Ich bin meiner Schwester zu Dank verpflichtet, denn sie schaut seit geraumer Zeit die Serie „Sopranos“ auf DVD. Nun übergab sie mir die erste Staffel mit der Bemerkung, das dies ein großes Vergnügen sei. Ich erinnere mich an meine Zeit in England kurz nach der Jahrtausendwende, als diese Serie irgendwie in aller Munde war, aber von mir nicht gesehen wurde (warum weiß ich nicht mehr, aber es ging mir dabei genauso wie mit „Six Feet Under“, was ich dann aber zum Deutschland-Start hierzulande sah und mich restlos begeisterte). Jetzt über 10 Jahre danach beginne ich mit den „Sopranos“ und stelle fest, meine Schwester hat Recht.
Es handelt sich bei den „Sopranos“ um eine italienisch stämmige Familie aus New Jersey, dessen Familienoberhaupt Tony Soprano (James Gandolfini) Chef eines lokalen Mafiaclans ist. Doch Tonys Leben läuft nicht rund, weshalb er sich Hilfe bei der Psychologin Dr.Melfi (Lorraine Bracco) holt. Keine Frage, für ein führendes Mafiamitglied ist der Besuch eines Psychotherapeuten ein schwieriges Unterfangen, denn erstens ist der Rat den er von Dr.Melfi bekommt nicht immer das was Tony hören möchte, aber noch schlimmer wäre es, wenn seine Kollegen davon wüssten, wäre doch sein Standing in der traditionellen Mafiawelt erheblich am wackeln. Seine Frau Carmella (Edie Falco) begrüßt jedoch diesen Schritt, denn die Ehe der beiden ist in die Jahre gekommen und Tonys Mafiageschichten nimmt Carmella nur hin, weil ihr damit auch ein hoher Lebensstandart zufällt. Die beiden Kinder Anthony Jr. (Robert Iler) und Meadow (Jamie-Lynn Sigler) ahnen jedoch nur, warum sich die Familie so viel leisten kann, obwohl der Vater nach eigenem Bekunden im Müllgewerbe tätig ist. Doch wie bei Mafiaclans so üblich, ist die Familie eigentlich viel größer. Da haben wir Onkel Junior (Dominic Chianese), der formal der neue Boss ist, aber von Tony nur dorthin gesetzt wurde, damit er in Ruhe im Hintergrund seinen Geschäften nachgehen kann oder Tonys Mutter Livia (Nancy Marchand), die sowohl als heimtückisch, als auch als alterssenil zu beschreiben ist und die sich ins Altersheim abgeschoben fühlt, dort aber noch für genügend Unruhe sorgt. Und wir haben die lieben Kollegen von Tony, den jungen Draufgänger Chris (Michael Imperioli) sowie Sil (Steve van Zandt), Pauli (Tony Sirico) und Pussy (Vincent Pastore), alle engste Vertraute von Tony und damit Mitglieder seiner Gang.
Als Chris Albert, der Programmchef von HBO das Konzept von „The Sopranos“ von David Chase vorgestellt wurde, fasste Albert es folgendermaßen zusammen: “They came in here and said, ‚Here’s the idea: 40-year-old guy, crossroads of his life, turmoil in his marriage, turmoil in his professional career, beginning to raise teenage kids in modern society—all the pressures of every man in his generation. The only difference is he’s the Mob boss of northern New Jersey. Oh, by the way, he’s seeing a shrink.‘” (Zitat aus wikipedia.de)
Und dieses Konzept wurde großartig umgesetzt. Zum einen weil die Serie sich natürlich an Mafia-Filmen orientiert, dabei sich aber selbstironisch immer wieder selbst einnordet. Zum anderen, weil alle Geschichten mit Witz, Charme und Spannung erzählt werden. Dabei verzichtet „Sopranos“ auf strikte Strukturen (ganz im Gegenteil zu „Six Feet Under“, dass gerade in der ständigen Selbsterfindung innerhalb seiner eigenen Struktur zu höchster Brillanz auflief), was der Serie sehr gut bekommt. Nicht jede Folge ist ein Mafia-Krimi oder ein Familiendrama. Der Soundtrack ist außerordentlich gut gewählt und die optische Umsetzung ist ansprechend (aber natürlich mit „Mad Men“, dass ja bedeutend jünger ist nicht zu vergleichen). Und natürlich sind die Schauspieler herausragend, sei es Tonys Blick, der alle Unklarheiten, wer hier der Chef ist sofort beseitigt, oder Oma Livias abwertende Handbewegung zusammen mit einem kräftigen „meehh“, die klarer als jedes Wort ausdrückt, dass eine Zustimmung zum vorher gesagten nicht in Frage kommt und überhaupt alle heute noch Lebenden ihr kräftig auf die Nerven gehen (oder zumindest die, die gerade im Raum sind).
Die Sopranos sind eine großartige Serie, die durch ihren mäßigen Erfolg in Deutschland (man muss manchmal das Gefühl haben, je besser amerikanische Serien sind, so weniger werden sie hierzulande geschaut) zur Zeit auch sehr günstig auf DVD erworben werden kann. Ich habe schon Staffel 2 begonnen!