Was soll ich über einen Film sagen, der mit so vielen Hollywoodstars gespickt ist, dass man den Überblick verliert, der noch dazu in meiner (etwas weiter gefassten) Heimat gedreht wurde und der von einer Welt handelt, die mich nicht nur fasziniert und die ich versuche zu bereisen, die es aber gar nicht gibt? Diese Frage zu beantworten ist zweifelsfrei komplex, weshalb wir sie ein wenig zurückstellen.
Wes Andersons neuster Film „Grand Budapest Hotel“, der momentan in den Kinos läuft, hat für mich schon eine über ein Jahr liegende Vorgeschichte. Diese liegt zum einen darin, dass ich Filme von Anderson sehr schätze und mir seinen neusten Streifen auch angesehen hätte wenn er – und hier kommen wir zum eigentlichen Teil der Vorgeschichte – nicht gerade hauptsächlich in Görlitz gedreht worden wäre. Davon erfuhr ich bei einer Geburtstagsfeier eines sehr guten Görlitzer Freundes im Januar letzten Jahres und ich gebe zu, ich bedauerte ein wenig zu erfahren, dass die Castings für Statistenplätze schon vorbei waren, denn das wäre bestimmt ein großer Spaß geworden, mal an einem Hollywood (oder sollte ich Görlywood, sagen) Set stehen zu dürfen. Erst vor ungefähr einem Monat lernte ich bei einer Wanderung durch das Zittauer Gebirge einen weiteren Görlitzer kennen, der eine solche Statistenrolle bekam und der mir etwas vom Dreh und insbesondere von der Nach-Dreh-Fatsche erzählte und ich gebe zu, auch ich hätte gern mit Ralph Finnes angestoßen und die ein oder andere Spirituose privat mit den Stars geleert.
Jetzt sind solche Vorgeschichten immer etwas belastend für einen Film, denn man kann machen was man will, man baut eine Erwartungshaltung auf und sei es nur die Hoffnung, dass endlich einmal ein großartiger Hollywoodregisseur nach Görlitz kam mit großartigen Schauspielern und das daraus doch auch ein großartiger Film werden muss. Von dieser Erwartungshaltung konnte ich mich nicht frei machen und das war in meinem Fall nicht erfreulich.
Kommen wir zum Inhalt. „The Grand Budapest Hotel“ liegt in der Republik Zubrowka, einem fiktiven Land im Osten Europas. Der Film handelt nun davon, wie ein Schriftsteller (Jude Law) in den 1960er Jahren im etwas verfallenen Grand Budapest Hotel, das im Bergdorf Nebelsbad liegt, den Hotelbesitzer Zero Moustafa (F. Murry Abraham) kennenlernt. Dieser erzählt ihm beim Abendessen, wie er in den Besitz des Hotels gelangte. Das wiederum liegt schon einige Zeit zurück. Im Jahr 1932 fängt Zero (Tony Revolori) als Page im Hotel an und wird recht bald von Concierge Monsieur Gustave H. (Ralph Finnes) protegiert, der nicht nur ein distinguierter Vertreter des Hauses ist, sondern auch eine Vorliebe hat für blonde Seniorinnen, wie beispielsweise Madame Desgoff und Taxis (Tilda Swindon). Als diese verstirbt kommt es zu Erbstreitigkeiten, die ihr Sohn Dimitri (Adrian Brody) mit Hilfe des grobschlächtigen Helfers J.G. Jolling (William Dafoe) gegenüber Monsieur Gustave gewinnen möchte. Selbstredend verfällt Zero dabei, der Monsieur Gustave hilft die Gerechtigkeit walten zu lassen, der Konditorin Agatha (Saoirse Ronan).
Wie alle Anderson Filme, lebt auch das „Grand Budapest Hotel“ von der speziellen Optik und der damit verbundenen Atmosphäre und hier treffen wir leider wieder auf die Probleme der Vorkenntnisse. Denn die von der Optik ausgelöste Atmosphäre kann sich bei mir nur schwer einstellen. Das liegt nicht an Anderson, sondern daran, dass ich mir bei jeder zweiten Szene solche Sachen sage wie: „ach wie schön, dass ist auf der Berliner Straße in Görlitz gedreht … und das ist die Brücke bei der Malter … und dort ist Schloss Kriebstein …“ Und natürlich verschmelzen diese Orte eben nicht in meiner Fantasie zu jener Republik Zubrowka in den 1930er Jahren, sondern sie bleiben die Orte die sie sind, mit der Kenntnis das sie eine passable Kulisse bilden. Und das ist äußerst ärgerlich, denn Anderson versucht hier fantasievoll etwas zu erschaffen, dass ich bei meinen Ausflügen ins Tschechische oder auch (weniger) nach Polen irgendwie suche, die so bunt bevölkerte Welt Osteuropas vor dem 2.Weltkrieg, in welcher sich Kulturen und Sprachen mischten (zweifellos war dies damals nicht eine paradiesische Vielvölkergesellschaft, aber ihren Reiz aus heutiger Perspektive hat sie schon). Andersons Film ist eine große Hommage an diese Zeit und diesen Ort, so wie man sie vielleicht sehr schön von Stefan Zweig kennt, auf dem im Film als Inspirationsquelle verwiesen wird.
So bleibt als Fazit für mich, dass da ein phantasievoller Film vorliegt, der für meine Phantasie aber – aus oben genannten Gründen – nicht gänzlich geeignet ist. Das ist aber eher ein persönliches Versagen, als man es diesem guten Film anrechnen sollte. Wer sonst einmal ein Staraufgebot sehen will, dass zumindest meines Wissens, seines gleichen sucht, der schaue beim „Grand Budapest Hotel“ rein (ich gebe mal ein paar Beispiele: Jeff Goldblum, Harvey Keitel, Bill Murray, Edward Norton, Tom Wilkinson, Owen Wilson, Jason Schwartzman). Und auch wer einmal abtauchen will in die wilde Welt Osteuropas in den 1930er Jahren, so wie wir sie uns heute nur noch vorstellen können den liefert Wes Anderson eine wunderbare Folie auf der man weiter phantasieren kann.
Nachdem ich nun den Film bereits mehrmals gesehen habe kann ich feststellen, dass es ein großartiger, warmherziger und liebevoller Film ist. Etwas besseres kann man sich für die eigene Heimat im Film, auch wenn sie nur die Kulisse ist eigentlich gar nicht wünschen.