Haruki Murakami -Naokos Lächeln

Erschien 1987 unter dem Originaltitel: „noruwei no mori“ (englischer Titel: „Norwegian Wood“) deutsche Übersetzung von Ursula Gräfe 2001 erschienen bei 2001 bei DuMont | 416 Seiten

Als ich für diesen, meinen Blog den Text für David Mitchells „Number#9 Dream“ schrieb, wurde ich bei der Recherche zum Text auf Haruki Murakamis Buch „Naokos Lächeln“ aufmerksam. Eigentlich hatte ich gerade erst genug gelesen vom vielleicht weltweit renommiertesten japanischen Schriftsteller unserer Tage und „Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki“ hatte ich in wenig begeisternder Erinnerung, aber trotzdem nahm ich mir vor „Naokos Lächeln“ mal eine Chance zu geben. So kam es nun mit dem aufkommenden Sommer, dass ich mir den Roman vornahm, stellen doch Murakami Bücher immer eine gewisse Leichtigkeit beim Lesen dar und eignen sich hervorragend für heiße Sommertage und deren Überwindung durch Lektüre.

Und was war das für ein großes Glück unter der Sonne, denn „Naokos Lächeln“ ist ein wirklich sehr lesenswertes Buch, dass für Murakami vielleicht etwas untypisch ohne jedes fantastische Element auskommt. Stattdessen begleiten wir den 19-jährigen Toru Watanabe, der 1969 nach Tokyo gekommen ist, um zu studieren.

Toru geht es aber mehr als nur um Wissenserwerb. So richtig kann er sich nicht für die Fächer begeistern, die er ausgewählt hat, denn ein größerer Grund für den Lebensortwechsel in die Metropole Tokyo ist der Tod seines besten Freundes Kizuku, den er hinter sich lassen will. Sein neues Leben an der Universität, die von den Studentenunruhen der Zeit erschüttert wird, bringt ihm verschiedene neue Bekanntschaften. Da wäre Nagasawa, ein sehr intelligenter, gutaussehender und äußerst selbstsicheren Mitbewohner von Torus Wohnheim, der diesen gern auf seine nächtlichen Streifzüge mitnimmt um – relativ wahllos – Frauen abzuschleppen, was Toru jedoch immer weniger begeistert. Durch Zufall trifft er auf Naoko, Kizukus ehemalige Freundin, die seelisch noch enorm unter dem Verlust leidet, den auch Toru verspürt. Einstmals waren die Drei so etwas wie beste Freunde, jetzt streifen die verbliebenen Beiden durch die große Stadt; ziellos, meistens konversationslos und irgendwie auch zeitlos. Das Gegenteil von Naoko ist Midori, eine lebenslustige und etwas aufgedrehte Kommilitonin von Toru, mit der er sich anfreundet.

Häufig liest man über „Naokos Lächeln“, dass der Roman eine Dreiecks-Liebesageschichte wäre, zwischen Toru und der Frage für welche Frau; Naoko oder Midori er sich entscheiden soll. Das ist zweifellos ein nicht unwichtiger Bestandteil des Romans, aber es geht hier um viel mehr, denn drei Dinge beschreibt Murakami näher. Da ist zum einen der Verlust, den Toru und Naoko teilen, über den sie beide aber nicht reden können. Da ist zum anderen die Freundschaft, die sich dadurch auszeichnet, über Dinge reden zu können, die einem auf dem Herzen liegen und eine gute Zeit mit ihnen zu verbringen. Hier unterscheiden sich Torus Freunde Midori und Nagasawa stark. Letztendlich ist der Roman aber ganz hauptsächlich ein Buch über den Umgang mit anderen Menschen und – wenn sie so wollen, geneigter Leser, über die unterschiedlichen Wege zum Sex. Dabei ist „Naokos Lächeln“ kein Sammelsurium über erregende Akrobatik des Miteinanders, ich finde den Roman noch nicht mal sonderlich erotisch, es ist vielmehr ein Buch, das die unterschiedlichen Wege und Motive zum Sex darstellt, die Lust auf den Akt, aber auch die Freude, die Intimität, die Suche nach einem anderen Menschen und auch nach sich selbst dabei. Ein Roman, der uns zeigt, dass anders als in einer Welt, die sich so häufig in der Erotik des (Ab-)Bildes verwirrt, Sex ein Kommunikationsakt zwischen (im Regelfall zwei) Menschen ist. Das macht „Naokos Lächeln“[1] zu einem sehr schönen Buch über das Leben, über Kennen- und Liebenlernen und auch über Verlust und Trauer. Vielleicht das beste Buch von Murakami, dass ich bisher lesen durfte!

[1] Hier meine obligatorische Bemerkung zum deutschen Titel. Das japanische Original, als auch die englische Übersetzung, sind nach einem Beatles-Song benannt, den ich an dieser Stelle abspielen möchte:

Aber mir gefällt durchaus auch der deutsche Titel, wenngleich er vielleicht dadurch den Blick des Lesers etwas zu sehr auf Naoko richtet.

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