Thomas Glavinic – Carl Haffners Liebe zum Unentschieden

Weltmeisterschaften sind ja gerade in aller Munde. Thomas Glavinic erzählt in seinem Debütroman aus dem Jahr 1998 auch von einer Weltmeisterschaft und zwar einer zwischen Österreich und Deutschland. Wir reden aber nicht über jetzt und hier und auch nicht über Fußball, sondern über Schach und 1910.
Es ist Winter in Wien, als das Erste von zehn Duellen um den Weltmeistertitel im Schach ansteht. Der Deutsche Emanuel Lasker, seit nunmehr fast 16 Jahren Weltmeister tritt in der Hauptstadt der K-K Monarchie gegen Carl Haffner, einem zurückhaltenden, ärmlichen, aber wegen seiner großen Fairness, den Wienern äußerst sympathetischen Repräsentanten des hiesigen Schachklubs. Haffner ist großer Außenseiter des Weltmeisterschaftskampfes, der fünf Spiele in Wien und fünf in Berlin beinhaltet.

Glavinics Roman beinhaltet zwei Erzählstränge. Zum einen die Beschreibung des Duells Lasker gegen Haffner und zum anderen eine Lebensgeschichte Haffners, der aus ärmlichen Verhältnissen kommend zum Profischachspieler wird, die Profession aber hinter der Liebe zum Spiel vernachlässigt, ja geradezu unprofessionell bescheiden ist. Die Figur des Carl Haffners ist fiktiv. Glavinic lehnt sie aber sehr eng an das Leben des Wiener Meisters Carl Schlechter an und schafft es somit einen sehr authentischen Roman über Schach zu schreiben, der wegen seiner Zurückhaltung zu tief ins Spiel einzudringen, hervorragend lesbar ist (was auch deshalb erfreut, weil Galvinic selbst ein begnadetes Schachtalent hat, das Spiel aber eher emotional als strategisch beschreibt). Er macht große Lust sich näher mit dem Spiel, seiner Geschichte und seinen Meistern zu beschäftigen (auch wenn ich zugeben muss, intellektuell überfordert mit dem Schachspiel zu sein). Glavinic schreibt humorvoll, führt nicht gerade wenige Charaktere ein, lässt seinen Fokus aber immer auf Haffner, dessen Charakter mit zunehmender Darstellung immer bizarrer wird, was wohl aber Absicht ist. Ein wunderbarer historischer Roman an die Anfänge des Profisports und die scheinbar unbeschwerte Welt vor dem 1.Weltkrieg.

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