Alexander Osang – Fast hell

Erschien 2021 beim Aufbau-Verlag | hier als Taschenbuch mit 237 Seiten

Für mich ist die Wende in der DDR immer mit Fußball verbunden. Wie ich es damals mit 11 Lebensjahren gewohnt war, wollte ich mich mit meinen Freunden auf dem Spielplatz am Fichtepark zum bolzen treffen, als meine Mutter sagte, ich sollte vorsichtig sein und meinte, bei den derzeitigen Zeiten müsse man etwas aufpassen. Es war der Herbst 89, und spätestens mit dieser Bemerkung war mir mindestens unbewusst klar, dass etwas in der Luft lag, auch wenn die Fakten das schon vorher angedeutet hatten.
Gutes wie Schlechtes waren in höchster Eisenbahn in mein Leben getreten: Dynamo Dresden wurde nach 11 Jahren Vorherrschaft des verhassten BFC endlich wieder Fußballmeister (für mich bis heute noch ein indirekter Indikator für die Veränderungen in der DDR), mein bester Freund Sven ging im Sommer in den Westen (und war damit der erste Mensch, der aus meinem Leben herausgetreten ist, mein erster großer menschlicher Verlust), und ungefähr zur selben Zeit hatten wir Westfernsehen bekommen, bei mir erstmals auf dem Fernseher in Form eines Tennisspiels zu sehen, das noch schwarz-weiß auf dem Endgerät meiner Oma lief (die daraufhin übrigens Tennisfan wurde und für immer blieb). All das war noch vor den Ereignissen, als die Züge mit Flüchtlingen der Prager Botschaft durch Dresden in Richtung BRD fuhren und am Hauptbahnhof meiner Heimatstadt ein kräftiges Boheei entstand, als diese Züge vorbeifuhren. Die Wende lag quasi in der Luft, und sie war die Geburtsstunde und das prägendste gesellschaftliche Ereignis einer jeden ostdeutschen Biografie in jenen Jahren. Wenn es etwas gibt, das eine ostdeutsche Biografie ausmacht, dann ist es dieser Kontext aus gewaltigen Veränderungen, die sich für alle DDR-Bürger im Herbst 89 ereigneten. „Alexander Osang – Fast hell“ weiterlesen

T.C. Boyle – Die Frauen

Erschien 2009 im amerikanischen Original als „The Women“ | in deutscher Übersetzung von Dirk von Gunsteren und Kathrin Razum | hier vorliegend als dtv Taschenbuch mit 560 Seiten

Es gibt Buchtitel, die nach einem kurzen Blick für schnelle Aufmerksamkeit sorgen, weniger vielleicht bei mir, mehr bei Menschen, die nur mal geschwind wissen wollen, was der Gegenüber liest (ich kenne das Bedürfnis, ich schaue auch gern – beispielsweise im Freibad oder in der Bahn – darauf, was andere Menschen so lesen, wobei mich weniger der Titel des Werks interessiert, sondern mehr die Autorenschaft). So geschah es, bei meiner Sommerlektüre von T.C. Boyles 12.Roman aus dem Jahr 2009, mit dem griffigen Titel: „Die Frauen“, dass insbesondere gerade genanntes Geschlecht mir verwunderte Blicke und eine gewissen Ablehnung kenntlich machte, wegen meines Buches und ich fühlte mich ein wenig, als wenn die fragenden Blicke mir vorwerfen würden, ich würde ein Machwerk über das „andere Geschlecht“ studieren (was auch immer dann der Inhalt dieses Werkes wäre). „T.C. Boyle – Die Frauen“ weiterlesen

Jürgen Neffe – Einstein. Eine Biografie

Erschien: 2005 bei Rowohlt | hier vorliegend als Taschenbuch (2006) mit 496 Seiten

Ich bin eigentlich kein großer Freund von Biografien. Jedoch entwickle ich mich mit zunehmendem Alter zu einem Interessierten der Physik. Das hätte ich mir in der 10.Klasse mal nicht erträumen lassen, als ich Physik für die Sekundarstufe 2 abwählte, weil ich vermutete, die Teilnahme an diesem Fach könnte mich das angestrebte Abitur kosten, denn die Gefahr an einer Naturwissenschaft zu scheitern, erschien mir beträchtlich und kombiniert mit meiner Faulheit und unzureichenden Auffassungsgabe, war für mich – in der Bundesligaterminologie gesprochen – jedes Jahr ein Kampf, um den Klassenerhalt und da muss man sehen, wie man seine Schäfchen elegant ins Trockene bringt. Tatsächlich habe ich dann zwei Jahre später das Abitur geschafft, aber ganz richtig fühlt sich der Schritt Physik abzuwählen heute trotzdem nicht mehr an.
Mein Opa schenkte mir vor Jahren zu Weihnachten eine Biografie über Albert Einstein, dem nicht nur bekanntesten, sondern sicherlich auch wichtigsten Naturwissenschaftler des 20.Jahrhunderts. Im Zuge meiner sich langsam steigernden Affirmation zur Welt der Physik, dachte ich mir das Studium einer Biografie Einsteins schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe, nicht nur würde ich etwas über den großen Meister und sein Leben erfahren, ich würde wohl auch etwas zu seinem Werk lernen können und dass hoffentlich auf einer Abstraktionsebene, welche einen Lichtpunkt in die dunkle Materie meines Geistes setzen könnte. „Jürgen Neffe – Einstein. Eine Biografie“ weiterlesen