Alice Munro – Die Jupitermonde

Erschien 1982 im amerikanischen Original als „The Moons of Jupiter“ bei Macmillan of Canada | hier in der deutschen Übersetzung von Heidi Zernig 2016 bei Fischer Taschenbuch mit 318 Seiten

Ich dachte neulich über Listen nach und ob Alice Munro in eine persönliche Top 10 meiner Lieblingsautoren gehören würde. Ich kann mit Sicherheit sagen, dass dies der Fall ist. Wie es sich für solche ausgezeichneten Autoren gehört, möchte ich so viel von ihnen lesen, wie es geht. Das wird bei Munro eine reichhaltige Aufgabe, den von der kanadischen Nobelpreisträgerin liegen 14 Erzählbände vor! „Die Jupitermonde“ ist chronologisch gesehen, ihre fünfte herausgegebene Sammlung von Kurzgeschichten und erschien im Original 1982, ist aber die Sammlung, die ihre Bekanntheit maßgeblich förderte, wenn man Wikipedia glauben darf.

„Die Jupitermonde“ enthält elf Erzählungen, auf die ich teilweise etwas genauer eingehen möchte. Die 2. Geschichte „Dulse“ ist die Geschichte einer minimal alternden Frau, wahrscheinlich in ihren späten 30er oder 40ern Jahren. Figuren dieses Alters finden sich sehr häufig. Bei „Dulse“ beobachten wir eine Frau, auf einer eher verlassenen Insel. Sie ist in einer Pension gestrandet, in der es nur drei Bauarbeiter und einen älteren Literaturliebhaber gibt und trotzdem liegt eine gewissen Spannung in der Luft. Die „Putensaison“ ist eine Art von Weihnachtsgeschichte über ein 14-järhiges Mädchen, dass in einem Schlachtbetrieb Puten verarbeiten muss und auf sehr unterschiedliche Kollegen trifft. Danach folgt „Unfall“ eine großartige Erzählung über eine Affäre, das Schicksal und über die Dinge die man im Leben tut und das, was man im Leben nicht tut, wenn man es nicht tun müsste und wie dies den Lauf des Lebens beeinflusst. „Bardon Bus“ ist eine Erzählung über die Melancholie der Erinnerung an eine vergangene Liebesaffäre, eine Reflektion über Zweisamkeit und über die Gedanken, die wir über uns und andere denken. „Labour Day Dinner“ handelt von einer Patchwork Familie, welche zu Gast bei einem Abendessen bei Freunden ist. Sie erzählt von den Veränderungen, die Beziehungen und die Gefühle in diesen erfahren, über das Innen und Außen von diesen Beziehungen und über Macht und Zusammenhalt. „Mrs Cross und Mrs Kidd“ ist eine Story über zwei ältere Damen im Altersheim, die seit ihrer Kindheit befreundet sind. Wir lesen über die körperlichen Einbußen des Alters, aber auch über das Helfen, Sich-Selbst-Helfen und anderen zur Hilfe kommen und letztendlich, was es bedeuten kann füreinander da zu sein. „Leidensgeschichten“ behandelt ein Treffen von zwei Frauen und einem Mann, bei welchem die beiden Frauen traurig, tragische Geschichten über die Liebe erzählen. „Besucher“ ist eine Erzählung über die Unterschiedlichkeit von Menschen, von Geschwistern oder von Lebenspartnern. Munro beschreibt hier die Tatsache, dass Menschen zueinander agieren, auch wenn ihre Kommunikation miteinander oder zur Welt ganz unterschiedlich sein kann.  Die letzte Geschichte „Jupitermonde“, gleichzeitig die Titelgeschichte des Bandes, ist eine Familiengeschichte und spricht über das Leben, das Alt-Werden und die Erinnerung an das Leben und fragt was davon bleibt und wie Dinge (und sogar Fakten) sich im Laufe der Jahre (vielleicht sogar unmerklich) verändern können.

Alle elf Geschichten des Bandes haben die bekannt überragende Erzählqualität von Munro, die mich immer wieder mit ihrer leicht verwinkelten Beobachterperspektive begeistert, noch mehr aber mit der großen Zeitlosigkeit ihrer Themen, Sujets und ihrer Wortwahl, die 1982 genauso treffend ist, wie heute und die auch noch in 100 Jahren begeisterte Leser finden werden.
Auf dem Einband zum Taschenbuch wird Eva Menasse mit den Worten zitiert: „Alice Munro ist die Größte, wenn es um Erzählungen geht. Am besten liest man alles, was es von ihr gibt“. Ich habe nie etwas von Eva Menasse gelesen, aber diesen beiden Sätzen kann ich vollumfänglich zustimmen.

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