Joker

Jahr: 2019 | Regie & Drehbuch: Todd Phillips | Comicverfilmung | Länge: 122min | Location: Gotham City (New York City)

Gotham City ist seit seiner Erfindung ein raues Pflaster. In den engen und dunklen Strassen der Stadt wird das Zusammenleben der Menschen von Eigennutz und Kriminalität bestimmt, die städtische Bevölkerung tendiert sehr leicht zu Aufruhr und Gewalt. Der unermessliche Reichtum einiger Besitzenden zieht sich in die Sicherheit palastartige Villen zurück, während die armen Menschen den alltäglichen Kampf um das eigene Fortkommen führen.
Im Jahr 1981 lebt auch der Außenseiter Arthur Fleck (Joaquin Phoenix) in dieser rauen Welt. Er hat eine psychische Störung, da er manchmal, ganz ohne Grund und in teilweise eher unpassenden Momenten, ein etwas unwirkliches Lachen loslässt, dass einem Krächzen und Weinen nicht unverwandt ist. Seinen Mitmenschen verleiht dies den Eindruck, er sei ein Sonderling. Dazu trägt auch bei, dass Fleck noch bei seiner Mutter (Frances Conroy) wohnt, einer pflegebedürftigen alten Dame, mit der er sich sehr gern gemeinsam die Late Night Show von Murray Franklin (Robert De Niro) ansieht. Wegen seines medizinischen Problems besucht er eine soziale Beraterin, die ihm Medikamente verschriebt. Doch dieser Service soll eingestellt werden, was die Situation für Fleck verschlechtert. Dazu kommt, dass er bei seiner Arbeitsstelle, einer Clownsvermittlung, zunehmend auf Probleme stößt, die keinesfalls besser werden, als ihm sein Kollege Randall (Glenn Fleshler) eine Waffe gibt. Lediglich die alleinerziehende Nachbarin Sophie (Zazie Beetz) scheint ein kleiner Lichtblick in seinem trüben Leben.

„Joker“ erzählt die Geschichte aus dem Batman-Universum, wie sich Arthur Fleck in den Bösewicht Joker verwandelt und zum vielleicht größten Gegenspieler des Heldens mit dem Fledermauskostüms wird. Dabei spielt Batman hier noch keine Rolle, allenfalls haben Flecks Taten eine indirekte Wirkung auf die Wayne-Familie, in welcher Vater Thomas Wayne (Brett Cullen) erstaunlich unsympathisch wirkt und Bruce (Dante Pereira-Olsen) noch ein kleiner Junge ist.

Selten bin ich aus einem Film mit so gemischten Gefühlen gegangen, wie hier. Einerseits funktioniert „Joker“ als Comicverfilmung hervorragend. Der Film liebt Details und schafftes diese wundervoll einzubauen, wie zum Beispiel als der kleine Bruce an einer Kletterstange von seiner Spielgerüst heruntergleitet und einen Eindruck des späteren Bat-Caves vorwegnimmt. Ebenso findet man die ein oder andere humorvolle Szene, wenngleich es ein Lachen ist, dass einen fast schon im Halse stecken bleibt. Die überzeichnet wirkenden Charaktere finden sich in einer überzeichneten Gesellschaft wieder. Die Kamera fängt wunderbar die Gewaltigkeit und Düsternis von Gotham City auf und Joaquin Phoenix nutzt die Möglichkeit der Darstellung eines immer irrer und gewalttätiger werdenden Menschen brillant für seine Rolle, wobei ich nicht sicher bin, ob ich Heath Ledger als Joker in „The Dark Knight“ nicht faszinierender fand.
Aber hier fängt andererseits mein Unwohlsein schon an. Es ist nicht nur so, dass während der zwei Stunden Spiellänge im Grunde kaum etwas Unvorhersehbares geschieht. Der Film verliebt sich geradezu in die von Phoenix zelebrierte Ästhetik des irren Bösen, lässt in tanzen, lachen, morden und vergisst dabei ein wenig zu zeigen, wie aus einem eher herzensguten und nach ein bisschen liebe süchtigen Außenseiter ein Mörder werden konnte (das man ihm die Tabletten wegnimmt und er Zugriff auf eine Waffe hat, erscheint mir ein bisschen wenig). Und während aus Fleck der Joker wird, der fleißig tötet, was er für tötenswert hält, gerät der Film in letzten Drittel in größere strukturelle Probleme, die ihm ein fast schon lächerlich dümmliches Ende bescheren. (Da ich hier etwas aushole, muss ich warnen, ich spoilere in den nächsten Zeilen fast den gesamten Film).
Die Idee den Joker als Gegenspieler von Batman zu zeigen hat an dem Punkt ein riesiges Problem, als versucht wird den Ausgangspunkt der legendären Genese Batmans zu zeigen, nämlich den Tod seiner Eltern in einer kleinen Gasse nach dem Besuch einer Kino-Aufführung. Nicht der Joker, sondern einer seiner „Anhänger“ tötet die Wayne-Eltern, aus einer Motivationsmischung aus Diebstahl und politischen Statement (denn Thomas Wayne, kandidiert als Bürgermeister und eine der ganz wenigen Dinge, die die Öffentlichkeit über den Joker weiß, ist das er Thomas Wayne nicht mag). Das es überhaupt zum Aufruhr kommt, in welchem der Unbekannte die Waynes ermordet und in welchem der Joker zum Symbol einer revolutionären Masse wird, ist aber selbst in einer extremen Stadt wie Gotham City unglaubwürdig. Das der Joker zu einem identifikationsfähigem Symbol einer sozialen Bewegung wird, ist innerhalb des Films schlichtweg unverständlich, denn der schnell marodierenden Öffentlichkeit Gotham Citys ist er nur kurz vorher gestehender Clownskiller und TV-Mörder von Late-Night Talker Murray Franklin bekannt. Ich bestreite nicht, dass es immer wieder Menschen geben wird, die sich mit Mördern, Killern oder wie auch immer wir sie nennen mögen sympathisieren, weil sie aus einer ihnen verhassten Gesellschaft ausbrechen und ein Zeichen gegen sie setzen wollen (eines der traurigsten Beispiele ist der Amoklauf von Aurora), aber diese Menschen sind glücklicherweise eine extreme Minderheit, die in einer Zivilisation, in welcher Mord als eines der schlimmstmöglichen Verbrechen gilt, nicht als Vorbilder dienen. Um es anders zu formulieren, das Aufstehen gegen als ungerecht empfundenen Zustände ist nachzuvollziehen, aber nicht, wenn dessen Symbol ein Mensch ist, der eigentlich nur als Mörder in Erscheinung getreten ist (oder nochmals anders gesagt; Anders Breivik wird nie Anführer einer Massenbewegung sein können).[1] Was der Film hier falsch macht ist, zu viel erzählen zu wollen. Es hätte ausgereicht, die Entwicklung von Arthur Fleck zu zeigen und sich die letzten 10min Filmlänge zu sparen, dann wäre ein viel besserer Film entstanden. Da man aber noch die gesellschaftliche Symbolwerdung des Jokers als notwendiges Mittel einbauen musste, um den Tod der Waynes zu inszenieren, beschert dem Film eines der schlechtesten Ende der Filmgeschichte. Es sind diese letzten 10min, die für eine ganz eigene Story gereicht hätten und ein sehr spannendes Sujet bieten, die aber so schnell daher konstruiert nur äußerst gemischte Gefühle auslösen, die man beim Verlassen des Kinos hat.

[1] Meine Argumentation richtet sich auf die Plausibilität der Darstellung im Film, daher auf die Tatsache das die Einwohner Gotham Citys den Joker nur als eine Fernsehfigur mit 5min Popularität kennen und dessen öffentlicher Auftritt aus dem Geständnis eines dreifach Mordes und der Ausführung eines weiteren Mordes vor der Kamera ist. Das reicht als Symbolfigur des Protestes kaum aus.
Demgegenüber steht die Popularisierung der Figur des Jokers, die im Anschluss an den Film in der Realität eingesetzt hat und die den Joker vielleicht etwas leichtfertig als Opfer des Systems und Kämpfer für die Freiheit interpretiert und dies insbesondere an des Jokers Treppentanz festmacht (siehe z.B. hier: https://www.n-tv.de/politik/Ein-Comic-Boesewicht-wird-zur-Protestfigur-article21385527.html). Ob die Filmfigur eine geeignete Symbolfigur des wie auch immer definierten Wiederstandes bzw. der Systemkritik ist kann und will ich an dieser Stelle nicht erörtern, aber wie bereits erwähnt, wäre dies tatsächlich ein spannendes Thema (dieses Thema wird übrigens in „The Dark Knight“ an der Figur Two-Face angesprochen).

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