Whiplash

Jahr: 2014 | Regie und Drehbuch: Damien Chazelle | Musikfilmdrama | Länge: 106min | Location: New York

Der Traum den wohl jeder Mensch einmal träumt ist der, der Beste zu sein: der beste Fußballer, der angesehenste Schauspieler, der genialste Wissenschaftler, der virtuoseste Musiker. Aber – und dass merken die allermeisten mehr oder weniger schnell – zum Ausnahmetalent reicht es dann doch nicht. Wie aber erreicht man Größe, eine Größe die einen von anderen abhebt, die eine Stufe höher liegt als großes Talent. Das ist das Thema von Damien Chazelles 2014er Musikfilmdrama „Whiplash“.

Andrew Neiman (Miles Teller) ist in seinem ersten Jahr an der besten Musikschule der USA, dem Shaffer Conservatory in New York, wo er Schlagzeug studiert. Bei einer Probe platzt Terence Fletcher (J.K. Simmons) herein, der Leiter der renommierten Studioband der Schule. Schnell gelingt es Neiman einen Platz in der Band zu bekommen, die als großes Sprungbrett für eine Musikkarriere gilt. Doch dort lernt er Fletcher erst richtig kennen, der keine Beleidigung auslässt, um das Spiel seiner Band zu verbessern. Vor seinen sadistischen und sogar körperlichen Attacken ist kein Mitglied der Band verschont und während einige dem Druck nicht standhalten, versucht Neiman immer härter zu üben und komplett für sein Spiel zu leben, indem er sogar seine Freundin Nicole (Melissa Benoist) abserviert und so puscht er sich, doch der Druck wird genauso größer wie die Schwielen an seinen Fingern.

„Whiplash“ – benannt nach einer Komposition von Hank Levy (übersetzt „Peitschenhieb“), welche mehrmals im Film gespielt wird – ist ein wunderbarer Musikfilm, der nicht nur für Jazzliebhaber ein Ohrenschmaus ist. Als Drama variiert er aber eigentlich nur ein Muster das man so von Kriegsfilmen oder Karate- oder Boxfilmchen ebenso kennt. Es ist das Muster Lehrer treibt Schüler zu Höchstleistungen an. Anders als in diesen Beispielen, wo der Drill erst zu Bewältigung der zukünftigen Aufgaben (sei es auf dem Schlachtfeld oder im Ring) dient und quasi Teil der Vorgeschichte ist, konzentriert sich „Whiplash“ auf die Beschreibung des Trainings. Dabei ist Fletcher ein Typ, den man sich so auch als Trainer von osteuropäischen Kunstturnerinnen zu Zeiten des Kalten Krieges vorstellen könnte, deren Methodik darin zu verstehen ist, dem Lernenden immer und immer wieder zu zeigen, wie schlecht er eigentlich ist, um noch mehr aus ihm raus zu kitzeln. Das ist durchaus kontrovers zu sehen, denn tatsächlich fällt Perfektion nicht einfach vom Himmel, sondern bedeutet (harte) Arbeit, aber welchen Preis möchte oder soll man dafür bezahlen müssen; Demütigungen mit physischen und psychischen Qualen? „Whiplash“ zeigt den Wiederspruch (unserer Zeit) auf, dass sich jeder verwirklichen kann und soll, in einer zivilisierten und humanen Welt, das aber das Abheben über die große Masse manchmal Methoden benötigt, die dem heutigen Verständnis von kultivierten Umgang miteinander widersprechen. Ob dies wirklich so sein muss, entzieht sich insbesondere für das Musikbusiness, meiner Kenntnis und so kann man den Film auch verkürzt als Huldigung fragwürdiger Methoden zur Erreichung maximalen Erfolgs lesen, aber das würde ihm wohl nicht ganz gerecht werden (auch wenn das Ende darauf hindeutet). Dazu sind die Hauptfiguren zu gut gezeichnet, wobei J.K. Simmons als sadistischer Psychopath so unangenehm rüber kommt, dass man ihm den berechtigten Oscar für seine Rolle gar nicht mehr gönnen möchte. Als ganz ruhiger und nur kurz vorkommender Gegenpol dazu ist Paul Reiser als Vater sehr schön im Film verankert und macht so den Gegensatz aus Nähe und Wärme auf der einen Seite und hartem Kampf um Perfektion auf der anderen Seite greifbar. Ein Streifen, der auf den ersten Blick vielleicht gar nicht so überzeugend wirkt, wie er letztendlich aber dann doch ist. Ein Drama, das zum Weiterdenken anregt mit viel wundervoller Musik.

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