T.C. Boyle – Blue Skies

Erschien 2003 im englischen Original gleichen Titels | in deutscher Übersetzung von Dirk van Gunsteren 2023 bei Hanser mit 400 Seiten

Als ich im November mal wieder in meinem liebsten Buchladen Hessens in Wiesbaden stöberte, waren Vermittler des Weihnachtsmannes mit mir und es ergab sich, dass ich T.C. Boyles neuesten Roman zum Zweitbuch-Preis erspähte und ich den Helfern des Weihnachtsmanns vermitteln konnte, dieses Buch wäre für meinen Platz unterm Christbaum gerade richtig.

Ich stellte diesen Wunsch an die höchste Instanz, die Geschenke in diesem Erdteil haben, weil ich a; ein großer Freund der Literatur Boyles bin und b; mir der Roman „Blue Skies“ in einem Podcast meiner Wahl kurz lobend unterkam. Er wurde dort im Zusammenhang mit Literatur über den Klimawandel angeteasert. So groß auch das kurze Lob im Podcast war, möchte ich mein Urteil an dieser Stelle vorwegnehmen, „Blue Skies“ ist einer der schwächeren Romane von Boyle.

Boyle stellt uns drei Familienmitglieder einer vierköpfigen Familie als Hauptfiguren vor. Da ist zum einen die Mitzwanzigerin Cat, die in Florida in einem schicken Strandhaus wohnt, gerne Influencerin wäre, gut aussieht und mit einem ebenso jugendlichen und gutaussehenden Freund zusammenlebt, der für Bacardi Partys veranstaltet. Und als sie mal wieder auf ihren Freund warten muss, stößt sie auf ein Tierladen, der sich auf den Handel von Schlangen spezialisiert hat. Und warum mal nicht spontan sein und flugs eine Python erwerben.
Ihre Mutter Ottilie lebt in Kalifornien, sie ist bereits im Ruhestand, während ihr Mann noch in seiner eigenen Arztpraxis arbeitet. Durch das Zuraten ihres Sohnes Cooper, der dritten Hauptperson des Romans, setzt sie sich mit der Zubereitung neuer alternativer Nahrungsmittel auseinander und versucht sich mit der Züchtung einer Insektenfarm, die man dann in lecker Essen verbraten könnte. Cooper wiederum ist Zeit seines Lebens ein gewissenhafter Umweltschützer und schreibt momentan an seiner Doktorarbeit im Bereich der Biologie.

Boyle führt uns ein in eine Familie, die sich mehr oder weniger bewusst und konsequent mit Umweltschutz auseinandersetzt, die sich aber alle individuell mit einer zunehmend vom Klimawandel verändernden Welt auseinandersetzen müssen. Und während Kalifornien langsam austrocknet, wird es in Florida immer nasser und persönliche Schicksalsschläge stellen sich ein, die aber nicht unbedingt, mit dem sich verändernden Wetter zu tun haben müssen. Konstant bleibt bei allen dreien jedoch, dass der Verzehr von Alkohol nie vergessen wird. Phasenweise hatte ich das Gefühl hier eher einen Roman über Alkoholsucht zu lesen, was sich dann aber am Ende der Erzählung eher nicht bewahrheitet[1]. Charakterlich sind mir alle drei Personen nie sympathisch geworden, was wohl damit zusammenhängt, dass alle drei sehr stark in ihrer eigenen Welt verhaftet sind, wobei Boyle eben gerade nicht die globale Perspektive des Klimawandels beschreibt, sondern ganz dich an den vermeintlichen Konsequenzen für das Individuum bleibt. In einer gefühlt untergehenden Welt steht die Frage im Mittelpunkt, was man persönlich tun könnte. Aber das wirkt alles eher hilflos und am stärksten ist dann bei allen Personen dann immer die Fixierung auf das eigene Schicksal verbunden mit der Abwesenheit kritisch auf das zu schauen, für das man selbst verantwortlich sein könnte. Den Haupthelden des Romans passieren Dinge, die von außen auf sie einwirken, aber diese Dinge haben immer nur etwas schicksalhaftes und sie werden kaum aus der Perspektive einer persönlichen Konsequenz hinterfragt. Das macht alle drei Figuren ärgerlich antriebslos dem eigenen Lebensweg und der eigenen Situation gegenüber. Das ist so etwas wie der Grundton des Romans, der das globale Thema Klimawandel auf individuelle Auswirkungen runterprojizieren will (es ist etwas das mit uns passiert und vor dem niemand weglaufen kann). Der Roman redet nicht über globale Krisen, Kriege oder ähnliches, sondern das Schwitzen von Menschen in der aufziehenden Glut oder wie einem das Wasser mehr und mehr bis zum Halse steht.

Das wirkt im Roman aber etwas langweilig und repetitiv (in Kalifornien wird es immer heißer und in Florida regnet es nur noch) und ist schlimmstenfalls arg konstruiert.[2] „Blue Skies“ inszeniert den Klimawandel als fast schon schicksalhafte Dystopie. In dieser wird der Untergang des modernen Lebens, wie wir es heute kennen angedeutet. Eine Welt, die nicht mehr im Überfluss lebt, sondern im Kompromiss mit einer aggressiveren Umwelt, nicht mehr in freiwilligen Verzicht, um etwas besser zu machen, sondern in der Notwendigkeit, weil es schlicht nicht mehr geht. Das ist zwar nicht unbedingt unrealistisch (ganz im Gegenteil), aber als Romanmotiv ist es eben doch nur begrenzt innovativ in Zeiten, wo Katastrophen und Untergänge aller Art und Form Hochkonjunktur haben.

[1] Ich bin mir aber nicht sicher, ob Alkohol im Roman wie eine Metapher funktionieren soll. Als ein Sachverhalt, über den man nicht nachdenkt, einen stillen Killer, von dem man nicht wegkommt und der allmählich Besitz über einen ergreift und einen falsch handeln lässt. Die Allegorie könnte auf unser modernes Leben gemünzt sein, dass einen katastrophalen Klimawandel nicht mehr verhindern kann, wir bemühen uns unser Leben klimathematisch zu verändern, aber stellen nicht unser Leben per se (hier den Genuss von Alkohol) in Frage.

[2] Wie der Pool von Ottilie, quasi ihr einziger Luxus. Der Pool wird hier als Ausflucht vor der Hitze und Erfrischung dargestellt, er ist zwar auch von den Auswirkungen der Hitzewellen mit weit über 40 Grad betroffen. Trotzdem wird der Pool als erfrischend kühl dargestellt, was aber zweifelhaft ist, denn auch Poolwasser erhitzt sich stark, wenn man es lange einer Hitzewelle aussetzt. Man springt schlicht in eine heiße Brühe. Wer an einem heißen Tag schonmal Ende August im Mittelmeer baden war, der weiß, dass das Meer dann nicht mehr kühl, sondern einfach nur nass ist.

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