Judith Hermans Erzählungen sind schon vor über zwei Jahren auf meinem Lese-Sofa in Form von „Sommerhaus, später“ gelandet und in guter Erinnerung geblieben. Ich war sehr froh, mir nun mal „Lettipark“ ausleihen zu können, mit 17 tatsächlich allesamt ziemlich kurzen Geschichten.
Was bei diesem Erzählband auffällt, ist die eigentümliche Ortlosigkeit die Hermann ganz vielen ihrer Geschichten mitgibt, denn während ich mich fragte, wo dieser Lettipark denn eigentlich liegt (ich vermutete Prenzlauer Berg), stellt man fest, dass dieses Buch über konkrete Orte hinausreichen möchte. Es sind Erzählungen von Menschen, die sich so nicht nur an speziellen Orten mit besonderen kulturellen Mustern, sondern fast überall ereignen könnten. Geschichten, die meistens seltsam zeitlos sind (spielen sie in den 1980er, 2000ern oder heute?), deren Protagonisten Namen aus den unterschiedlichsten Sprachräumen tragen und deren Handlungsorte eigentlich fast überall in der modernen Welt zu finden sein könnten. Vielleicht kann man sich diese Erzählungen gut als impressionistische Bilder vorstellen, deren Stärke es nicht ist, etwas ganz Detailliertes zu zeigen, sondern vielmehr eine Stimmung mitzugeben, ein Gefühl für einen bestimmten Moment zu erzeugen. Dabei reduziert Hermann ihre Geschichten auf fast minimale Handlungsstränge, man erfährt meist nie, was vorher war, oder später sein könnte, sondern ist in einer bestimmten Situation gefangen und ahnt was der Fall sein könnte, was mitschwingt aber nicht gesagt wird. Diese Situation zu fangen gelingt Hermann teilweise grandios, teilweise weniger stark, wobei dem Autor dieser Zeilen vielleicht manchmal fehlende Empathie vorgeworfen werden kann. Einige schöne Geschichten oder besser Situationen, sollen deshalb kurz erwähnt werden:
- die Gewissensbisse zu gehen und jemanden, wenngleich nur für eine kurze Zeit, zu verlassen in: „Manche Erinnerungen“,
- jemanden sein ganzes Leben zu kennen und nicht gekannt zu werden in „Rückkehr“,
- eine wichtige Entscheidung im Leben zu treffen, mit der man jemanden anderen glücklich macht, von der man aber weiß, dass sie vieles verändert, was man gar nicht verändern möchte in „Gehirn“,
- oder das Gefühl das Vergangenes wirklich vergangen und vorbei ist in „Lettipark“.