Aftersun

Jahr: 2022 | Regie & Drehbuch: Charlotte Wells | Drama | 101min | Location: Ende der 1990er Jahre an der türkischen Rivera

Ende der 1990er Jahre war die Welt eine und doch war sie unseren Tagen ganz ähnlich. Damals studierte ich noch die Fernsehzeitungen nach Filmhighlights. Die seiner Zeit 14-tägig erworbene „TV Movie“ bewertete Filme mit Punkten, Symbolen und kleinen Texten und so stieß ich von Zeit zu Zeit auf Filme, die beispielsweise abends auf 3sat liefen. Ich habe seit Jahren keine TV-Zeitschrift mehr gelesen (was auch daran liegen könnte, dass auf meinem Fernseher kein einziger Kanal gespeichert ist), aber ab und an stöbere ich durch die Mediatheken, wie die vom Ersten und auch da finden sich nun einige Filmperlen, wie Charlotte Wells Debütfilm „Aftersun“. „Aftersun“ weiterlesen

Peter Stamm – In einer dunkelblauen Stunde

Erschien 2023 bei S.Fischer mit 254 Seiten

Wie schon vor langer Zeit an dieser Stelle erwähnt, hörte ich das erste Mal in meinem Leben von Peter Stamm bei einer Lesung. Das ist Jahre her, aber im letzten Herbst hatte ich die Möglichkeit Stamm nochmals in Dresden anzuhören, als er zwei neue Kurzgeschichten anlässlich des Literaturfestivals in der Stadt vorlas. Da wurde mir klar, dass ich einen weiteren Roman von ihm gern auf meiner Leseliste sehen würde und entschied mich für „In einer dunkelblauen Stunde“. „Peter Stamm – In einer dunkelblauen Stunde“ weiterlesen

Alice Munro – Die Jupitermonde

Erschien 1982 im amerikanischen Original als „The Moons of Jupiter“ bei Macmillan of Canada | hier in der deutschen Übersetzung von Heidi Zernig 2016 bei Fischer Taschenbuch mit 318 Seiten

Ich dachte neulich über Listen nach und ob Alice Munro in eine persönliche Top 10 meiner Lieblingsautoren gehören würde. Ich kann mit Sicherheit sagen, dass dies der Fall ist. Wie es sich für solche ausgezeichneten Autoren gehört, möchte ich so viel von ihnen lesen, wie es geht. Das wird bei Munro eine reichhaltige Aufgabe, den von der kanadischen Nobelpreisträgerin liegen 14 Erzählbände vor! „Die Jupitermonde“ ist chronologisch gesehen, ihre fünfte herausgegebene Sammlung von Kurzgeschichten und erschien im Original 1982, ist aber die Sammlung, die ihre Bekanntheit maßgeblich förderte, wenn man Wikipedia glauben darf. „Alice Munro – Die Jupitermonde“ weiterlesen

Andrea lässt sich scheiden

Jahr: 2024 | Regie & Drehbuch: Josef Hader | Komödie | 90 Minuten | Location: in der österreichischen Provinz nahe St. Pölten

Betreuung steht eigentlich für eine Hilfe, die man im Regelfall jüngeren oder älteren Menschen zuteilwerden lässt, weil diese selbige benötigen. Aber in unserer wortspielreichen Welt (könnte es eine schönere Welt geben?) wird der Begriff Betreuung gern auch mal abgewandelt. In Dresden beispielsweise gibt es das äußerst erfolgreiche (und mir leider unbekannte) Format des betreuten Singens, das sich nach den mir vorliegenden Informationen insbesondere bei der hiesigen Damenwelt großer Popularität erfreut. Da hat man sich im Programmkino Ost vielleicht gedacht, mit „Betreuung“ machen wir auch was! Oder man dachte sich, mit Josef Hader machen wir was, denn im März und April gab es hier eine Filmreihe mit dem Titel „betreutes Hadern“, in der Filme des großartigen österreichischen Kabarettisten, Schauspielers und Regisseurs gezeigt wurden (und eine Gesprächsrunde mit ihm, die ich leider verpasste). In dieser Reihe lief auch Haders neuester Film, „Andrea lässt sich scheiden“, der 2024 in die Kinos kam. Zwar war der Betreuungscharakter im Film auf das Zeigen von Untertiteln reduziert (was bei einem deutschsprachigen Film aus der österreichischen Provinz schon ein wenig anmaßend erscheint, gerade in Sachsen), aber das Publikum – im überwiegend gesetzten Alter – war trotzdem zahlreich erschienen. „Andrea lässt sich scheiden“ weiterlesen

Here

Jahr: 2024 | Regie & Buch: Robert Zemeckis (Buch mit Eric Roth) | Spielfilm | 104min

Anfang der 2000er Jahre war die Webcam Technologie, ebenso wie das Internet, noch recht neu. Ich las in jenen Tagen meinen ersten Roman in englischer Sprache (der zum Glück sehr kurz war, denn ich musste zahllose Wörter übersetzen und damals musste man noch in einem großen Wörterbuch nachschlagen, heute verlegt sich das ins Internet und geht ungleich schneller). Wahrscheinlich hat mich das Übersetzen so sehr mitgenommen, dass ich mich nicht mehr an die Story des Romans erinnern kann, nur eine Erzählkonstellation ist bis heute nicht vergessen; die amerikanische Hauptheldin saß immer nachts an ihrem Computer und beobachtete die Bilder einer Webcam aus Kotka / Finnland, welche eine Straße aufnahm, in der für gewöhnlich nichts passierte. Ich fand diese Szenen großartig, einfach durch seinen Computer – in der Stille des eigenen Lebens – live in die Welt hinauszuschauen, was der Rest der Welt so macht. Heute gibt es zwar alle möglichen Webcams und man kann 24/7 auf diese zugreifen, aber diese Angebote zu nutzen und alle möglichen Plätze des Planeten anzusehen, habe ich dann doch nie richtig gemacht.[1]
„Here“ weiterlesen

Javier Marías – Tomas Nevinson

Erschien 2021 unter diesem Titel im spanischen Original | deutsche Übersetzung von Susanne Lange 2022 bei S. Fischer veröffentlicht, hier in der Taschenbuchausgabe mit 736 Seiten

Viele Erinnerungen im Leben sind aus längst vergangenen Zeiten, deren Historie näher erscheint als sie war. Wir denken an Sachen zurück und überlegen, wann das war, rechnen nach und bemerken mit Überraschung, der manchmal eine Note Bitterness anhaftet, dass dieses Ereignis jetzt schon so viele Jahre zurück liegt. Manchmal ist aber das Gegenteil der Fall.
Als ich Javier Marías Roman „Berta Isla“ lass, war ich überzeugt davon, ganz schnell mit „Tomás Nevinson“ weiterlesen zu müssen, da mir dieser Roman von Javier Marías, als Weiterführung der Geschichte von Berta und Tomas erschien. Tatsächlich vergingen „nur“ zwei Jahre, die mir wie fünf vorkamen, als ich in diesen Februar, endlich zu „Tomas Nevinson“, dem leider letzten veröffentlichten Text, des großen spanischen Romanciers Marias gegriffen habe. Ich war mir ziemlich sicher, dass wir die Liebes- und Lebensgeschichte von Berta Isla nun gespiegelt bekommen, aus der Perspektive ihres Mannes.
Doch Marias bemerkt selbst, dass Tómas Nevinson nicht wirklich eine Fortsetzung ist“, sondern dass beide Geschichten ein „Paar“ bilden. Anders formuliert könnte man sagen, dass sich der gleiche Kontext einer Erzählung, als Hintergrund des Titelhelden dient, aber es sich eigentlich um ein anderes Sujet handelt. „Berta Isla“ ist ein Roman über die große, einzigartige Liebe, das Warten, den Verlust und das unabhängige Einrichten im Leben. „Tómas Nevinson“ hingegen ist kein Roman über die Liebe (denn sie spielt nur am Rande eine Rolle, ist eher ein Fundament, oder vielleicht nur eine Hoffnung), sondern ein Agententhriller, der über die alte Geheimdienstfrage, die sich schon James Bond stellte, nachdenkt; Leben lassen, oder lieber abmurksen. „Javier Marías – Tomas Nevinson“ weiterlesen

Paradise

Idee: Dan Fogelman | Polit-Thriller-Serie | 8 Folgen in 1.Staffel | veröffentlicht 2025 auf Hulu

Weltgeschichtlich war das Jahr 1989 ein ganz bedeutendes und ich muss ihnen an dieser Stelle, geneigter Leser, nicht erzählen warum. Tatsächlich war für mich 1989 ebenfalls sehr prägend, denn viele meiner frühen Erinnerungen, verknüpfen sich mit diesem Jahr. Eine davon war, dass ich erstmals in meinem seinerzeit jeher jungen Leben, einen gewissen Draht zu aktueller Musik in den Charts hatte und in eben diesen Phil Collins Hit „Another Day in Paradise“ Spitzenpositionen erlangte, also von mir nicht unentdeckt blieb. „Paradise“ weiterlesen

Strike – 6.Staffel

Originaltitel: „C.B. Strike“ | Showrunner: Ben Richards | Staffel 6 „The Ink Black Heart“ mit 4 Folgen | veröffentlicht 2024 auf BBC1

Der 6. Fall der Kriminaldetektei von C.B. Strike (Tom Bruke) und seiner Partnerin Robin Ellacot (Holliday Grainger) startet mit der immer wieder auf kleiner Flamme flackernden möglichen Liebesbeziehung zwischen Strike und Ellacot. Wie für gute Serien üblich, wird auch in dieser britischen Krimiserie ein vermeintliches „sie kriegen sich“ von Staffel zu Staffel hinausgezögert, was – wenn wir ganz ehrlich sind – auch zum Weiterschauen animiert. Doch das ist nur die Nebenhandlung eines, wie immer vernetzt und kompliziert aufgezogenen Falls, um eine junge Autorin Edie Ledwell (Mirren Mack), die erst Hilfe bei Robin Ellacot sucht, von dieser aber wegen Auftragsfülle nicht angenommen werden kann. Als Ledwell dann Tod aufgefunden wird, sucht die Polizei um Mithilfe, doch erst als reiche Erben die Detektei beauftragen, um den geheimen Computerspieledesigner Anomie zu finden, der wahrscheinlich hinter dem Mord steht, schalten sich Ellacot und Strike ein (jetzt scheinen sie mehr Zeit zu haben). „Strike – 6.Staffel“ weiterlesen

Vivarium – Das Haus der Alpträume

Jahr: 2019 | Regie: Lorcan Finnegan | Drehbuch: Garret Shanley | Science-Fiction-Horror-Kammerspiel | 98min

Manchmal schaut man ja einfach irgendwas, oder man schaut irgendwas mit. In beiden Fällen sind die Erwartungen nicht hoch, manchmal durchaus zurecht. So geschehen bei „Vivarium“(deutscher Zusatztitel, wie immer ein Knaller!), einem farblich eindrucksvollen Horrortrip über die Tücken des Hauskaufes.

Wir begleiten Gemma (Imogen Poots) und Tom (Jesse Eisenberg) ein junges Pärchen, dass ein erstes eigenes Haus erwerben möchte. Makler Martin (Jonathan Aris) entführt sie in die eintönigste Neubausiedlung der Welt, wo ein Reihenhaus, wie das andere aussieht und auch gleich am Zwilling anschließt. Schnell ist klar, das ist nichts für die Beiden und der Enthusiasmus des Maklers ist etwas befremdlich. Die Tour durch das Musterhaus endet mit einem Besuch im kleinen Garten, als plötzlich der Makler weg ist und die Fahrt aus dem Neubaugebiet sich als Irrfahrt herausstellt und ein Alptraum des Lebens beginnt. „Vivarium – Das Haus der Alpträume“ weiterlesen

Vicente Blasco Ibáñez – Die Scholle

Erschien 1898 im spanischen Original als „La barraca“ | in deutscher Übersetzung von Otto Albrecht und Elisabeth van Bebber bei Rowohlt Taschenbuch 1989 mit 224 Seiten erschienen

Vor gar nicht so langer Zeit las ich ein Buch zur Kulturgeschichte der Valencianischen Gemeinschaft. Da ich das Buch so mittelmäßig (eigentlich muss ich spezifizieren, größtenteils richtig schlecht) fand, möchte ich den Namen des Autors und den Titel an dieser Stelle gar nicht nennen. Was aber aus diesen Seiten hängen blieb war, dass ich mich selbst mehr mit der Geschichte Valencias beschäftigen müsste. Eine der wichtigsten Figuren der Literatur der iberischen Levante ist dabei Vicente Blasco Ibáñez, eine sehr schillernde Gestalt der spanischen Gesellschaft des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts (welcher am Ende der Strandpromenade Valencias, auch ein kleines Museum in seinem ehemaligen Wohnhaus gewidmet ist). Blasco Ibáñez war nicht nur Schriftsteller und Zeitungsherausgeber, er saß auch im spanischen Gefängnis und im Parlament (nicht zeitgleich), gründete eine Kolonie in Argentinien und verkaufte sehr erfolgreich Drehbücher nach Hollywood. „Vicente Blasco Ibáñez – Die Scholle“ weiterlesen