Altes Geld

Wir müssen mit einem kleinen Gedankenspiel beginnen. Wer regiert im Land? Die politische Führung, die vom Willen des Volkes bestimmt ist? Eine mächtige Elite aus der Wirtschaft, die Kraft ihres Geldes sich die Macht kauft? Oder vielleicht eine Mischung aus beiden? Wie auch immer sie auf die Frage antworten würden, „Altes Geld“, die Fernsehserie von David Schalko aus dem Jahr 2015 hat einen Vorschlag anzubieten.
Familie Rauchensteiner ist eine der einflussreichsten und wohlhabendsten Familien Österreichs. Der Familienpatron Rolf (Udo Kier) führt nicht nur die Geschicke seines Industrieimperiums, sondern weiß auch die Mächtigen auf seine Seite zu ziehen. Doch Rolf hat ein gesundheitliches Problem, denn seiner Leber geht es schlecht, sie muss dringend ausgetauscht werden. Wäre doch gelacht, wenn ein Rolf Rauchensteiner keine neue Leber bekäme! Doch sein Leibarzt Dr.Schober (Cornelius Obonya) macht ihm da nicht so große Hoffnung und auch Rauchensteiners Frau, die sonst so umtriebige Liane (Sunnyi Melles), ist pessimistisch, wenn es um ein langes Weiterleben ihres Gatten geht. Zeit die Familie zusammen zu rufen.
Und natürlich kommen alle: Zeno, Rauchensteiners (Nicholas Ofczarek) Sohn aus erster Ehe, der sich der Spielsucht verschrieben hat. Jana (Nora von Waldstätten), die ihr Leben in einer selbst-bezogenen, hedonistischen Welt lebt und eine eigenwillige Geschwisterliebe zu Jakob (Manuel Rubey) entwickelt hat, der sich wiederum in größtmöglicher Abkehr von der Familie in Afrika befindet, um dort zu helfen. Aber auch er kommt zurück zum Familienstammsitz, um den Vater zu hören, der wiederum von seinem loyalen Leibwächter Kralicek (Robert Palfrader) geschützt und von seinem Sekretär Herwig Brunner (Thomas Stipsits) unterstützt wird. Jedoch hat Herwig, wie eigentlich jeder, gleich mehrere Geheimnisse, eines davon ist, dass seine Frau Barbara (Ursula Strauss) annimmt, er verkaufe nur Globen.
Altes Geld zeigt eine Welt, in welcher der Staat von kleinen Eliten geleitet wird und in welcher nur noch Wenige, wie der Leiter der Organvergabestelle Tscheppe (Simon Schwarz), sich an festgelegte oder moralische Regeln halten wollen. 

Kommen wir zurück zu unserem Gedankenspiel. Nehmen wir das Beispiel von „Altes Geld“ und gehen davon aus, das Geld die Welt regiert. Wie stellen Sie sich die Welt der wirklich reichen und Mächtigen, also solche wie die Rauchensteiners vor? Irgendwo entfernt, weit weg von den „bürgerlichen Problemen“ der weniger (bis gar nicht) Mächtigen und Reichen. Und damit in einer Art und Weise auch irgendwie künstlich, gekünstelt und auf eine unechte Art und Weise real. So ungefähr, lässt sich Schalkos Blick auf die Reichen seiner Serie beschreiben. Wer vorher seine Werke „Aufschneider“ oder „Braunschlag“ gesehen hat, der ist vielleicht, wie ich sehr irritiert, über diese Welt und ihre Darstellung. Sie scheint zu unrealistisch, zu aufgetragen zu sein und die ersten Folgen ziehen sich etwas, während sie den Charme und den Humor der vorher aufgezählten Serien fast vollkommen vermissen lassen. Und so sind es die teilweise wunderschönen Bilder und die Klaviermusik, die zum Weiterschauen verleiten. Und je mehr man sieht, werden die Verwicklungen und Handlungsstränge komplexer und spannender und man rutscht hinein in die Welt der Mächtigen und ihrer Intrigen und alles was so unecht wirkte, wird real. Wie „Braunschlag“ im Kleinen, so ist „Altes Geld“ im Großen eine Serie über persönliche Gier und Korruption, wenngleich in einem vollkommen anderem Setting. Und nach 8 Folgen, in denen die Serie immer besser wird, ist man als Zuschauer gespalten. Zum einem von der Frage, wie viel Wahrhaftiges diese Story erzählt und zum anderen wie intrigant, wie krank, wie verrückt, wie böse, diese Welt ist. Wir erleben einen Kosmos, in denen die Charaktere nur noch mit den anderen spielen, aber alle wissen, dass es ein Spiel ist und damit das Spiel nur intensivieren. Eine Welt in der Gefühl inszeniert ist und in der Empathie dafür da ist herauszufinden, wie ich als nächstes für meinen Vorteil rational agieren sollte.
Wie auch immer Sie nun zu unserem Gedankenexperiment stehen, ist es nicht so, dass man nicht auch ein klein wenig diese Welt in den politischen Debatten unserer Tage wiederfindet, egal von welcher Richtung sie kommen mögen. Findet man da nicht auch den Zustand wieder, das Gefühl nur gespielt und ausgespielt erscheint und Empathie inszeniert zu wirken beginnt.
Nicht nur der Inhalt und die Struktur der Erzählung und die schon erwähnte Bildsprache und Musik machen „Altes Geld“ zu einer Serie, bei der man schon fast verwundert ist, das so etwas Großartiges und in sich stimmiges aus Europa kommen kann, sondern auch das Kollektiv der Schauspieler. Nach anfänglichen Zweifeln, überzeugt Udo Kier als gekünsteltes Familienoberhaupt und man fragt sich ob die Rolle nicht irgendwie sogar perfekt zu ihm passt (obwohl er nicht die erste Wahl bei der Rollenvergabe war, leider verstarb aber Gert Voss noch vor den Dreharbeiten). Sunnyi Melles als seine durch und durch durchtriebene Frau, ist ebenso fantastisch, wie der im Stil eines Michael Corleone sich dem Schicksal seiner Herkunft annehmende Jakob, alias Manuel Rubey. Diese Aufzählung an wirklich wundervollen schauspielerischen Leistungen, könnte bis in die Nebenrollen weitergeführt werden!  Alles in allem, eine brillante Serie, in die man sich vielleicht etwas hineinschauen muss, die aber dann vollends überzeugt.

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