Sasa Stanisic – Wie der Soldat das Grammofon repariert

Lange habe ich keinen Roman mehr zum Neupreis gekauft. Romane haben – im Gegensatz zu Fachbüchern – einen ziemlichen Wertverfall, sind aber – ebenfalls im Gegensatz zu Fachbüchern, jedenfalls bei mir – nach einmaligen Durchlesen immer noch fast wie neu (Fachbücher müssen bei mir durchgearbeitet aussehen, angestrichen und mit Bemerkungen am Seitenrand, ich würde ein solches Fachbuch auch nie wieder aus meiner Bibliothek entlassen). Sasa Stanisics erster Roman „Wie der Soldat das Grammofon repariert“ gehört aber zu den Werken der Belletristik, die gebraucht nur unwesentlich unter den Neupreis geraten, weswegen ich mich für eine nigelnagelneue Ausgabe entscheid.

Alexandar wächst in der jugoslawischen Kleinstadt Visegrad auf, gelegen an der Drina, nur wenige Kilometer bevor der Fluss eine gemeinsame Grenze zwischen Bosnien und Serbien bildet. Als sein Opa Slavko stirbt, verliert Alexandar einen geliebten Menschen, der ihm die Welt erklärte. Nur wenig später scheint sich diese Welt zu verändern, als sich der jugoslawische Staat Anfang der 1990er Jahre im Krieg auflöste und die Front seine Heimatstadt erreichte. Fortan muss sich Alexandar eine heile Welt erträumen.

Sasa Stanisic ist ein wundervoller Schriftsteller, dessen Nutzung der deutschen Sprache kaum hoch genug gewürdigt werden kann. In diesem biografisch beeinflussten Werk (genau wie bei Alexandar hat Stanisic eine bosniakische Mutter und einen serbischen Vater) erzählt er die Geschichte des Bosnienkrieges, ohne zu detailliert über den Konflikt zu erzählen. Der Krieg ist hier ein Wendepunkt, in welchem alles zu zerfallen mag; menschliche Existenzen, Familien, Freunde, die Heimat, die Kindheit. Nichts davon ist nachher so, wie es vorher war und scheinbar alles hat seine Unschuld verloren. Der Roman ist die Geschichte des Erwachsenwerdens und gleichzeitig eine Geschichte des Verlustes. Allerdings ist es kein vordergründig trauriges Buch, sondern teilweise sehr humorvoll und an anderen Stellen sehr anrührend geschrieben. Stanisic skizierte die Erzählung durchaus komplex, ohne aber einen sehr verwobenen Roman zu schreiben und hat auch so etwas wie eine kleine Liebesgeschichte eingebaut. Aber und das ist immer ein besonders Prädikat für ein Buch, es lässt die Aufmerksamkeit des Lesers auf die Zeitgeschichte und das Schicksal einer Region mitten in unserer europäischen Nachbarschaft fallen. Auch wenn man kein Interesse an den Balkankriegen der 1990er Jahre hat, so ist „Wie der Soldat das Grammofon repariert“ ein sehr lesenswertes Buch über Familie, Herkunft und die Zerwürfnisse im Leben.

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