Jahr: 2022 | Regie & Drehbuch: Martin McDonagh | Tragikomödie | 114min | Location: Aran Islands (Irland)
Ein maßgebliches Element einer Insel, ist ihre Abgeschiedenheit von einer anderen Landmasse. Auf einer solchen Insel – klein und getrennt vom irischen Festland, wo im Jahr 1923 der irische Bürgerkrieg tobt – leben Pádraic (Colin Farrell) und Colm (Brendan Gleeson). Zwei Uhr nachmittags treffen sie sich für gewöhnlich im Pub des Eilands und schwätzen. Doch am 1.April hat Colm keine Lust mehr auf Pádraic, der die Abfuhr nicht fassen kann. Er klagt seiner geliebten Schwester Siobhán (Keery Condon) sein Leid und nimmt mit der Gesellschaft des Dorftrottels Dominic (Barry Keoghan) vorlieb. Aber eigentlich kann er nicht begreifen, dass Colm nichts mehr mit ihm zu tun haben will.
Martin McDonaghs fünfter Film ist nach dem großartigen „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ eine Komödie geworden, die großes internationales Wohlwollen bei der Kritik bekam (und noch dazu neun Oscar-Nominierungen[1]). Das ist nicht zu Unrecht geschehen, denn „The Banshees of Inisherin“ ist ein sehr humorvoller Streifen, über die Entzweiung eines Paares bester Freunde. Der Film hat sehr schöne Bilder, die nicht nur am Setting auf den Aran-Islands liegen. Er hat eine wunderbar passende und sehr ruhige Filmmusik, die mit irischem Gefiedel und klassischen Stücken von Orff und Brahms erweitert werden und dem Werk die Stimmung eines großen Theaterstücks verpassen. Es ist ein sehr humorvoller Film, ganz ohne Slapstick, mit einigen sehr subtilen Szenen, die vor allen von skurrilen Ideen leben. Diese skurrilen Ideen füttern den Handlungsverlauf und man fühlt sich etwas an Mc Donaghs „7 Psychos“ erinnert, nur das wir diesmal thematisch die Frage behandeln, wieviel Zeit bleibt uns noch im Leben und mit wem wollen wir diese Zeit, wie verbringen.
„The Banshees of Inisherin“ ist ein Film über menschliche Beziehungen, der sich aber nicht am sonst sehr gegenwärtigen Sujet Liebe abarbeitet. Der Zusammenhalt enger menschlicher Beziehungen wird zum Thema gemacht, doch es wäre verkürzt zu sagen, dass es dabei nur um das Konzept von „Freundschaft“ gehen würde. Der Film zeigt vielmehr in welchen Umständen sich Menschen mit anderen Menschen ihr Leben aufbauen und erleben, und auf was diese Umstände basieren.
Schauen wir dafür genauer die Figuren an. Pádraic ist ein auf Emotionen und Gewohnheiten basierender Mann. Er liebt es Zeit mit Colm zu verbringen. Gleichzeitig ist er tief verwurzelt in seiner Lebenswelt, dem gemeinsamen Leben mit seiner Schwester, seinen Tieren, dem Inselleben im Allgemeinen. Er würde dies nie in Frage stellen, weil es das ist, was für ihn das Gefühl von Heimat ist. Er benötigt nicht mehr, er hat schon alles. Seine Schwester Shiboán wiederum ist eigentlich viel zu belesen, weltoffen und klug für das Leben auf einer verlassenen und intellektuell begrenzten Insel, aber ihre emotionale Bindung gehört ihrem Bruder, der ein herzensguter Mensch ist und den man nur schwerlich etwas Böses antun könnte, in dem man ihn allein lässt. Colm wiederum tut genau dies, indem er Padraic die Freundschaft kündigt, weil er – rational sehr gut nachvollziehbar – die Zeit mit ihm als Ablenkung davon sieht, noch etwas bewegendes in seinem Leben zu schaffen. Colm will ein anderes Leben und unglücklicherweise für Pádraic, hat er ihn dazu ausgesucht, dass ein Nicht-Leben mit ihm dieses andere Leben sein soll, da er sich nun seinem Vermächtnis des Musikmachens konzentrierter widmen kann. Wir alle haben uns wohl sicherlich mehr oder weniger schon einmal in all diesen Rollen wiedergefunden (auch wenn man vielleicht das Gefühl im Leben haben könnte, dass der Rest der Welt eher wie Colm wäre, aber ich befürchte, dass ist vielleicht eine etwas selbstmitleidige Einstellung zu der wir alle ab und an tendieren).
Was man aus diesem Film ziehen kann, ist tatsächlich eine Frage, die mich nach Ausgang des Filmes etwas verstört hat. Freundschaften sind ein wertvolles anthropologisches Gut, ein Höhepunkt menschlichen Zusammenlebens, aber sie sind auch verletzbar, zerstörbar und auch dies kann durchaus nachvollziehbar sein, wenn sie nicht mehr von beiden Seiten als gewinnbringend eingeschätzt werden. Martin McDonagh scheint uns sagen zu wollen, das menschliche Beziehungen nichts Ewiges sind (auch wenn das Konzept der Freundschaft fürs Leben fast so viel Kraft entfalten kann, wie das Konzept der ewigen Liebe, welches aber per se, sogar die gedankliche Kraft hat das Leben zu transzendieren), sie bedürfen des Respekts, der Ehrlichkeit, aber wohl vor allem einer gemeinsamen emotionalen Bindung. „The Banshees of Inisherin“ zeigt das Aufbrechen dieser Verbindung und es ist wohl diese Grundstimmung, des Vergehens und Verlassen-Werdens, die aus dem sehr heiteren Film, einen tragischen, fast schon deprimierenden Unterton hervorsummen lässt.
[1] Aber keine 9 Oscars gewinnen wird, da mit Brendan Gleeson und Barry Keoghan gleich zwei Schauspieler für die beste Nebenrolle nominiert wurden. Ich würde an dieser Stelle – nach langem Abwägen, weil beide großartig sind – für Gleeson stimmen.