Philip Roth – Mein Mann, der Kommunist

Der Ich-Erzähler Nathan Zuckerman (wahrscheinlich Roths liebstes Alter Ego) trifft eher aus Zufall seinen alten Englischlehrer Murray Ringold. Dieser ist mittlerweile 90 Jahre alt und hat noch eine Geschichte zu erzählen, die indirekt auch Nathan betrifft. Denn nach dem 2.Weltkrieg traf Nathan im Vorgarten der Ringolds auf Murrays Bruder Ira, damals ein bekannter Radiostar. Ira mimte in New York und Umgebung Abraham Lincoln und wurde damit berühmt, ebenso wie mit seiner Heirat des Filmstars Eve Frame. Da Ira dem Kommunismus sehr nahestand, bekam er in den 1950er Jahren Probleme in der McCarthy – Ära, in welcher Kommunisten, oder solche Menschen, die man dafür hielt, in den USA wegen ihrer politischen Ideologie verfolgt wurden.

Roth beschreibt in seinem 1998 im englischen Original als „My Husband the Communist“ erschienen Roman die Geschichte einer ziemlich seltsamen Ehe. Auf der einen Seite steht da Ira Ringold, einen schnell aufbrausenden („ira“ heißt im Lateinischen „zornig“) ehemaligen Bergarbeiter, der in der Armee über einen Freund und Mentor zum Kommunismus kam und jetzt bei einer Radioshow als Iron Rinn arbeitet, um Ungerechtigkeiten in der amerikanischen Gesellschaft anzuprangern. Auf der anderen Seite steht Eve Frame, eine gebürtige Jüdin, die wegen ihrer ärmlichen Herkunft aber eine ziemliche Antisemitin geworden ist und mit Ringold nun schon in vierter Ehe verheiratet ist. Aus Eves zweiten Ehe ging ihre Tochter Slyphid hervor, die über 20 Jahre alt ist, als Ira und Eve heiraten und damit fürchten muss die vollständige Kontrolle über ihre Mutter zu verlieren, die sie Zeit ihres Lebens anstrebte und die sie zum Tyrannen der Familie machte.

Ira’s Bruder Murray erzählt nun die Geschichte dieser Ehe, die auch Nathan zum Teil kennt, weil er zwei Jahre lang ein stolzer Bewunderer von Ira war und mit ihm einige Zeit verbringen dufte, bis ihm Ira mit seiner ständigen Kritik am System zu langweilig wurde. Aus dieser Erzählkonstruktion heraus entspinnt sich eine Geschichte, die Politik, Gesellschaft, Ideologien und den Zustand der Welt auf der einen Seite, aber auch individuelle Lebensentwürfe, Verrat, Authentizität, Flexibilität, Hass, Liebe, Brüderlichkeit und Erfahrung auf der anderen Seite thematisiert.

Interessanterweise gibt es zwei Interpretationsansätze zu „Mein Mann, der Kommunist“. Der eine richtet sich direkt auf Roths Biographie. 1996 erschien ein Buch seiner Ex-Frau, das mit ihm hart ins Gericht ging und eine große Aufmerksamkeit erhielt. Roth Ruf schien danach gelitten zu haben, weshalb er – so meinen einige Rezensenten – mit einem literarischen Werk antwortete, das sich auf den Aspekt des Verrats konzentrierte und diesen thematisierte („Mein Mann, der Kommunist“ ist gleichfalls der Titel eines im Roman vorkommenden Buches, welches Eve Frame schrieb, um das öffentliche Bild ihres Manns zu schädigen). Damit ist vielleicht die Inspiration des Romans gut beschrieben, aber „Mein Mann der Kommunist“ ist viel mehr als nur eine persönliche Abrechnung. Es ist ein größtenteils (in der Mitte hat es einige, wenige Längen) wundervoll inspirierendes Buch, dass über das Thema des Verrats weit hinausgeht. Es ist eine Familiengeschichte auf mehreren Ebenen (die zwischen Eve und Ira, aber auch die zwischen Ira und Murray), es geht der Frage nach, wie man sich selbst treu bleiben kann im Leben, oder ob es so etwas überhaupt gibt und ob das Leben selbst nicht nur ständige Anpassung ist. Natürlich ist es auch ein politisches Buch, dass nicht nur einseitig die McCarthy Ära kritisiert und ihrer aufgesetzten Suche nach dem Kommunismus im eigenen Lande, der hauptsächlich Kritiker mundtot machen sollte. Der Roman skizziert auch die fundamentalen Schwächen des Kommunismus, gerade wenn man ihn mit den amerikanischen Idealen einer freien Gesellschaft vergleicht (tatsächlich eignet sich der Kommunismus in Amerika als kritisches Werkzeug zu den Missständen der freien Welt viel besser, als das er ein halbwegs plausibler Gegenentwurf zu den Vorstellungen wäre, die die USA ausmachen).  Es sind diese und viele weitere Themen, welche „Mein Mann, der Kommunist“ zu einem sehr lesenswerten und trotz seines Settings in den unmittelbaren Nachkriegsjahren, zu einem zeitlosen Stück Literatur macht.

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