Ich bemerke gerade, einen riesigen Fehler gemacht zu haben und bin mir nicht sicher ob ich ihn in Zukunft korrigieren werde. Doch um diesen Fehler aufzuzeigen muss ich etwas ausholen.
Kurz vor Weihnachten habe ich per Post Werbung für eine Online DVD-Videothek bekommen. Nach etwas Überlegung habe ich schließlich das Angebot angenommen. Man schreibt eine Liste mit Filmen auf und bekommt diese nacheinander per Post auf DVD geliefert und nachdem man seinen Wunschfilm geschaut hat, schickt man ihn wieder zurück. Die ersten drei Monate sind kostenlos und da konnte ich nicht widerstehen, denn drei Monate kostenlos DVDs schauen klingt verlockend. Auf meiner Liste ganz oben stand „Abgedreht“ (engl. „Be Kind Rewind“) von Michel Gondry.
Einigen ist der Franzose vielleicht als Regisseur von zahlreichen Videos bekannt. Herausragend dabei waren sicherlich „Protection“ von Massive Attack, „Everlong von den Foo Fighters, diverse Björk Filmchen wie: „Yoga“ oder „Human Behaviour“ und nicht zu vergessen das legendäre „Around the World“ von Daft Punk. Ich habe Gondry bewusst erst durch seinen Spielfilm „The Science of Sleep“ kennen gelernt (mit Gael Garcia Bernal). Auffällig ist bei ihm, die spezielle Optik, die er seinen Filmen verleiht. Sie sehen so aus, als würden sie gerade handgemacht worden sein. Ich stelle mir Gondry als einen Bastler vor, der aus allerlei Pappe, Plastik und anderen mehr oder weniger nützlichen Materialien seine Kulissen baut und Schauspieler in diesen hin und her laufen lässt. Das alles wirkt wie ein konsequenter Gegenentwurf zu am Computer erdachten Handlungsräumen und zieht daraus auch einen nicht liebenswerten Charme.
In „Abgedreht“ erzählt Gondry die Geschichte einer kleinen und recht runtergekommenen Videothek (die ihren Namen noch alle Ehre macht und nur VHS verleiht) im Örtchen Passaic am Rande von New York. Dessen Besitzer Mister Flechter (Danny Glover) reist zu einem Gedenktreffen von Fats Waller, einer Jazz Größe der 30er Jahre, denn Waller – so sagt es die Legende – ist in seiner Videothek geboren worden. Derweil übernimmt Flechters Assistent Mike (Mos Def) die Geschäfte, zusammen mit seinem Kumpel Jerry (Jack Black). Jerry wiederum hält sehr wenig vom lokalen Umspannwerk und möchte es sabotieren, da er vermutet, ein nicht unerheblicher Teil des Weltübels wird durch Elektrizitätswerke hergestellt (man denke nur an Mikrostrahlen!!). Doch seine Sabotage-Aktion misslingt. Er überlebt, wird aber magnetisiert. Dadurch löscht er unbewusst die Bänder der Videothek. Als die ersten Kunden diesen Missstand bemängeln, versuchen Mike und Jerry die Filme einfach nachzudrehen. So entstehen sogenannte „geschwedete“ Filmversionen, daher rund 20min lange Eigenproduktionen, die beim Publikum der Videothek glänzenden Absatz finden. Schon bald bilden Jerry, Mike und bereitwillige Nachbarn eine fleißig arbeitende Filmcrew. Fantasievoll werden die verschiedensten Streifen nachgemacht. Doch die Freude währt nicht lang. Eine Anwältin der Filmindustrie (Sigourney Weaver) lässt das Nachdrehen von Filmen verbieten. Und die Situation ist noch schlimmer; da die Stadt an die Stelle der baufälligen Videothek einen neuen und noch dazu ausgesprochen hässlichen Gebäudekomplex stellen will, steht sowohl die Filmproduktion von Jerry und Mike, als auch die Videothek von Mister Flechter vor dem Aus. Da nur noch eine Woche Zeit bleibt, beschließt man einen letzten Film zu drehen, diesmal kein Remake, sondern eine eigenes Werk. Es soll das Leben der lokalen Ikone Fats Waller zeigen und alle Bürger der Stadt sind angehalten sich zu beteiligen. Die Bewohner der Stadt nehmen regen Anteil. Kurz vorm geplanten Abrisstermin wird der Film in der Videothek gezeigt und auf die Straße vorm Haus projiziert wo zahlreiche Menschen den Film durchaus belustigt anschauen.
Gondrys Film besticht als erstes durch seine wirklich originelle Idee, Filme zu „schweden“ (einen Ausdruck den Jerry im Laufe eines Kundengespräches einfach erfindet). Die so nachgemachten Filme leben von der Bilderwelt Gondrys wenngleich man sagen muss, dass sie nicht immer vor Originalität glänzen. Der eigentliche Witz ist die Idee des „Schwedens“, weniger das „Schweden“ selbst. Dabei ist es Gondry wichtig, die Bedeutung der eigenen Kreativität herauszustellen. „Just make it yourself“ könnte man als den Wahlspruch des Filmes bezeichnen. Dem schließt sich ein Internetprojekt an. Auf youtube hat man die Möglichkeit, eigene „geschwedete“ Produktionen seiner Lieblingsfilme zu veröffentlichen (http://www.youtube.com/BeKindMovie). „Abgedreht“ appelliert an seine Zuschauer, die eigene Kreativität zu benutzen und er verweist darauf, seine eigene Geschichte zu ersinnen. Es geht Gondry nicht um das möglichst original getreue Plagiat eines Films, sondern um die Erschaffung einer neuen Perspektive. So einigen sich im Film die Bewohner der Stadt darauf, nicht das wahrheitsgetreue Leben von Fats Waller zu verfilmen (denn die Jazzlegende ist nicht wirklich in der Videothek geboren worden) sondern ihn als einen Helden der heute ärmlichen Stadt darzustellen. Sie erfinden Geschichten, die Waller und die Nachbarschaft von Passaic thematisieren. Gondry verweist daher auf die Kraft von Filmen und Geschichten eine Gemeinschaft zusammenzuführen, weniger wichtig ist der authentische Hintergrund. Anders formuliert ist „Abgedreht“ so gesehen ein Loblied auf den Mythos. Hier kommt ein weiteres Anliegen Gondrys (der auch das Drehbuch schrieb) zum Vorschein. Er möchte mit dem Film auch den Unterschied aufzeigen zwischen regional und global. Und schnell ist klar, dass „regional“ gut ist und „global“ schlecht. Die globale Filmindustrie möchte den regionalen Filmemachern Jerry und Mike „ihr Handwerk legen“. Gondry beleuchtet nicht ohne Wehmut die „Guten alten Zeiten“. Dies zeigt sich auch im Gegensatz von DVD und Video. Der englische Originaltitel „Be Kind Rewind“ passt deshalb auch weitaus besser. (Man sollte sich hier den Unterschied zwischen DVDs und VHS vor Augen halten, Videos kann man immer nur für einen Sprachraum ausgeben, DVDs sind besser zu vermarktende Produktionen, die eine üppige Palette an Sprachoptionen und Extras anbieten). Im Video sieht Gondry die lokale Verwurzelung der Menschen. Man geht in die Videothek, stöbert stundenlang nach einem neuen Film und unterhält sich mit dem Personal über baldige Neuerscheinungen oder den letzten Geheimtipp.
Und hier kommen wir wieder zu meinem Fehler, denn wie Sie nun wissen, habe ich den Film nicht in einer Videothek bekommen, sondern im Internet ausgeliehen. Ob dies wirklich so schlimm ist und unsere heutige Zeit den persönlichen Kontakt wirklich so in den Hintergrund drängt, vermag ich an dieser Stelle nicht zu beurteilen. Doch „Abgedreht“ erinnert mich daran, bald mal wieder über Filme zu reden. Vielleicht finde ich auch jemanden, der mit mir einen Film „schwedet“.