Erschien 2021 beim Aufbau-Verlag | hier als Taschenbuch mit 237 Seiten
Für mich ist die Wende in der DDR immer mit Fußball verbunden. Wie ich es damals mit 11 Lebensjahren gewohnt war, wollte ich mich mit meinen Freunden auf dem Spielplatz am Fichtepark zum bolzen treffen, als meine Mutter sagte, ich sollte vorsichtig sein und meinte, bei den derzeitigen Zeiten müsse man etwas aufpassen. Es war der Herbst 89, und spätestens mit dieser Bemerkung war mir mindestens unbewusst klar, dass etwas in der Luft lag, auch wenn die Fakten das schon vorher angedeutet hatten.
Gutes wie Schlechtes waren in höchster Eisenbahn in mein Leben getreten: Dynamo Dresden wurde nach 11 Jahren Vorherrschaft des verhassten BFC endlich wieder Fußballmeister (für mich bis heute noch ein indirekter Indikator für die Veränderungen in der DDR), mein bester Freund Sven ging im Sommer in den Westen (und war damit der erste Mensch, der aus meinem Leben herausgetreten ist, mein erster großer menschlicher Verlust), und ungefähr zur selben Zeit hatten wir Westfernsehen bekommen, bei mir erstmals auf dem Fernseher in Form eines Tennisspiels zu sehen, das noch schwarz-weiß auf dem Endgerät meiner Oma lief (die daraufhin übrigens Tennisfan wurde und für immer blieb). All das war noch vor den Ereignissen, als die Züge mit Flüchtlingen der Prager Botschaft durch Dresden in Richtung BRD fuhren und am Hauptbahnhof meiner Heimatstadt ein kräftiges Boheei entstand, als diese Züge vorbeifuhren. Die Wende lag quasi in der Luft, und sie war die Geburtsstunde und das prägendste gesellschaftliche Ereignis einer jeden ostdeutschen Biografie in jenen Jahren. Wenn es etwas gibt, das eine ostdeutsche Biografie ausmacht, dann ist es dieser Kontext aus gewaltigen Veränderungen, die sich für alle DDR-Bürger im Herbst 89 ereigneten. „Alexander Osang – Fast hell“ weiterlesen