Braunschlag

Mein Kollege bezeichnet faszinierende Dinge, die er im Internet findet, gern als Perlen und seit es die Seite „Perlentaucher“ gibt, glaube ich, dass dies ein allgemein gebräuchlicher Ausdruck dafür ist. Nun ist es so, dass auch ich auf eine Perle gestoßen bin. Geschehen in meiner Internet-Videothek, als ich etwas sinnentleert rumklickte und auf die österreichische Mini-Serie „Braunschlag“ aus dem Jahr 2012 traf und beim Lesen des Titels, dies für ein Nazi-Drama hielt. Dem ist aber ganz und gar nicht so, vielmehr ist es neben, „Mord mit Aussicht“ das beste deutschsprachige TV-Produkt der letzten Jahre.

Und ganz wie bei der deutschen Serie „Mord mit Aussicht“ handelt auch „Braunschlag“ in der Provinz. Im Waldviertel gelegen, ganz nah an der Grenze zu Tschechien, darbt das Örtchen Braunschlag dahin. Die Popularitätswerte des hiesigen Bürgermeisters Gerhard Tschach (Robert Palfrader) sind in der Bevölkerung und bei den Parteifreunden wie Landespolitiker Katzlbrunner (Simon Schwarz) in St.Pölten gleichermaßen im Keller. Da muss Veränderung ran und was läge näher als ein Wunder. Also heckt Tschach gemeinsam mit seinem besten Freund und Diskobesitzer Richard Pfeisinger (Nicholas Ofczarek) einen Plan aus. Der einheimische Ufo-Landeplatzbesitzer Reinhard Matussek (Raimund Wallisch), der höflich formuliert, als etwas eigentümlich gilt, wird eine Marienerscheinung vorgespielt. Und damit nimmt das Wunder seinen Lauf.
Jetzt wäre es aber fad, wenn alles wundervoll verlaufen würde. Denn da sind ja noch die lieben Bewohner von Braunschlag, so wie Pfeisingers Frau Elfie (Nina Proll), die in dem Moment Schwanger wird, wo der Richard von den beiden Ärzten Feist jun. (Thomas Stipsits) und Feist sen. (Branko Samarovski) gesagt bekommt, dass er unfruchtbar ist. Und wir haben die Frau vom Tschach, die Herta (Maria Hofstäter) deren Unzufriedenheit mit ihrem Leben täglich neue Höchststände aufweist und deren Tochter Babs (Sabrina Reiter) nur nach Hause kommt, weil sie und ihr Freund, der Ronnie (Christopher Schärf), dringend neuer finanzieller Zuwendungen bedürfen. Und wie es bei Wundern so ist, müssen diese auch von höchster Stelle beglaubigt werden, was den vatikanischen Visitator Banyardi (Manuel Rubey) nach Braunschlag verschlägt, wo er aber schnell seine Augen auf die deutsche Gastarbeiterin Silke (Adina Vetter) wirft. Und vergessen sollte man auch nicht, die Wiederkunft des seit Jahren verschwundenen Hundes Bauxi.

David Schalkos Serie „Braunschlag“ (er übernahm Drehbuch, Produktion und Regie) gelingt es nicht nur über 8 Folgen lang, höchst unterhaltsam und äußerst witzig zu sein, sondern sie nimmt auch ganz wundervoll das Leben in der österreichischen Provinz aufs Korn und das mit ebenso viel Charme wie Selbstironie. Dazu kommen wunderbare Schauspieler, bei denen man gar nicht weiß, wen man am meisten herausheben soll, denn Robert Palfrader überzeugt genauso als bauernschlauer Bürgermeister Tschach, wie Nicholas Ofczarek als misstrauisch werdender Vater oder Maria Hofstäter als ausbrechende Mutter, wobei nicht so ganz klar ist, wohin ausgebrochen werden soll. Aber auch all die anderen, schrägen und wunderbaren Rollen sind hervorragend gespielt. Dazu kommt eine fantasievolle Story, die sich Beliebigkeit und langer Weile verwehrt und die Serie schafft es, neben all den komischen Zügen der Handlung auch die Abgründe des Lebens aufzuzeigen.

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