Interstellar

Christoper Nolans neuester Film „Interstallar“ lässt den Zuschauer mal wieder nachdenklich zurück. Zuviel scheint gesagt zu werden in dem rund 165 Millionen Dollar teuren Science-Fiction Film, der eine beachtliche Länge von 169 min aufweist. Worum geht es?

Wir erleben eine nicht allzu weit entfernte Zukunft. Die Erde scheint dem Untergang geweiht, besser formuliert: nach nicht näher genannten Katastrophen hat sich das Klima auf der Erde so verändert, dass der Nahrungsanbau immer komplizierter wird. Sandstürme fegen über das Land, die menschliche Innovationskraft scheint zugunsten einer reinen Überlebensstrategie geopfert zu sein. Aus Weltraumpiloten werden Farmer, so wie Cooper (Matthew McConaughey) der mit seinem Schwiegervater (John Lithgow) und seinen beiden Kindern Murphy (Mackenzie Foy) und Tom (Timothée Chalamet) irgendwo auf dem Land in Amerika lebt. Nach einem schweren Sandsturm kehrt die Familie nach Hause zurück und erlebt eine erstaunliche Anomalie der Gravitation in Murphys Zimmer, denn die fallenden Sandkörner erscheinen dort als eine Art Strichcode auf den Boden. Dieser Code sind Koordinaten, der Cooper zur letzten verbliebenen Einrichtung der NASA führt. Dort muss er vom Leiter der Einheit Prof. Brand (Michael Caine) erfahren, dass das Aussterben der Menschheit auf der Erde nicht mehr abzuwenden ist. Er bereite aber eine Mission vor, welche die Menschheit retten könne. Cooper werden zwei Pläne vorgestellt. Plan A sucht nach einer Theorie, um die lebende Bevölkerung von der Erde fort zu bringen, Plan B ist weniger ambitioniert und soll menschliche Eizellen zu einem bewohnbaren Planeten bringen, um die Spezies weiterleben zu lassen. Cooper beschließt seine Familie zu verlassen, um seinen Teil zur Erfüllung Plan A’s zu leisten. Hilfreich für die Mission ist dabei ein Wurmloch was seit einigen Jahrzehnten unweit des Saturns aufgetaucht ist und eine Reise in einen unendlich weit weg gelegenen Raum ermöglicht.

Um „Interstellar“ zu interpretieren bzw. den tieferen Sinn dieses Science Fiction Films herauszuschälen, muss man leider den Streifen als Ganzes betrachten und einige Spoiler nennen, weshalb ich sehr empfehle bei Unkenntnis des weiteren Filmverlaufes lieber erst den Film zu sehen, bevor man hier die weiteren Zeilen liest.
Schon die eigentlich in „Interstellar“ besprochene Ausgangssituation ist höchst ungewöhnlich für einen Science Fiction Film, denn diese nimmt an, dass die Erde nicht mehr bewohnbar bleibt. Die Rettung der Menschheit (als Motiv ja schon Standard) kann nur noch mit einer Flucht ins vollkommen unbekannte Weltall gelingen. Diese Basis nach dem Schema, wenn die Erde uns nicht mehr haben will (oder besser: wenn wir sie so kaputt gemacht haben, dass wir nicht mehr darauf leben können), dann verlassen wir sie halt und suchen uns etwas anderes, ist ein Höhepunkt der Entfremdungsgeschichte des Menschen von der Natur. Mir ist kein anderer Film bekannt, der diese Grundannahme mitgeht (wenn Ihnen, verehrter Leser etwas einfällt, zögern Sie nicht, die Kommentarbox zu benutzen, es würde mich freuen). Spannend sind auch die kleinen Hinweise auf diese Endzeit der Welt, die anders als bei so vielen Dystopien schon hinter einer Welt im Kampf mit Waffen gegeneinander zu liegen scheint. Die Menschheit in „Interstellar“ hat schon daraus gelernt, dass gegenseitiges Umbringen nicht förderlich für das Überleben ist (allerdings kommt diese Einsicht erst als das eigene Ende schon fast unausweichlich erscheint). Insofern thematisiert Nolan den Überlebenstrieb der Menschheit, als eine unauslöschliche, je quasi anthropologische Grundkonstante.
Ein weiteres Thema von Interstellar ist die Relativität von Zeit, denn Coopers Mission führt durch ein Wurmloch das ihn und seine Crew nicht nur in eine andere Galaxie spült, sondern Zeitgleichheit aufhebt, anders gesagt seine Zeit vergeht schneller, als an einem anderen Ort, wie beispielsweise der Erde. So ist eine der beeindruckendsten Szenen im Film, als Cooper gemeinsam mit Dr. Amelia Brand (Anne Hatheway) von einer dem Wurmloch naheliegenden Planeten wieder auf die Raumstation Endurance kommen. Die Mission dauerte für Cooper und Brand etwas mehr als drei Stunden, für den auf der Raumstation Endurance verbliebenen Romilly (David Gyasi) aber über 23 Jahre. Auch wenn in unserem Alltag die Asynchronität der Zeit nicht relevant ist, da Transporte mit Lichtgeschwindigkeit einfach mal nur Theorie sind, so ist diese Szene doch nicht nur eine wunderbare Verbildlichung der Gnadenlosigkeit von Einsamkeit (die ja immer einen erheblichen Zeitfaktor hat), sondern auch eine Anspielung auf eine der Kernelemente des Genres des Filmes, nämlich das Abspielen von Zeithorizonten in viel kürzer Dauer (auf Interstellar selbst bezogen spielt der Film rund 90 Jahre ab und braucht dafür aber nur 169min).
Später schwenkt der Film, quasi als Lösung des Handlungsproblems und Rettung der Menschheit, in eine Form der Kommunikation durch Zeitreise um. Cooper fliegt durch das Wurmloch zurück und schwebt durch einen Tesserakt mit dem er mit seiner Tochter in der Vergangenheit kommunizieren kann und letztendlich die Daten zur Erstellung einer erfolgreichen Theorie nach Plan A durchgibt. Cooper nimmt dabei an, dass Menschen aus einer fernen Zukunft diesen Raum für ihn zur Verfügung gestellt haben, um die Zukunft der Menschheit zu sichern, was allerdings keinen rechten logischen Sinn macht. (Das Problem dabei ist, dass Cooper mit Hilfe dieses Raumes die Menschheit rettet. Ohne diesen Raum wäre dies ih
m unmöglich gewesen und die Menschheit verloren. Wenn ihm die Rettung aber ohne diese Hilfestellung unmöglich ist, wie soll dann die Menschheit ohne Hilfe überleben, um in der fernen Zukunft eine Hilfestellung für das Überleben in der Vergangenheit zu bauen? Anders gesagt: wie soll sich die Zukunft eine Maschine bauen, wenn sie gar keine Zukunft ohne die Maschine hat, die sie erst bauen wird? Hier macht noch nicht mal das Konzept der Zeitreise Sinn, denn es gibt keine Reise von der Gegenwart in die Vergangenheit, wenn die Rettung der Vergangenheit nur mit einer Maschine gelingt die in einer Zukunft gebaut werden kann, ohne die aber die Vergangenheit keine Zukunft hat). Als Lösung bleiben hier zwei Varianten. Zum einen außerirdische Lebensformen, die so etwas zur Rettung unserer Spezies bereit stellen (sehr nett von denen) oder Gott. Wenn wir Gott als Erbauer des Tesserakts nehmen, so bekommt dieser Science Fiction Film eine religiöse Bedeutung, denn dann werden aus Cooper und seiner Tochter Murphy (gespielt im weiteren Verlauf von Jessica Chastain) neue Propheten, nur dass es diesmal nicht um moralische Werte zum Leben, sondern um einen technischen Kniff zum Überleben der Menschheit geht. Interessant ist dabei, dass Cooper aber nicht an Gott als Erbauer des rettenden Tesseraktes glaubt, sondern an die Innovationskraft des Menschen (die wir logisch aber ausschließen können). Die Menschheit scheint also Gott zu begegnen und bemerkt es gar nicht.
Von der Struktur des Filmes aus gesehen ist es allerdings höchst erstaunlich das für die eigentliche Rettung der Menschheit weniger als 10% der Zeit des Filmes verwendet werden, während der Großteil der Handlung im Grunde einer immer weniger erfolgreich verlaufenden Mission gewidmet ist. So bleibt die in „Interstellar“ angebotene Rettung der Menschheit mystisch und vielleicht ist es Nolans versteckte Botschaft zu sagen: Menschheit vertraue lieber nicht darauf einmal woanders als auf der Erde zu leben, denn diese Rettung wirst du allein nicht bewerkstelligen können. Versuche lieber deinen Heimatplaneten bewohnbar zu halten.

Fazit: „Interstellar“ ist ein Epos über Endzeit, Flucht und Rettung der Menschheit, dass eine ganze Reihe von Fragen beim Betrachter aufwirft (viel mehr als wir hier nur andeuten konnten). Ein Film, der in die Tradition Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“ steht, beeindruckende Bilder und einen guten Soundtrack liefert und sowohl als vortreffliche Unterhaltung als auch als Anstoß zum Nachdenken eine gute Figur macht.

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