Philip Roth – Die Demütigung

Erschien 2009 im Original als „The Humbling“ | Deutsche Übersetzung von Dirk von Gunsteren | 2010 bei Carl Hanser | 140 Seiten

Philip Roths Spätwerk besteht aus vier Kurzromanen, die unter dem Titel „Nemesis“ zusammengefasst wurden. Ihnen allen ist ein thematischer Überbau gemeinsam, dessen Rahmen man vielleicht als den Einbruch der Welt in die Leben der Akteure und deren damit folgende existentielle Herausforderungen bezeichnen kann.
In seinem vorletzten Roman „Die Demütigung“, stellt uns Roth den Schauspieler Simon Axler vor. Axler ist eines der größten Talente seiner Zunft und Generation, doch mit dem Eintritt in seine siebente Lebensdekade scheint ihn sein großes Können verlassen zu haben. Nicht nur seine Darstellungen werden vernichtend kritisiert, er selbst glaubt nicht mehr an sein Können und sein Leben fällt in sich zusammen. Er weigert sich neue Engagements anzunehmen, seine Frau verlässt ihn und er taucht ab in die Einsamkeit seines Landhauses an der Ostküste der USA. Sein Leben wird vom Gedanken an den Suizid beseelt und nur ein Anruf bei seinem Arzt errettet ihm vor dem Gebrauch seiner Schrotflinte. Er verbringt 26 Tage in einer psychologischen Einrichtung. Nach seiner Entlassung findet er Bekanntschaft mit der Tochter alter Freunde. Pegeen ist eine 40-jährige College Dozentin, welche sich erst kürzlich von ihrer langjährigen Freundin trennte und eine zerbrochene Affäre mit ihrer Dekanin hat. Simon und Pegeen werden ein Paar, doch neben dem Ausleben der Lust auf das Leben, kommen bald Zweifel auf.

„Die Demütigung“ ist ein kurzer Roman, wohl eher eine Novelle. Roth nutzt aber die 140 Seiten und zeichnet uns einen Abgrund auf, in welchem ein Leben seines Sinns beraubt wurde und das scheinbar nur noch aus biologischer Existenz besteht.  Diesem Leben wird neuer, frischer Wind eingehaucht, eine Flamme scheint neu zu glimmen. Doch wird daraus ein neues Leben, oder ist es nur ein kurzes Aufflackern? Roth legt einen Roman vor, der an der Schnittstelle des Ausbrennens eines Menschen und neuer Hoffnung und Energie steht. Diese Seelenschau ist ein düsterer Roman, dem man unterstellen kann, sexuelle Altersfantasien niederzuschrieben (so wie dies in einigen Kritiken gemacht wurde und auch mir anfangs in den Sinn kam). Tatsächlich wirkt dies beim ersten Lesen so, aber schnell stellt man fest, dass selbst explizite Szenen körperlicher Lust in diesem Roman eine große Bedeutung haben, als Versuch noch etwas von der Welt greifen und behalten zu wollen.

Wie bei allen Themen der Romane der Nemesis-Reihe ein kurzes, aber eindrückliches Buch über unser individuelles Dasein und die Willkürlichkeit und Unkontrollierbarkeit einer mit uns auf Gedeih und Verderb interagierenden Welt.

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