Der tommr.de Jahresrückblick 2018

Jahreswechsel eignen sich hervorragend zur Rekapitulation. In den letzten Jahren gab es auf diesem Blog dafür eine Bestenliste, welche den besten Film, die beste Serie und das beste Buch schriftlich manifestierte. Das waren teilweise sehr schwierige Entscheidungen. Für das Jahr 2018 soll es etwas ausführlicher werden und all das genannt werden, was noch in Erinnerung blieb. Dieses Prozedere zeigt wohl eher den Hang des Bloggers zur Einordnung, als dass es für die Leser dieses Blogs (außer dem Autor) besonders spannend wäre. Aber dem egozentrischen Blogger ist das eigentlich auch egal.

Literatur

Bester Roman:
Christian Kracht „1979“
Ein kurzes aber großartiges Buch, dass mich nachdenklich zurückgelassen hat und einen sehr großen Eindruck auf mich machte. Schon 2001 erschienen ist es ein fast zeitloses Werk, dass immer noch hochaktuell ist.
Zu erwähnen ist unbedingt noch Christoph Heins Roman „Landnahme“, 2004 erschienen, aber von seiner Thematik her gleichfalls sehr aktuell, denn er reflektiert das Problem des Heimisch-werdens bzw. des Gefühls von Heimat. Einen ähnlichen Gegenstand behandelt T.C. Boyles Roman „América“, der sich statt mit der Geschichte der DDR mit Kalifornien der 1990er Jahre beschäftigt (1995 veröffentlicht). Beides sind nicht nur politisch und zeitgeschichtlich ambitionierte Romane, sie sind auch außerordentlich gut geschriebene und damit sehr lesbare Werke. Das gilt auch für Julie Zehs Taucher-Thriller „Nullzeit“. In eine fantastische Welt der Zukunft führt Haruki Murakamis „Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt“, ein fesselnder Roman der letztendlich die Frage stellt, was für eine Art Leben man für sich selbst präferiert, mit heftigen Ausschlägen nach oben und unten oder gleichmäßig stabil. Endloses Leben verspricht zumindest thematisch Don DeLillos „Null K“, das sich mit der möglichen Unendlichkeit menschlichen Seins beschäftigt, einem Gedanken, der auch bei den Sachbüchern wieder eine Rolle spielen wird. Wieder viel zu wenig habe ich Erzählungen gelesen, weshalb einzig Raymond Carvers großartige Sammlung „Wovon wir reden, wenn wir von Liebe reden“ genannt werden kann.

Bestes Sachbuch
Gerd Gigerenzer „Risiko“
Dieses Jahr hatte ich das Vergnügen viele gute Sachbücher zu lesen (auch einige die thematisch auf tommr.de nicht auftauchen, weil sie eher zu tommr.net gehören, wie z.B. William J. Curtis brillante Darstellung der „Architektur seit 1900“). Was mich an Gerd Gigerenzers Buch begeistert ist es, einen neuen Blickwinkel im tagtäglichen Leben einzunehmen und Risikokompetenz zu erwerben. Ein mit vielen Beispielen gespickte und sehr lesenswertes Buch zur Aufklärung des 21.Jahrhunderts.
Keinesfalls unerwähnt sollen die drei weiteren Sachbücher bleiben, wovon zwei sich mit interessanten Regionen und ihrer Geschichte beschäftigen, nämlich Greg Woolfs „Rom. Biographie eines Weltreichs“ und Marie-Janine Calics Darstellung „Südosteuropa. Weltgeschichte einer Region“. Beide Werke beschreiben eindrucksvoll und kompetent historische Entwicklungen. Ein drittes Buch beschäftigt sich mit einer möglichen Zukunft der Menschheit. Yuval Noah Hararis „Homo Deus. Eine Geschichte von morgen“ ist ein Entwurf auf was sich die Menschheit gefasst machen könnte, wenn man ihre gegenwärtige Entwicklung in die Zukunft interpoliert. Das es dabei in Richtung ewiges Leben (oder zumindest in alle Ewigkeit gestrecktes Leben) gehen kann, zeigt vielleicht gleichfalls einen langen Menschheitstraum und das heutige Selbstbewusstsein (oder die Hybris?) der Erdenbewohner (und nochmal tauchte dieses Thema 2018 auf, in der vielleicht besten Black Mirror Folge „Junipero“).

Serien


Dieses Jahr habe ich an dieser Stelle über 13 Serien geschrieben und tatsächlich war die große Mehrheit von ihnen sehr sehenswert. Daraus eine beste Serie heraus zu filtern, ist keinesfalls einfach, weshalb zusätzlich noch weitere Highlights dieses Jahres erwähnt werden müssen.
Nach langer Überlegung wurde die beste Serie 2018:
„Westworld“ (1.Staffel)
Auf Grund ihres Umfangs, ihrer erzählerischen Stärke und der Möglichkeit fast schon endlose Interpretationsmöglichkeiten hervorzurufen, ist „Westworld“ die wohl beste der vielen herausragenden Serien, die ich 2018 sah und das im ziemlich ungewöhnlichen Genre-Mix aus Science-Fiction und Westernserie. Eine Serie, wie ein gewaltiger und tiefer Roman, der fesselt, aufwühlt und einen kaum mehr loslässt.
Es sollen nun weitere Serien genannt werden, die dieses Jahr beeindruckten, wobei die Reihenfolge der Nennung, keine Wertung enthält. Eine zweifellos sehr sehenswerte Serie aus dem Western-Genre ist „Godless“, ruhig aber dennoch sehr spannend erzählt. Äußerste Spannung erhält man bei „Ozark“ (1.Staffel), der vielleicht besten Thrillerserie des Jahres, mit einem äußerst abwechslungsreichen Handlungsrahmen, der an „Breaking Bad“ erinnert. Nicht viel weniger spannend ist die Science-Fiction Serie „Counterpart“, deren große Stärke es ist ein Spiegelbild der Realität zu entwerfen und damit vollkommen neue Interpretationsmöglichkeiten für den Zuschauer eröffnet, die sich der Frage stellt, was wäre gewesen wenn? Ebenfalls spannend und ziemlich klug konstruiert, zeigte sich „Dark“, und damit eine sehr vielversprechende deutsche Serie, die in puncto Erzählung das häufig mit ihr verglichene „Stranger Things“ deutlich schlägt (letztgenannte Serie überzeugt eher vom Setting). Ärgerlich war es zu erfahren, dass es bei leider nur zwei Staffeln für die wundervoll witzige und fantasievolle Serie „Dirk Gently’s holistische Detektei“ bleibt. Ähnlich fantasievoll und gleichzeitig äußerst amüsant präsentierte sich auch „Maniac“, für viele vielleicht die beste Serie, die 2018 veröffentlicht wurde und die von Ideen und Humor gerade nur so sprüht und die sich dadurch irgendwie auch einer Genreeinordnung entzieht. Anders als die folgenden drei Serien, die noch erwähnt werden müssen und die alle mehr oder weniger gut und dem Mixbegriff „Dramedy“ zusammengefasst werden können. Die britische Serie „The End of the F*** World“ ist ein wundervolles Teenager Roadmovie, das von düsterem Humor und tollen Schauspielern lebt. Etwas morbid, aber sehr witzig kommt da eher „Barry“ herüber, eine Serie über einen Berufskiller, der lieber Schauspieler werden möchte. Ebenfalls zur Schauspielerei hingezogen sind die Damen von GLOW, welche aber als Alternative lieber Wrestlerinnen werden. Damit ist die vielleicht kreativste Dramedy Serie des Jahres angesprochen, deren 2.Staffel äußerst innovativ ist und ein Highlight nicht nur für Fans der 1980er Revival ist.
Einen letzten Satz muss noch für „Spuk in Hill House“ gelassen werden, die nicht unbedingt die Grusselserie des Jahres war (ein Genre das mich nicht interessiert), sondern die eine wunderbare Familienserie ist.

Film

bester Film: „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“
Vielleicht noch etwas schwerer als bei den Büchern und Serien, war es den besten Film des Jahres zu wählen, denn hier gab es drei herausragende Kandidaten. Für „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ sprach am Ende die Geste der Hoffnung des Filmes, die zeigt das aufgeladene Emotionen zwischen verschiedenen Gruppen eben auch gelöst werden können. Was dieser wundervolle Film mit großartigen Schauspielern beeindruckend inszeniert und der dabei nicht nur spannend sondern auch sehr komisch sein kann.
Gleich dahinter finden sich zwei Filme, die sich mit der Welt der Künstler bzw. der Kunst beschäftigen, jedoch auf ganz unterschiedliche Art. Im schwedischen „The Square“ werden wir hineingeworfen in eine Gesellschaftssatire der Stockholmer Kunstwelt. Ein origineller, fantasievoller Film der sehr tiefgründig den heutigen Lebensalltag der 1.Welt hinterfragt. So ganz anders wirkt dann „Der Nobelpreisträger“. Ein Film, in welchem ein eben solcher, aus Barcelona zurück in sein argentinisches Heimatstädtchen kommt und sich mehr und mehr mit den Lasten der Provinzialität beschäftigen muss und dabei auch der Frage, was für Kompromisse Kunst eingehen kann, darf, muss oder sollte.
Erwähnenswert sind noch drei sehr unterschiedliche Komödien. Zum einen die bitterböse und sehr authentisch wirkende Satire „Fikkefuchs“ über zwei Männer, die ihrer Zeit und ihren Trieben hinterherrennen. Zum anderen die Tragikomödie „Land der Gewohnheiten“, über die eingeschliffenen Lebenswege in einer New Yorker Vorstadt. Drittens ist die wundervolle Sammlung von Westerngeschichten in „The Ballad of Buster Scrubs“ nicht zu vergessen, die mit schwarzem Humor das Leben im Wilden Westen begleiten, aber immer wieder auch die heutige Welt reflektieren. Ein weiteres Highlight der 2018 gesehenen Filme stellt auch „Victoria“ dar, ein beeindruckendes Kammerspiel und one-shot Video über eine ausufernde Nacht in Berlin. Nicht perfekt, aber über die Frage der Perfektion drehend ist „Whiplash“.

Damit sind die für tommr.de beeindruckendsten Werke des Jahres 2018 genannt, 2019 kann kommen!

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