Parallelwelten

Jahr: 2018 | Regie: Oriol Paulo | Thriller | 128min | Originaltitel:  „Durante la Tormenta“

Zeitreisen sind eine wundervolle Erfindung der Geschichtenerzählung, denn sie ermöglichen uns unsere Fantasie zu bemühen und uns zu fragen, was wäre gewesen wenn, das oder jenes passiert oder nicht passiert wäre, was für ein Leben hätte ich, er, sie oder wir heute. Solche Zeitreisegeschichten gibt es ins ganz unterschiedlichen Ausgaben, vom legendären „Zurück in die Zukunft“ mit Marty McFly bis hin zum düsteren, komplexen und sehr sehenswerten „Dark“, um nur zwei Beispiele eines fiktionalen Themenspektrums zu nennen, das man fast schon als eigenes Genre bezeichnen könnte.

Bei „Parallelwelten“ handelt sich um einen spanischen Thriller, der seit März 2019 auf netflix abzurufen ist, der im eigentlichen Sinne keine Zeitreise beinhaltet und so das gerade angesprochene Thema etwas variiert. Zwei Zeitebenen werden gezeigt. Am 9. November 1989 öffnet sich nicht nur die Mauer um die DDR, sondern in Spanien herrscht ein Gewitter besonderen Ausmaßes. Das hindert den kleinen Nico (Julio Bohigas-Couto) nicht daran, ein Musikvideo von sich in seinem Kinderzimmer aufzunehmen, bis er plötzlich Schreie aus dem Haus nebenan vernimmt. Dort trifft er auf seinen Nachbarn Ángel Prieto (Javier Gutiérrez), der offensichtlich gerade seine Frau ermordet hat. Auf der Flucht vor ihm rennt Nico vor ein Auto und stirbt.
Diese Geschichte hören 25 Jahre später die neuen Mieter des Hauses, die Krankenschwester Vera Roy (Adriana Ugarte) und David Ortiz (Alvaro Morte) als wieder ein fürchterliches Gewitter aufzieht. Plötzlich sieht Vera in einem alten Fernseher der im Haus scheinbar vergessen rumsteht, wie der kleine Nico 25 Jahre vorher sein Video aufnimmt. Doch nicht nur das, sie kann ebenfalls Verbindung mit ihm aufnehmen und ihn vor den Gefahren warnen, die im Nachbarhaus vor ihm liegen. Nico hütet sich davor. Das wiederum führt zu Veränderungen in Veras aktuellem Leben, mit denen sie gar nicht einverstanden ist und lediglich Polizeiinspektor Leyra (Chino Darín) scheint ihr helfen zu wollen.

„Parallelwelten“ ist eine spannend gemachte Inszenierung eines sogenannten „Butterfly-Effekts“, also der Änderung einer Bedingung, die zu neuen Konsequenzen führt. Das macht den Thriller von der Grundidee sehr sehenswert. Jedoch leidet der Film an vielen kleineren Schwachstellen. Da wäre als erstes seine Länge, von über zwei Stunden, die daraus entsteht, dass eine zwar nicht komplexe, aber verschlungene Handlung erzählt werden soll. Hier hätte sich weitaus besser, das Format einer Mini-Serie angeboten, statt den Zuschauer mit Ereignissen überraschen zu wollen, die manchmal vollkommen klar erscheinen und die einfach für die Handlung erzählt werden müssen. In einer Serie hätte man die Erzählstruktur weiten, dafür aber neu zusammenstellen können. Weiterhin erfüllt der Film nicht die optischen Kriterien einer Handlung, die in den späten 1980er Jahren spielt. Die Kulisse ist ziemlich oberflächig und schnell zusammengestellt, was ärgerlich ist, denn „Stranger Things“ als auch „Glow“ oder „Dark“ sind hier Beispiele, die viel höhere Maßstäbe setzen und die damit diesen Film billig wirken lassen. Letztlich ist die Inszenierung manchmal auch zu emotional und kitschig geraten. Man kann sich insgesamt nicht des Gefühls entledigen, dass der Film zu viel will und daran an vielen Stellen leidet (nur ein Beispiel: das man den Fall der Mauer im November mit einbaut ist eine hübsche historische Idee, aber die dargestellten Gewitter wirken alle wie Sommergewitter, bei denen es keinen Tropfen regnet und nicht wie ein herbstliches „Gota fria“ Unwetterphänomen der Mittelmeerregion). Nicht zu vergessen sind dabei auch die logischen Probleme, die immer bei Filmen auftreten, die unterschiedliche Zeitebenen miteinander kommunizieren lassen, einem Phänomen das zwar ein tolle Fantasiewelten eröffnet, aber eben nicht existieren kann.

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