Triangle of Sadness

Jahr: 2022 | Drehbuch & Regie: Ruben Östlund | Satire | Länge: 147min

In meiner Funktion als „backbone of culture“[1] wollte ich es nicht versäumen, den neusten Film von Ruben Östlund im Kino zu schauen. Seit dem großartigen „The Square“ bin ich ein Fan des schwedischen Regisseurs und mit Freude hörte ich davon, dass sein neuestes Werk „Triangle of Sadness“ die Goldene Palme von Cannes im Frühjahr gewann (wie bereits 2017 der Vorgänger „The Square“). Das lässt einige Erwartungen aufkommen, auch durch die allesamt recht begeisternd klingenden Kritiken (die ich alle nur kurz anhörte, um nicht zu viel vom Film zu erfahren). Deshalb trollte ich mich – relativ spontan – in mein Nachbarschaftskino.

Carl (Harris Dickinson) ist Modell und bewirbt sich um einen neuen Job, nachdem er einige Jahre schon nicht mehr im menschlichen Vorführ-Geschäft war. Seine Freundin Yaya (Charlbi Dean) ist Influencerin und nach eigenen Angaben bestens im Geschäft, trotzdem soll lieber Carl die Rechnung in einem Edelrestaurant begleichen, was zu einer kleinen Beziehungskrise führt. Diese ist jedoch vergessen, als beide auf einer Luxus-Yacht Kreuzfahrt teilnehmen, auf welchen es sich die Super-Reichen des Planeten gut gehen lassen. Crew-Chefin Paula (Vicky Berlin) macht Ihre Angestellten darauf aufmerksam, dass alle Gäste nur den besten und exklusivsten Service genießen dürfen und ihnen alle Wünsche von den Lippen abgelesen werden sollen. Diese Aufgaben umzusetzen, gilt nicht unbedingt als wichtigste Präferenz des Kapitäns (Woody Harrelson), der sich lieber mit Alkohol in seiner Kajüte einschließt.

An dieser Stelle über „Triangle of Sadness“ zu schreiben ist nicht einfach, denn um fast zweieinhalb Stunden langen Streifen einzuordnen muss man den Film in Gänze betrachten, weshalb an dieser Stelle eine SPOILER-Warnung erfolgt, es wird weiter ausgeholt werden müssen.
Der Film besteht aus drei Teilen, Teil eins stellt Carl und Yaya vor, ihre Beziehung und ihre Lebenswelt. Ihre Liebe scheint weniger auf Gefühle, sondern mehr auf Geld, Aussehen und gegenseitige Gewinnmaximierung zu basieren. Hierbei sind die Rollen recht klar vergeben, Carl kann sich etwas Festeres mit Yaya vorstellen, diese sieht ihn eher als einen Zwischenstopp in den üppigen Möglichkeiten ihres schönen und angesagten Lebens.
Teil zwei inszeniert eine Luxuskreuzfahrt der Oberklasse, auf denen sich zahlreiche Superreiche vergnügen. Ihre Extravaganzen und Ausschweifungen sind allerdings nichts gegenüber dem, was dem Capitainsdinner folgt; eine Art von apokalyptischem Sturm, der das Boot und seine wohlhabenden Passagiere befällt (die Crew aber natürlich nicht wirklich tangiert). Hier gefällt sich der Film in der Darstellung von Erbrechen und verflüssigten Pupies (wie meine Nichte sagen würde), was bei einem Teil des anwesenden Kinopublikums zu großem Vergnügen führte, aber tatsächlich kaum die Grenzen des Klamauks übersteigt und mich an einige Szenen von „Little Britain“ erinnerte, dort aber weitaus stimmiger, bösartiger und maßvoller inszeniert wurden. Diese so offensichtlich wie irgend möglich gemachte Zurschaustellung biologischer Dysfunktionalitäten bei hohem Seegang, soll die strikt hierarchische Rollenverteilung des zweiten Teils des Filmes konterkarieren. Denn das Leben auf dem Boot bei normalem Seegang ist klar festgeschrieben, wer Gast ist und damit alles machen kann, nach was ihm gerade der Sinn steht, wer als gutaussehendes Servicepersonal diese Wünsche und ein Trinkgeld entgegennimmt und wer weit unter Deck die Infrastruktur des Schiffs am Laufen hält. Östlund gefällt es, Reichtum, Vermessenheit und Dekadenz in einen Zusammenhang mit fast schon diktatorisch anmutenden Verhalten darzustellen. Leider wirkt das nur wenig innovativ oder subtil erzählt. Konnte man bei Teil eins noch Zwischentöne herausinterpretieren, sind diese hier kaum mehr vernehmbar und müssen den großen Symbolen der Erzählung weichen (wie z.B. der Speziallieferung Nutella oder der diktatorischen Umsetzung eines Gastes, dass jetzt gefälligst alle Spaß zu haben hätten und die Crew die Meeresrutsche zu benutzen hätten, damit auch diese mal Freude haben). Spätestens hier hebt der Film ab, um sich komplett in seiner symbolischen Aussagekraft zu gefallen, was zur Konsequenz führt, dass jede Handlungslogik ad absurdem geführt wird.
Teil drei verstärkt dann noch dieses sehr ärgerliche Vorhaben, denn in diesem stranden nicht mal ein Dutzend der Passagiere, unter ihnen Carl und Yaya auf einer scheinbar einsamen Insel. Lediglich die Putzfrau Abigail (Dolly De Leon) ist für das Leben in der Wildnis gewappnet und erarbeitet sich daraus eine Führerschaft über die Gruppe, die sie sich mit reichlich Nahrung für sich selbst und körperlicher Zuneigung von Carl vergütet. Und auch in diesem letzten Teil hat man nicht das Gefühl Menschen zu erleben, die in eine reale Situation geraten, sondern sie dienen wiederum lediglich dafür gesellschaftliche Rollen abzubilden. Das ist manchmal recht einfältig gemacht, so wie wenn der Oligarch Dimitry (Zlatko Burić) seine Gattin (Sunny Melles) betrauert, die Tod am Strand angespült wird und ihr gleichzeitig den wertvollen Schmuck abnimmt. In besseren Momenten erweckt daraus so etwas wie eine soziale Entwicklung, wenn Carl und Yaya über Carls Verhältnis zu Abigail streiten (und sich dabei ihre Rollen von Teil eins vertauschen).

Anders als in „The Square“ wo viele Szenengerade deshalb funktionieren, weil sie so künstlich in einem künstlichen Kunstbetrieb wirken, oder bei „Höhere Gewalt“ wo die Natur immer künstlicher dargestellt wird, bleibt bei „Triangle of Sadness“ nichts von dieser Verfremdung beim Zuschauer hängen[2], außer dass der Film dem momentan gern gehörten und auch häufig prämierten Trend folgt, dass menschliches Leben (besonders in seiner wohlhabenden Art und Weise) als dekadent anzuprangern und das selbst Alternativen dazu nicht wirklich taugen. Vielleicht ist es hervorzuheben, dass es dieses Gefallen eines Gedankens ist, dem sich auch der Film verschreibt und mit dem man sich dann wohlfühlen kann, weil man gefühlt etwas Gutes getan hat.[3] Ob davon etwas länger übrig bleibt würde ich an dieser Stelle bezweifeln.

 

 

[1] Ich danke Jim Kroft für diese Bemerkung, anlässlich seines jüngsten Konzerts in Dresden. Er bezeichnete dabei alle rund 20 anwesenden Gäste mit dieser – vielleicht sogar etwas anbiedernden – Bemerkung und ich war geneigt mich persönlich sehr geschmeichelt zu fühlen, obwohl das Lob ja an alle ging und auch deshalb nur ausgesprochen wurde, weil man bei einem sehr kleinen (und sehr feinen) Konzert schlicht anwesend war. Merke; auch bei Kultur zählt manchmal einfach nur Anwesenheit (das darf als Aufforderung verstanden werden!), der Rest mag sich dann fast von selbst ergeben.

[2] Außer eventuell die Frage, warum man den Film in der deutschen Übersetzung nicht „Dreieck der Traurigkeit“ hätte nennen können. Eines der vielen unergründlichen Rätsel des Filmmarketings.

[3] Als Filmschaffender, weil man anklagt, als Zuschauer, weil man die Anklage richtig und wichtig findet.

Schreibe einen Kommentar