Peter Stamm – Wir fliegen

Peter Stamm ist der erste Schriftsteller, den ich erst bei einer Lesung kennen lernte und der mich dann gleich so beeindruckte, dass ich ein Buch von ihm erwarb. Bei der Frankfurter Buchmesse – sie wissen schon, das Ereignis was meinen Kinokonsum minimierte und dafür meine Leseliste anschwellen ließ – gibt es die schöne Veranstaltungsreihe namens „Open Books“, bei der Autoren aus Ihren neuesten Werken lesen. Bei Peter Stamm war ich sofort von seiner Sprache begeistert, der Klarheit seiner Sätze, die nie umständlich wirken und dem Leser trotzdem genügend Raum für die eigene Fantasie lassen.

Mein erstes Buch von ihm war aber nicht ein Roman, schon gar nicht sein Neuster „Nacht ist der Tag“, dessen Story mir irgendwie langweilig erscheint, auch wenn ich die Begeisterung paradoxerweise über Peter Stamm, eben aus jenen vorgelesenen 10min der Lesung (die Lesung funktioniert nach folgendem Prinzip, 8 Autoren haben je 15min Zeit, 5min plaudert ein Moderator mit ihm und 10min wird aus dem Buch vorgelesen) gezogen habe. Ich entschied mich für „Wir fliegen“, 12 Erzählungen, veröffentlicht 2008, wobei diese Angabe vollkommen unerheblich ist, denn Stamms Erzählungen sind eher zeitlos, sie könnten heute genauso gut spielen, wie vor 20 oder 100 Jahren. In jeder der Erzählungen werden wir zumeist in Alltagssituationen der Protagonisten geworfen. Jedoch ist keine Geschichte schlichte Wiedergabe des tagtäglichen Lebens, sondern immer etwas Besonderes, ein Ausschnitt aus dem großen Spektrum des Daseins. „Peter Stamm – Wir fliegen“ weiterlesen

Ian McEwan – Saturday

Es dürfte sie schon etwas langweilen, wenn ich sie immer wieder damit behellige aus welcher Motivation heraus ich die einen oder anderen Autoren lese, aber ich mache es trotzdem (hauptsächlich darum, damit ich es nicht vergesse, ich möchte sie gar nicht langweilen).
An einem Sonntagvormittag im Herbst sind die Pläne für den Tag gemacht, denn es soll zur Buchmesse gehen. Was könnte da inspirierender wirken, als eine Buchsendung, von eben jener Veranstaltung im Fernsehen zu schauen, quasi als Vorbereitung. Und in eben jenem Medium fällt das Wort der vier Rezensenten auf Ian McEwan, der einhellig als großer Autor gelobt wird. Sein neues Buch „Honig“ wird in wohlwollenden Tönen besprochen, meine Aufmerksamkeit steigt und ich notiere mir den Namen in meiner Bücherliste. Da gebrauchte und etwas ältere Bücher aber preiswerter sind und meine Bücherliste sowie, so schon ein nicht gerade kleines Ausmaß annahm und damit nicht unerhebliche Anschaffungskosten verbunden waren, beschloss ich ein etwas älteres Werk des mittlerweile 65-jährigen Briten zu erwerben, dass man aus zweiter Hand bekommen könnte. In jener Buchsendung wurde von McEwan weiterhin „Solaris“ sehr gelobt, was leider (wohl auch wegen des öffentlichen Lobes) den Bestand in Online Gebrauchtbuchläden zu stark dezimierte und ich daher auf „Saturday“ zurückgreifen musste, ein dritter kurz Erwähnung findender Roman, der in jener Sendung allerdings etwas kontrovers diskutiert wurde. Das hat aber den Vorteil, dass der Internetlieferant meiner Wahl das Buch noch zu einem sehr günstigen Preis anbot. Also, bestellt! „Ian McEwan – Saturday“ weiterlesen

David Foster Wallace – Alles ist grün

Sie kennen das vielleicht. Sie haben einen Lieblingsautor und saugen begierig alles auf, was Sie von ihm bekommen können. Irgendwann einmal haben Sie dann fast alles gelesen, wägen ab, was wirklich klasse war und was immer noch gut zu lesen ist und stellen fest, dass Ihnen nur noch übrig bleibt, auf das neuste Buch des begnadeten Künstlers zu warten. Bei David Foster Wallace (DFW) ist dies ein gemischtes Vergnügen, denn seit seinem Ableben 2008, ist die Zufuhr neuer Texte arg begrenzt. Was nicht heißt, dass der Buchmarkt nicht noch ein paar Asse im Ärmel hätte. So kam 2011 der Erzählband „Alles ist grün“ heraus. Freilich sind dies nur dem deutschen Leser unvertraute Texte, denn sie stammen allessamt aus dem 1989 veröffentlichen Band „Girl with Curious Hair“, dass in der deutschen Übersetzung „Kleines Mädchen mit komischen Haaren“ zwar 2001 veröffentlicht wurde, allerdings nur in einer um 5 Erzählungen (daher der Hälfte!) gekürzten Version. Jetzt also Teil 2!
Da fragt man sich natürlich schon irgendwie, warum wurde das damals nicht gleich mit veröffentlicht? Sind diese Texte weniger gut? Was zeichnet denn einen guten Text aus und wer darf das entscheiden? „David Foster Wallace – Alles ist grün“ weiterlesen

Wolfgang Herrndorf – In Plüschgewittern

Seit der Frankfurter Buchmesse bin ich in einem Literaturstrudel gefangen. Statt Filme zu schauen, lese ich lieber und es gibt ja so unglaublich viel zu lesen. Meine Leseliste ist innerhalb von wenigen Stunden auf 14 Titel angewachsen (so viele Romane lese ich sonst in ein bis zwei Jahren, wenn überhaupt). Ich bin mal gespannt, wie lange das anhält, denn für gewöhnlich halte ich das nicht lange durch. „Wolfgang Herrndorf – In Plüschgewittern“ weiterlesen

Hans-Jörg Schmidt – Tschechien. Eine Nachbarschaftskunde für Deutsche

Wie Sie als geneigter Leser dieses Blogs vielleicht schon mitbekommen haben, hat sich gerade in diesem Jahr meine Aufmerksamkeit zunehmend in Richtung unseres Nachbarlandes Tschechiens verschoben. Das liegt zum einen, an seiner geographischen Nähe und der damit verbundenen schnellen Erreichbarkeit und zum anderen, an seiner spannenenden Geschichte, schönen Natur und reizvollen Orten, die man wunderbar einfach erkunden kann. „Hans-Jörg Schmidt – Tschechien. Eine Nachbarschaftskunde für Deutsche“ weiterlesen

Martin Suter – small world

Jetzt hätte ich fast vergessen zu erwähnen, wie ich auf Martin Suter kam. Auf einem sonntäglichen Ausflug ins Brandenburgische Land war Radio Eins im Autoradio eingeschaltet, dessen Programm am Sonntag zahlreiche höchst hörenswerte Programme beinhaltet, wie die „Sonntagsfahrer“, die „Hörbar Rust“ oder die relativ unwitzige Humorsendung mit Olli Schulz. Ganz am Ende gegen 18 Uhr kommen dann die Literaturagenten, die man eigentlich nur im Sommer hören kann, weil im Winter um diese Zeit, die Sonne schon untergegangen ist und man für gewöhnlich keinen Ausflug mehr macht. Vor einiger Zeit, es muss der letzte oder vorletzte Sommer gewesen sein, stellten die Literaturagenten den neuen Roman des Schweizers Martin Suter vor, dessen Titel mir entfallen ist. Auch die Handlung könnte ich nicht mal mehr ansatzweise rekapitulieren, aber ich erinnere mich, wie gesagt wurde, dass Martin Suter immer so perfekte Romane schreiben würde und man konnte durchaus entnehmen, dass dies nicht nur als Lob zu verstehen war. So floss die Zeit die Elbe herunter und im langsam sich eintrübenden Herbst kam mir der Gedanke meine Romansammlung für die dunkle Jahreszeit aufzufüllen. Da bot sich ein 1,40€ Angebot bei Deutschlands meist benutztem Internetbuchkaufhaus an und ich erwarb Suters ersten Roman „Small World“ als Gebrauchtbuch.

Handlungsmittelpunkt von „Small World“ ist Konrad Lang, ein Mitsechziger, der für die ultrareichen Kochs auf Griechenland eine Ferienvilla verwaltet. Leider befeuert er versehentlich im Winter das Holz, das neben dem Kamin steht und nicht das im Kamin aufgestapelte Holz und die Villa brennt ab. Die Kochs verzichten jedoch darauf, Konrad Lang zu verklagen und bieten dem alten Freund der Familie eine Wohnung in der Schweiz an, um dort seinen Lebensabend zu genießen. Dieser gestaltet sich für den destingierten Konrad Lang eher langweilig und dreht sich hauptsächlich um den Genuss zahlreicher Alkoholika. Doch er hat Glück und trifft eines Tages Rosemarie Haug. Beide verlieben sich und dem Glück sollte nichts entgegenstehen, doch trotz einer Alkoholentziehung vergisst Konrad immer mehr und wirkt zunehmend verwirrter, was auch die Kochs aufhorchen lässt.

„Small World“ ist ein Buch über Alzheimer. Suter gelingt es dieses schwierige Thema sehr lesenswert aufzubereiten. Seine Sätze wirken präzise, seine Sprache ist klug, alles wirkt durchdacht und man hat das Gefühl hier möchte jemand perfekt unterhalten, so wie man es von einem routinierten Hollywood-Film erwartet. Dabei ist „Small World“ weder ein Drama, wie es sich in der ersten Hälfte darstellt, noch ist es ein Krimi, wie es sich im zweiten Teil des Buches anlässt. Man könnte das Buch als ziemlich gut gemachte Unterhaltung betrachten, wunderbar lesbar, bei der man aber irgendwie nie das Gefühl hat etwas großartiges Neues zu lesen, sondern ein Buch vor sich hat, was es schafft den Leser in seinen Bann zu ziehen, was präzise recherchiert ist und bei man sich nie fragt, was soll das jetzt wieder, aber das irgendwie auch immer auf dem Boden bleibt. Die Figuren sind nachvollziehbar ausgearbeitet, werden jedoch sehr schnell in Gut und Böse aufgeteilt und dann auch so, für das ziemlich platte Happy End vorbereitet. Ich glaube das meinten die Literaturagenten auch, als sie von „perfekt“ im Zusammenhang mit Suter sprachen. Ziemlich perfekt gemachte Unterhaltung, aber eben auch nicht mehr.

Wolfgang Herrndorf – Tschick

Als ich Ende August mit der Bahn von Leipzig nach Dresden fuhr, las ich in den eingängigen Internetportalen vom Tode Wolfgang Herrndorfs. Bis dahin kann ich nicht wirklich behaupten, ihn als Autor je wirklich wahrgenommen zu haben und ich gebe zu, dass er für mich nur der Typ war, der „Tschick“ geschrieben hatte, ein Buch das irgendwo ganz gut sein sollte, so hörte man immer wieder und das sogar vom Staatsschauspiel Dresden als Theaterstück auf die Bühne gebracht wurde. Angeregt von den – selbstredend – wohlwollenden Nachrufen, entschloss ich mich „Tschick“ anzulesen, denn erstens fühlte ich mich noch jung genug für einen Jugendroman und zweitens musste ich doch auch mal lesen, was alle so toll fanden. „Wolfgang Herrndorf – Tschick“ weiterlesen

Gregor Sander – Winterfisch

Hohe Erwartungen sind eigentlich nie sonderlich förderlich, denn sie tendieren dazu, nicht Stand zu halten, dass kann einen bei Konzerten von Lieblingsbands ergehen (wie bei Gus Gus), bei Filmen von Lieblingsregisseuren (wie bei „The Dark Knight Rises“) oder auch bei Büchern. Zu meinem Lieblingsbüchern gehört Gregor Sanders „Ich aber bin hier geboren“, eine Sammlung voller vortrefflich geschriebener und atmosphärisch dichter Erzählungen. Sein darauf folgender Roman „Abwesend“ war dann nicht ganz so berauschend und ich freute mich zu lesen, dass er schon vor zwei Jahren einen weiteren Band mit Kurzgeschichten herausgebracht hat (man sieht, ich verfolge den Literaturbetrieb mit einer gewissen Gelassenheit), mit dem Titel „Winterfisch“. Und da waren sie wieder, die großen Erwartungen, geschürt von wie immer äußerst positiven Rezensionsausschnitten auf der Rückseite (ich komme darauf zurück), war ich frohen Mutes hier wieder angenehme Lesefreuden erleben zu dürfen, denn es handelt sich bei „Winterfisch“ wiederum um Erzählungen. „Gregor Sander – Winterfisch“ weiterlesen

Javier Marias – Während die Frauen schliefen

„Während die Frauen schlafen“ ist eine Sammlung von neun Kurzgeschichten des Spaniers Javier Marías, zumeist Ende der 1980er geschrieben. Der Titel ist dabei nach der ersten Geschichte benannt, kann aber nicht wirklich thematisch für das gesamte Buch gelten, so sind die Haupthelden der Geschichten allesamt Männer. Wie bei der Aufreihung von mehreren Stücken nicht anders zu erwarten, sind einige von ihnen von außerordentlich hohem Lesevergnügen, während man sich durch andere Geschichten eher ein wenig durchquält (wobei dies so, wirklich nur für Eine, und zwar die letzte Geschichte gilt). „Javier Marias – Während die Frauen schliefen“ weiterlesen

William Gaddis – Letzte Instanz

Auf die Idee, mal ein Buch von William Gaddis zu lesen, kam ich, als ich seinen Namen mehrmals im Umfeld der von mir so geschätzten amerikanischen Autoren Don DeLillo und David Foster Wallace wahrnahm. William Gaddis Erfolg als Autor setzte erst spät ein. Sein erster Roman „Die Fälschung der Welt“ wurde von der Kritik verrissen und hatte nur einen kleinen, dafür aber überzeugten Leserkreis gefunden. Mit seinem zweiten Roman „JR“ aus dem Jahr 1975 (rund 20 Jahre nach „Die Fälschung der Welt“) gelang ihm jedoch der Durchbruch. Darin wird ein 11-jähriger Junge ein Finanzmagnat. Freunde der Serie Dallas wissen vielleicht, dass Larry Hagmans Rolle „JR“ sich auf dieses Buch bezieht. Warum ich am Ende seinen vierten und letzten Roman „Letzte Instanz“ mir als Einstieg in sein Werk vornahm (erschienen im Jahr 1994), ist mir jedoch nicht mehr erinnerlich. „William Gaddis – Letzte Instanz“ weiterlesen