das Denken im 20.Jahrhundert revolutionierte, der manchmal einen Hang zur Infantilität hatte, der Frauen (auch) als Eroberungsobjekte sah, ein großer Pazifist war, der politisch gern in Fettnäpfchen trat und welcher den USA in der McCarthy Ära zu kommunistisch war, der lese in dieser spannenden und gut geschriebenen Biographie über Albert Einstein.

[1] Weshalb ich an dieser Stelle meine künftigen Biographen darum bitte, in ihren Werken über mich, klarzumachen, dass sie mich kaum kannten. Alle Quelle über mich (wie dieser Blog hier) sind nur fadenscheinige Ausflüchte, von meinem eigenen (dunklen) Ich abzulenken.

Schreibe einen Kommentar