Der schmale Grat

Jahr: 1998 | Originaltitel: „The Red Thin Line” | Regie & Drehbuch: Terrence Malick | Kriegsdrama | Länge: 170min | Location: Guadalcanal Island (Südpazifik)

Das Leben auf unserem Planeten existiert in den vielfältigsten Formen und die Natur der Erde geizt nicht damit anzuzeigen, dass sie die wunderschönsten und absonderlichsten Dinge für uns bereit hält, die mit uns Menschen gemein haben, dass sie ebenso leben. Die Menschen wiederum haben als einzige Spezies eine ganze Sammlung von Ideen über das Leben gedacht, geschrieben und verfilmt, was das denn dieses Leben als solches bedeuten könnte. Die Frage nach der Bedeutung des Lebens ist also so etwas wie eine anthropologische Tatsache und ihre Antwort wird mitbestimmt von der Einsicht der Endlichkeit des Lebens und seinem Ablauf im Tod. Schaut man auf das Zusammenleben der Menschen, so gibt es wohl nur wenige Erfindungen, die den Tod so elementar beinhalten, wie der Krieg. Leben, so könnte man sagen, wird an der Bruchstelle, seiner unmittelbaren Verlustgefahr, am deutlichsten, am spürbarsten oder eben am sinnfälligsten. Das Leben beleuchten, in dem man den Krieg beschreibt ist das gedankliche Grundgerüst von Terrence Malicks Epos „Der schmale Grat“, dem vielleicht besten je gedrehten Kriegsfilm, einen weiteren Streifen aus der Reihe „Filmklassiker der Jahrtausendwende“.

Es ist der 2.Weltkrieg und wir befinden uns in der Südsee des Pazifiks. Eine Kompanie der US-Army hat den Auftrag, auf der tropischen Insel Guadalcanal zu landen, um dort den Japanern einen Flugplatz abzujagen. Es ist das erste Mal, das die Soldaten an Land gehen müssen und direkt auf den Feind treffen werden. Die Gedanken an das was kommen könnte, verängstigt sie zutiefst. Während die Soldaten noch relativ gefahrlos anlanden, besteht ihre nächste Aufgabe darin, einen Hügel zu erobern, der mit japanischen Maschinengewehreinheiten geschützt ist. Und hier beginnt der Kampf.
Es sind die Momente, wo das Leben am seidenen Faden hängt und wo die Angst das es bald vorbei sein könnte, dazu führt, zu überlegen, was das Leben eigentlich ist. Diese Gedanken können unterschiedlich sein, so wie das Leben selbst. Private Witt (James Cavaziel) denkt an den unbeschwerten Glanz des Lebens der Ureinwohner der Südsee, Private Bell (Ben Chaplin) denkt an die Zeit mit seiner Frau, Lieutenant Colonel Tall (Nick Nolte) denkt daran, endlich einen militärisch bedeutsamen Sieg unter seiner Führung zu erreichen und Captain Staros (Elias Koteas) denkt darüber nach, das, wenn der Angriff so ausgeführt, wie von Tall befehligt, er purer Selbstmord für seine Leute ist.

Ich habe den „schmalen Grat“ seinerzeit im Kino gesehen und schon damals ist er mir als eines der beeindruckendsten Meisterwerke des Genres Kriegsfilm in Erinnerung geblieben. Das liegt an mehreren Faktoren, von denen der Offensichtlichste, der am wenigsten Bedeutende ist. Der fast drei Stunden lange Film ist geradezu überschüttet mit Stars; Woody Harrelson, Sean Penn, Adrian Brody, John Cusack, Jared Leto, John C. Reilly, John Travolta oder George Clooney finden sich in einem außerordentlichen Cast wieder. Viel wichtiger ist aber, dass der Film Krieg nicht als eine Abhandlung von Heldentaten sieht, sondern als Kampf ums nackte menschliche Überleben und über den Funken Menschlichkeit, der dabei bleibt oder eben vergeht. Auf diesem schmalen Grat (tatsächlich ist das eine der am besten gelungenen Übersetzungen eines Filmtitels ins Deutsche) schafft es dieser großartige Streifen mit schon poetischer Kraft ein Loblied auf das Leben zu schreiben, auf die bewussten Momente, wo wir Menschen erfahren, wie schön es sein kann, wie wertvoll und welche Kraft es in jedem von uns auslöst, nur allein im Bewusstsein, das man lebt. Dabei untermalt Hans Zimmer mit seiner Musik diese Stimmung eindrucksvoll und John Toll fängt mit seiner Kamera Bilder ein, die uns von Menschen gemachtes Grauen ebenso zeigen, wie die Schönheit der Welt, in der wir existieren. Ein Kriegsfilm, der mit dem Mittel des Krieges fragt, was unsere ureigenste Existenz ist und vielleicht der Streifen, der es wie kein anderer schafft, vollkommen überzeugend schrecklich und schön zu sein. Ein zeitloses Meisterwerk!

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