Jahr: 2022 | Regie & Drehbuch: Charlotte Wells | Drama | 101min | Location: Ende der 1990er Jahre an der türkischen Rivera
Ende der 1990er Jahre war die Welt eine und doch war sie unseren Tagen ganz ähnlich. Damals studierte ich noch die Fernsehzeitungen nach Filmhighlights. Die seiner Zeit 14-tägig erworbene „TV Movie“ bewertete Filme mit Punkten, Symbolen und kleinen Texten und so stieß ich von Zeit zu Zeit auf Filme, die beispielsweise abends auf 3sat liefen. Ich habe seit Jahren keine TV-Zeitschrift mehr gelesen (was auch daran liegen könnte, dass auf meinem Fernseher kein einziger Kanal gespeichert ist), aber ab und an stöbere ich durch die Mediatheken, wie die vom Ersten und auch da finden sich nun einige Filmperlen, wie Charlotte Wells Debütfilm „Aftersun“.
Der kurz vor seinem 30. Geburtstag stehende Vater Calum (Paul Mescal) fliegt mit seiner Tochter Sophie (Frankie Corio) an die türkische Rivera. Sie wird diese Tage 11 Jahre alt und entdeckt das Leben für sich. Ihre Eltern leben getrennt, aber die Zeit mit dem Vater erscheint leicht, so wie die Sonne die Haut am Pool spielend und ohne Mühe verfärbt. Das Leben könnte schwerer sein, doch irgendwie ist es das für Calum. Nun, an ihrem 30. Geburtstag, erinnert sich Sophie (Celia Rowlson-Hall) an diesen Urlaub, dank der Camcorder Aufnahmen, welche die beiden damals machten.
„Aftersun“ ist ein ruhiges melancholisches Filmdrama, dass sich eigentlich an der Unbeschwertheit des Sommers erfreut. Doch der Film funktioniert wie die Erinnerung im Winter an die vergangene Leichtigkeit der warmen Jahreszeit, denn der Urlaub ist die Kulisse für einen Hintergrund der Düsternis und Schwere, die sich in der Figur von Calum verbirgt. Und so ist „Aftersun“ ein ruhiger, sehr schön gefilmter Urlaubsfilm, aber er ist eben auch ein Beispiel dafür was wir alles verlieren und verloren haben, eine schöne und melancholische Erinnerung daran, dass das Leben nicht nur sonnig, bezaubernd und wunderschön sein kann, sondern dass es auch ein Management von Verlusten ist. Ein Film für alle, die den Sommer lieben, aber die auch wissen das der Winter unvermeidlich ist.