The Batman

Regie & Drehbuch: Matt Reeves (Drehbuch mit Peter Craig) | Jahr: 2022 | Comicverfilmung | Länge: 177min

Eigentlich dachte ich, dass mit dem Ende von Christopher Nolans Batman-Filmtrilogie über den Fledermaus-Superhelden ich mir keinen Batman mehr ansehen müsste – zumal der letzte Teil von Nolans Arbeit, „The Dark Knight Rises“, mich alles andere als umgehauen hat (die beiden ersten Teile waren jedoch sehr, sehr gut). Aber wenn man, wie ich, eigentlich nur die großen Batman-Filme seit Tim Burton verfolgt hat (und die eher als putzig zu bezeichnende Serie mit Adam West), dann hat man schon beträchtliche Bildungslücken, gerade wenn man sich ansieht, was an Batman-Adaptionen überhaupt alles existiert.[1]

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High Life

Regie & Drehbuch: Claire Denis | Jahr: 2018 | Science-Fiction Film | Länge: 112min

Gut gemachte Science-Fiction kann uns in fremde, kaum vorstellbare und spannende Welten führen, zumeist irgendwo im Weltall unserer Fantasien. Wenn wir in diesen fernen Zeiten einer vermeintlichen Zukunft etwas erkennen, dass wir als Abbild unserer Welt interpretieren können, dann hat die Science-Fiction Darstellung nicht nur unterhaltenden, sondern sogar erkennenden Wert. Frühere Darstellungen des Genres von Jules Verne bis zu Star Trek waren immer dabei technikbegeistert und man musste einige Abstriche bei den physikalischen Grundlagen der Darstellung machen (z.B. in Star Trek bei der Frage der Überlichtgeschwindigkeit, des Worp-Speeds, die einfach mal unmöglich ist, auch wenn die Menschheit daran noch eine Millionen Jahre bastelt[1]). Heute hat sich die Science-Fiction gewandelt und versucht ein Mindestmaß an Anschlussfähigkeit herzustellen, das heißt, der Science-Fiction Plot muss irgendwie eine nachvollziehbare Zukunft und Technik zeigen. Claire Denis zeigt in „High Life“, jedoch, dass letztgenannten Aussage nicht immer stimmt, denn ihr Film „High Life“ ist Science-Fiction mit einer möglichst unlogischen und sozial absolut nicht nachvollziehbaren Dimension. „High Life“ weiterlesen

Jonathan Lethem – Der Stillstand

Erschien 2020 im amerikanischen Original als „The Arrest“ bei HarperCollins | deutsche Übersetzung von Ulrich Blumenbach 2024 bei Tropen mit 328 Seiten

Jonathan Lethem gehört zu den großen amerikanischen Romanautoren, die etwas zu selten auf meiner Leseliste auftauchen. Nachdem mir Chronic City als wundervoller Roman in Erinnerung geblieben ist, wollte ich mit „Der Stillstand“ einen Teil meines Freibadsommers verbringen. „Jonathan Lethem – Der Stillstand“ weiterlesen

Charles Yu – Handbuch für Zeitreisende

Erschien 2010 im englischen Original als „How to Live Safely in a Science Fictional Universe“ bei Pantheon Books | deutsche Übersetzung von Peter Robert hier vorliegend in der 2012 erschienen Taschenbuchausgabe bei rowohlt mit 272 Seiten

Im Frühjahr hatte ich auf diesen in Schwarz und Weiß gehaltenen digitalen Seiten über die Serie Interior Chinatown geschrieben und meine große Begeisterung kundgetan. Solche Begeisterung verleitet mich schnell dazu, mich mit den Machern solcher Serien auseinanderzusetzen – in diesem Fall mit Charles Yu, von dem ich wahrnahm, dass er einen Roman veröffentlicht hatte. Dieser landete daraufhin auf meiner Sommerleseliste (weil ich ihn darauf gesetzt hatte und ich auf dieser nicht immer nur alte Bekannte wiederfinden möchte). „Charles Yu – Handbuch für Zeitreisende“ weiterlesen

Knight of Cups

Regie & Drehbuch: Terrence Malick | Jahr: 2015 | Spielfilm | Länge: 118min

Der Alltag ist die Abfolge routinisierter Tätigkeiten, Aufgaben, die wir erledigen müssen, weil irgendetwas ansteht: Arbeit, Familie, Einkäufe, Arzttermine, Behördengänge, auf dem Handy nachschauen, ob die Welt, wie wir sie kennen, noch existiert, und andere Dinge, die zum Rahmenhandlungsplan der Ersten Welt gehören. Aus diesem Bewusstseinsstrom auszubrechen – etwa auf einer Wiese liegend, die Wolken beobachtend und über die eigene Existenz, den eigenen Seinszustand, die Welt oder das Nichts nachzudenken und einfach nur biologisch zu existieren – ist eine wertvolle, aber wahrscheinlich viel zu selten ausgeübte Tätigkeit des Daseins.
Wim Wenders hat versucht, dies filmisch darzustellen, und zwar im „Himmel über Berlin“. Wer diesen Klassiker gesehen hat, wird vermutlich auch an den Filmen von Terrence Malick interessiert sein. Malick schuf mit Der schmale Grat vielleicht den besten, weil existentiellsten Kriegsfilm, den ich kenne, oder mit The Tree of Life ein bildgewaltiges Werk über das Leben. 2015 legte er „Knight of Cups“ vor, einen Film, der Malicks Technik, bewegte Bilder zu zeigen und dabei eine Stimme aus dem Off reflektierende Dinge sagen zu lassen, fast schon ins Extreme treibt. „Knight of Cups“ weiterlesen

Anora

Regie & Drehbuch: Sean Baker | Jahr: 2024 | Dramedy | Länge: 139min | Location: New York City

Als ich noch Soziologie studierte (also irgendwann um und nach der Jahrtausendwende), gab es verschiedene Thesen darüber, in welchem Zustand sich unsere Gesellschaft gerade befand. Eine Diagnose war, dass unsere Gesellschaft, die aus verschiedenen Teilen mit unterschiedlichen Logiken besteht (Recht, Wirtschaft, Politik, Familie, Liebe …), zunehmend von einer wirtschaftlichen Logik durchdrungen wird. Anders gesagt: Die Logik der Wirtschaft schien mehr und mehr alle Bereiche der Gesellschaft zu erobern, und diese wurden vom ökonomischen Denken immer stärker unterjocht.
Sean Baker erzählt in seinem Film „Anora“ eine Geschichte, die dieser Diagnose irgendwie nahekommt – was ich im Folgenden für Sie, geneigter Leser, zu beschreiben versuche. „Anora“ weiterlesen

Alexander Osang – Fast hell

Erschien 2021 beim Aufbau-Verlag | hier als Taschenbuch mit 237 Seiten

Für mich ist die Wende in der DDR immer mit Fußball verbunden. Wie ich es damals mit 11 Lebensjahren gewohnt war, wollte ich mich mit meinen Freunden auf dem Spielplatz am Fichtepark zum bolzen treffen, als meine Mutter sagte, ich sollte vorsichtig sein und meinte, bei den derzeitigen Zeiten müsse man etwas aufpassen. Es war der Herbst 89, und spätestens mit dieser Bemerkung war mir mindestens unbewusst klar, dass etwas in der Luft lag, auch wenn die Fakten das schon vorher angedeutet hatten.
Gutes wie Schlechtes waren in höchster Eisenbahn in mein Leben getreten: Dynamo Dresden wurde nach 11 Jahren Vorherrschaft des verhassten BFC endlich wieder Fußballmeister (für mich bis heute noch ein indirekter Indikator für die Veränderungen in der DDR), mein bester Freund Sven ging im Sommer in den Westen (und war damit der erste Mensch, der aus meinem Leben herausgetreten ist, mein erster großer menschlicher Verlust), und ungefähr zur selben Zeit hatten wir Westfernsehen bekommen, bei mir erstmals auf dem Fernseher in Form eines Tennisspiels zu sehen, das noch schwarz-weiß auf dem Endgerät meiner Oma lief (die daraufhin übrigens Tennisfan wurde und für immer blieb). All das war noch vor den Ereignissen, als die Züge mit Flüchtlingen der Prager Botschaft durch Dresden in Richtung BRD fuhren und am Hauptbahnhof meiner Heimatstadt ein kräftiges Boheei entstand, als diese Züge vorbeifuhren. Die Wende lag quasi in der Luft, und sie war die Geburtsstunde und das prägendste gesellschaftliche Ereignis einer jeden ostdeutschen Biografie in jenen Jahren. Wenn es etwas gibt, das eine ostdeutsche Biografie ausmacht, dann ist es dieser Kontext aus gewaltigen Veränderungen, die sich für alle DDR-Bürger im Herbst 89 ereigneten. „Alexander Osang – Fast hell“ weiterlesen

Roberto Bolaño – Lumpenroman

Erschien 2002 im spanischen original „Una novelita lumpen“ bei Random House Mondadori Barcelona | deutsche Übersetzung von Christian Hansen bei Carl Hanser 2010 mit 112 Seiten

Durch einmal jährliches Ausmisten meines Kleiderschrankes möchte ich verhindern, dass sich die stolze Sammlung meiner über die Jahre zusammengekauften Kleidung in ein unübersichtliches Geflecht von Lumpen entwickelt. Ich habe diesbezüglich übrigens vor einiger Zeit angefangen, mir entsprechende Falttechniken im Internet anzueignen (ich verweise am Ende dieses Textes auf ein Beispiel), um meine Kleidung auch gehaltvoll und ordentlich dem eigenen Auge gegenüber zu präsentieren. Dieser optisch hübsche Anblick verdeckt aber, die der Kleidung zugrundeliegenden Produktionsprozesse, die ich – und hier dürfen Sie an meiner gesellschaftsmoralischen Integrität gern zweifeln, geneigter Leser – in vielen Fällen als schwierig bezeichnen würde, denn ich befürchte, viele der schnittigen und gar nicht so teuren Trikotagen werden unter, euphorisieren wir mal, ausbaufähigen Produktionsbedingungen hergestellt.
Karl Marx und Friedrich Engels prägten vor über 175 Jahren den Begriff des Lumpenproletariats, welcher sich auf die prekären Verhältnisse des ärmsten Teils der Arbeiterschaft bezieht. Die Arbeiter werden nicht wegen dem, was sie herstellen, Lumpenproletarier genannt, sondern wegen dem, was sie anhaben können. Zweifellos ist diese Form der Zustände hinweggefegt worden (was ich auch für die textilverarbeitenden Gewerbe in Asien sehr hoffe, wo meine Kleidung herzukommen scheint). Trotzdem ist auch in der Gegenwart der Begriff des Lumpenproletariats noch verständlich, bezieht er sich doch auf die wirtschaftlich schwächsten Kreise unserer Gesellschaft, die sich vielleicht nicht mehr in Lumpen kleiden, aber prozentual immer weiter entfernt vom Reichtum der Gesellschaft entfernt sind. „Roberto Bolaño – Lumpenroman“ weiterlesen

Carlos Ruiz Zafón – Das Spiel des Engels

Erschien 2001 im spanischen Original „El juego del ángel“ | deutsche Übersetzung von Peter Schwaar, erstmals 2008 bei S.Fischer erschienen, hier als Taschenbuch mit … Seiten vorliegend

Ich bin mir nicht sicher, ob man das Fensterbrett zwischen dem 1. und 2. Stock im Treppenhaus, an dessen oberen Ende sich meine Wohnungstür befindet, als Friedhof der vergessenen Bücher bezeichnen kann. Aber tatsächlich liegen dort manchmal einige, abgelegte Bücher herum. Durch mein spießbürgerliches Gemüt geprägt, bin ich kein Freund davon, Dinge, die aus irgendwelchen Gründen nicht mehr in die eigenen vier Wände passen, im öffentlichen Raum auszulagern und darauf zu vertrauen, dass irgendjemand anderes mit dem Müll (was es ja per Definition ist, wenn man es aus seinem Haushalt aussperrt) etwas anfangen kann. Jetzt sind Bücher aber etwas anderes als zum Beispiel alte Matratzen, Töpfe oder Unterwäsche (die mir tatsächlich mal ein Nachbar angeboten hat, was mich auf extrem vielen Ebenen verwunderte). Da ich ein kalorienbewusster Mensch bin, laufe ich natürlich die fünf Stockwerke meines Treppenhauses hoch (allein schon wegen der täglichen Schrittstatistik). Eines Tages erspähte ich an besagtem Fensterbrett Carlos Ruiz Zafóns zweiten Teil seiner Saga vom Friedhof der vergessenen Bücher, betitelt mit „Das Spiel des Engels“, und in fast tadellosem Zustand. Also nahm ich das Exemplar mit.
Und jetzt habe ich es gelesen. „Carlos Ruiz Zafón – Das Spiel des Engels“ weiterlesen

Swimming Pool

Regie & Drehbuch: François Ozon (Drehbuch mit Emmanuèle Bernheim) | Jahr: 2003 | Thriller | Location: eine Villa mit Pool in Südfrankreich

Eine nicht wirklich gut gepflegte Reihe auf dieser Seite nennt sich „Filmklassiker der Jahrtausendwende“, und es ergab sich – in den vollkommen unerklärlichen Zuständen meiner persönlichen Filmauswahl –, dass ich „Swimming Pool“ von François Ozon in meiner Filmdatenbank auswählte. Es ist ein Film, der schon wegen seines Titels zum Sommer passte, aber nicht im Freibad, sondern auf der heimischen Fernsehcouch geschaut wurde. Ich hatte den Film schon vor etwa 15 Jahren gesehen, und das Einzige, woran ich mich erinnerte, war ein Shift in der Perspektive des Films im Laufe der Handlung. „Swimming Pool“ weiterlesen