Westworld

Idee: Jonathan Nolan, Lisa Joy | Science-Fiction-Western Serie | 1. Staffel mit 10 Folgen | Erstausstrahlung 2016 bei HBO

Das Angebot neuer Serien hat sich in den letzten Jahren inflationär entwickelt. Man muss sich wohl von dem Gedanken verabschieden, der vor 10 Jahren noch galt, dass es einige „must-see“ Serien gibt, die man einfach gesehen haben muss, um mitzureden. Heute gibt es so viele, teilweise großartige Produktionen, dass es sehr schwer fällt überhaupt zu entscheiden, welche Serie man als nächstes starten soll.
Trotzdem gibt es auch im Dschungel der Neuerscheinungen immer wieder Werke, die fleißig besprochen und teilweise großartig werden und so etwas aus der Masse herausstechen. Dazu gehört wohl auch „Westworld“, dass auf einem Roman bzw. Spielfilm von Michael Crichton basiert und das (zumindest in der ersten Staffel) eine ungewöhnlichen Komposition so unterschiedlicher Genres, wie des Westerns und Science Fiction ist.

Die Serie spielt in einem Freizeitpark in einer entfernten Zukunft. Dieser Park ist gigantisch, sowohl was seine geografische Größe betrifft, als auch wegen seines Zwecks. Denn in „Westworld“ treten Menschen ein, um in eine Wild West Welt zu gelangen. In dieser Welt arbeiten Hosts, von einem Menschen nicht zu unterscheidende Roboter, mit einer außergewöhnliche hohen künstlichen Intelligenz, welche der Unterhaltung der Gäste dienen. Es geht rau zu in dieser wilden Welt, denn der Park animiert seine Besucher, sich auszuleben, seine Grenzen kennen zu lernen, vielleicht sogar das eigene, vor sich selbst verborgene, Ich herauszuschälen. Da im Park alles erlaubt ist und es ja „nur Roboter“ sind, vergnügen sich die Gäste bei Alkohol mit den Hosts, mit denen gern orgiastisch kopuliert wird, oder wenn das die Sinne nicht genug stimuliert, die man auch beliebig töten kann. Dieses ausschweifende „Vergnügen“ ist für viele Hosts täglich tödlich, für die Gäste aber ungefährlich, denn die Hosts, dürfen außer zu sich selbst, keiner Fliege etwas zu Leide tun. So müssen sie regelmäßig zur Reparatur, in einem gigantischen Wartungsbereich, wo sie zusammengesetzt und neu programmiert werden.

Seit mehr als drei Jahrzehnten ist nun schon Dr. Robert Ford (Anthony Hopkins) der gottähnliche Erfinder und Chef des Westworld-Parks. Immer wieder entwickelt er neue Geschichten, welche die Gäste unterhalten sollen und programmiert seine Hosts um, damit diese noch menschenähnlicher werden. Doch das höhere Management und die Anteilseigner werden etwas ungeduldig, allen voran Theressa Cullen (Sidse Babett Knudsen), die Ford anhalten muss, weniger Wert auf die Stringenz seiner generierten Geschichten zu legen und mehr Aufwand auf die Befriedigung der Gäste und die sich daraus zu ergebenden Gewinne zu richten. Auch Chefingenieur Bernard (Jeffrey Wright) bekommt diesen Druck zu spüren.
Währenddessen besuchen die beiden Gäste Logan (Ben Barnes) und William (Jimmi Simpson) den Park. Wie alle Zuschauer verleitet der Park sie, ihre moralischen Werte zu überdenken, ein anderes selbst aus sich herauszuschälen. Während Logan recht routiniert Sex und Totschlag nachgeht, auch weil er nicht das erste Mal hier ist, ist William überwältigt vom Park und bald auch von Dolores (Evan Rachel Wood), einer attraktiven Host, deren Rolle es eigentlich ist, den Host Teddy (James Marsden) zu begehren, ohne das dieser beiden Liebe je zu einer Beziehung führen würde. Liebe, in geschlechtlicher Form, preist der Prostituierten-Host Maeve (Thandie Newton) an, doch in letzter Zeit wird sie von Flashbacks einer unklaren Vergangenheit verfolgt. Nicht zu vergessen ist der mysteriöse und immer in schwarz gekleidete Parkbesucher (Ed Harris), mit dem schon mehr oder weniger alle Hosts Kontakt hatten, da er scheinbar für Monate durch Westworld streift, auf der Suche nach einem letzten Rätsel.

Schon nach den ersten Folgen von „Westworld“ ist dem Zuschauer klar, dass diese Serie ähnlich einem mächtigen Roman funktioniert, deren größte Stärke darin liegt, einen weitverzweigten und komplexen Interpretationsspielraum aufzubauen, der zahlreiche Themen aufnimmt.
Da ist ganz offensichtlich die Frage nach dem Leben. Was ist lebenswert und muss nach menschlichen Moralvorstellungen behandelt werden und was nicht? Dabei spielt die Entscheidung eine Rolle, wo menschliche Moral angewendet werden sollte (beim Kontakt mit anderen Menschen) und wann diese ausgeschaltet werden kann (beim Kontakt mit Robotern, oder auch Nicht-Menschen). Dabei mischt sich die Frage nach dem Sinn des Lebens ein, der in der „spielerischen“ Umgebung von Westworld anders definiert werden kann, als in der Welt draußen (dabei und das ist eine große Stärke der Serie, ist zu bemerken, dass alle Szenen immer innerhalb von Westworld ablaufen) und bei dem man sich fragen kann, wo der Unterschied liegen soll, zwischen einer spielerischen Realität des Parks, die einen Geschichten erzählt auf die man reagieren kann und dem „wahren“ Leben außerhalb. Anschließend daran kann man die Rolle der Realität suchen. Wie real ist so ein Spiel oder andersherum gefragt, wie spielerisch ist unsere Realität und wann bricht welche Ebene in die Andere hinein (auch heute sind diese Themen ja schon ansatzweise vorhanden, denken sie vielleicht an „Second World“ oder die gern begonnene Diskussion um Ballerspiele).
Aber dabei bleibt die Serie nicht stehen. Denn sie entwickelt kontinuierlich die Situation der Hosts, der Roboter, weiter. Wann wird aus künstlicher Intelligenz Bewusstsein? Wie lässt sich Bewusstsein als Lebendig-sein betrachten? Führt dies zu eigenen moralischen Ansprüchen und wenn ja, wie sehen diese aus? Das sind Fragen, die nur leicht abgewandelt sehr zeitgenössische Themen widerspiegeln, denken wir dabei daran, dass die heutige fortgeschrittene Wissenschaft selbst künstliches Leben ermöglicht und die Welt von morgen sich diesen Themen viel häufiger wird stellen müssen. „Westworld“ ist somit eine Parabel über fortschreitende Technologie und die daraus einsetzenden Fragen nach Gewalt, Moral und Religion. Denn in wie fern schwingt der Mensch sich zu Gott auf, wenn er neues Leben kreiert (eine wundervolle Szene dazu gibt es in der letzten Folge der 1.Staffel vor einer Kopie von Michelangelos Gemälde der „Erschaffung Adams“) und wo beginnt dann das Menschliche? So spielt „Westworld“ gern mit dem Thema des freien Willens. Haben programmierte Hosts einen freien Willen, oder geht alles letztendlich auf einen programmierten Code zurück? Das wiederum kann auch auf die menschliche Existenz bezogen werden, denn wie frei ist der menschliche Wille, wenn ihm kulturelle Muster und gesellschaftliche Zwänge Orientierung geben.

„Westworld“ spinnt nicht nur einen riesigen Teppich aus Interpretationsmöglichkeiten, der hier nur angedeutet werden kann, gleichzeitig überzeugt die Serie auch als filmisches Werk. So ist die schauspielerische Leistung von Thandie Newton beeindruckend und selbst bei einer etwas gründlicheren Betrachtung muss man das sehr zurückhaltende Spiel von Anthony Hopkins, als allmächtiger Gott mit roboterhafter Logik, priesen (tatsächlich gibt es hier sehr unterschiedliche Meinungen). Eine weitere Stärke der zehn Folgen ist es, dem Zuschauer schnelle Identifikation nach dem Schema Gut-Böse zu verweigern. Der Wandel der Charaktere führt aber nicht zu einer Entfremdung des Zuschauers, sondern eher zu einer zunehmenden Dynamik des Serienverlaufes und des Spannungsmoments.

Innovativ ist auch der Soundtrack der Serie, der zeitgenössische Hits im Westernstil präsentiert. Gleichfalls ist das Storytelling zu erwähnen, dass in den ersten Folgen vielleicht etwas gemächlich ist, dann aber zunehmend Fahrt aufnimmt und zum großen Finale hinsteuert, dass fast schon obligatorisch mit einem Perspektivwechsel für den Zuschauer daherkommt.

„Westworld“ ist vollkommen zurecht eine der großen Serien der letzten Jahre und schaut aus der großen Masse (die tatsächlich so viele andere Highlights beinhaltet) heraus. Die Serie vereint Spannung, hervorragende Schauspieler und große Themen zu einem Meisterwerk. Momentan veröffentlicht HBO gerade die 2.Staffel, auf die man sehr gespannt sein kann.

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