Showrunner: Jonathan Nolan, Lisa Joy | Science-Fiction-Serie | 4. Staffel mit 8 Folgen | Erstausstrahlung 2022 bei HBO
Wann sind Geschichten auserzählt? Diese Frage hat mich schon bei der 3.Staffel von „Westworld“ beschäftigt, die nicht mehr mit den glänzenden ersten beiden Staffeln mithalten konnte. Was konnte man nun vom 4.Block erwarten? Mehr als ich dachte, so muss ich vorwegnehmen.
Das gelingt den Showrunnern Jonathan Nolan und Lisa Joy im Grunde mit einem einfachen Trick; Staffel vier spiegelt die Grundproblematik der 1.Staffel. Doch um diesen Spiegel zu erklären, müssen wir kräftig spoilern, was an dieser Stelle gleich vornweg benannt werden muss.
Staffel vier von „Westworld“ kippt die Situation von Staffel eins um, indem es nun die Hosts sind, welche die Menschen kontrollieren. Die Handlung verläuft in zwei Zeitebenen, die man aber anfangs nicht als solche unterscheiden kann. Eine frühere Ebene zeigt die Zeit nach dem Zusammenbruch des in Staffel 3 gezeigten Rehobam. Sie handelt von Maeves (Tandie Newton) Zerstörung, sowie Calebs (Aaron Paul) Tod. Zwei Dekaden später findet sich Dolores (Evan Rachel Wood) als Christina wieder, als eine Art Software Entwicklerin, so würde man heute diesen Beruf noch benennen. Sie lebt in einer Welt die fast vollständig von Delos unter Führung von Charlotte (Tessa Thompson) kontrolliert wird. William (Ed Harris) wird zwar künstlich am Leben gehalten, aber seine Aufgaben hat ein ihm ebenbildlicher Host übernommen, der ebenfalls von Charlotte kontrolliert wird. Nur Bernard (Jeffery Wright) versucht verzweifelt die Welt zu retten und trifft bei dieser herausfordernden Aufgaben, auf eine im Outback lebende Gruppe von Menschen, die noch nicht von Delos kontrolliert werden. In dieser Gruppe befindet sich Maya (Ariana de Bosse) die Tochter von Caleb. Dessen Klone wiederum werden von Delos gezüchtet, um das geheime Versteck der Menschen zu finden. Wie bei „Westworld“ gewohnt, läuft alles auf den großen Showdown zu, mit der finalen Erkenntnis, dass die Welt, so wie sie existiert, nicht mehr zu retten ist.[1]
Staffel vier der Serie ist unbeabsichtigt das Ende der Reihe, denn nach recht miserablen Quoten hat HBO die Produktion von „Westworld“ eingestellt. Ist das schade? Nach Staffel eins wäre das für mich ein großes Drama gewesen[2], jetzt ist es das eher nicht, denn „Westworld“ wirkte schon mit der 3.Staffel irgendwie auserzählt und gefiel sich auch hier, in Staffel vier, lieber in dem gewohnten Muster, Handlungsstränge zu mischen, um damit nach und nach zu enthüllen, wie aus den einzelnen Szenen ein Mosaik wird und damit dem Zuschauer seine aha-Effekte zu geben. Das ist definitiv besser als in der Vorgängerstaffel gemacht, aber die Frage ist auch, was bleibt bestehen, wenn wir zu den Grundthemen der Serie zurückkehren. Hier lässt sich final eine Entwicklung aufzeichnen.
Staffel eins ist noch eine Serie mit zwei großen Themenblöcken; zum einen einer Menschheit, die endlich ganz zivilisiert, in einer Fantasiewelt ihren Trieben nachgehen kann. Dabei war es diesen Menschen aber auch möglich, und das ist der „Reiz“ dieser Fantasiewelt; sich seiner niederen Triebe konsequenzlos zu bedienen. Vergewaltigung und Mord an einem Host waren Teil des Geschäfts des Themenparks Westworld. Zum anderen erleben wir die Bewusstseinswerdung der maschinellen Hosts, aus Maschinen werden selbstreferenzielle Wesen, sie werden stärker, revoltieren und kontrollieren am Ende die ganze Welt, bevor ihnen mächtig langweilig wird.
Aus einem fast schon freudianischen Thema der menschlichen Triebauslebung wird eine Art Höhlengleichnis von Platon, dass dann sehr auch an die Matrixfilme erinnert, wobei die 4.Staffel von „Westworld“ im Grunde Menschen als handelnde Akteure absolut in den Hintergrund drängt. Hier spielen nur die verschiedenen Spielarten, der von Menschen anfangs geschaffenen Hosts noch eine Rolle, nur noch die Maschine entscheidet über das Schicksal der Welt. Der Clou der Serie besteht aber eben nicht darin, dass es eine Supermaschine gibt, sondern dass auch die Hosts ganz unterschiedliche Interessen haben können. Das ist die Absage an den einen (rettenden oder alles vernichtenden, suchen Sie es sich gern aus, geschätzter Leser) Superalgorithmus, den menschlich gemachten Gott, wenn man so möchte. Das wird als Aussage von „Westworld“ hängen bleiben und das ist keinesfalls wenig. Es ist ein gutes Ende einer der komplexesten Serien der letzten Jahre, die nicht nur mit ihren vielen Handlungssträngen, ihren aufwendigen Kulissen und den etwas zu ausschweifend inszenierten Schieß- und Actionszenen in Erinnerung bleibt, sondern die auch immer wieder angeregt hat, über das was man als Zuschauer gesehen hat nachzudenken und das macht letztendlich immer eine gute Serie aus.
[1] Was spannerderweise vorherberechnet wird. Das erinnert sehr an die Klimamodelle, die zwar nicht wirklich den Untergang der Welt vorhersagen, aber dessen Bewohnbarkeit für Menschen problematisieren. Auch hier gibt es keine Berechnung, die davon ausgeht, dass die Bedingungen, in welchen wir heute leben erhalten bleiben (was naturgemäß natürlich konservative Menschen am meisten verstört)
[2] Nicht ohne Grund war die erste Staffel für mich, das Highlight im Jahr 2018.