Erschien 2001 im spanischen Original „El juego del ángel“ | deutsche Übersetzung von Peter Schwaar, erstmals 2008 bei S.Fischer erschienen, hier als Taschenbuch mit … Seiten vorliegend
Ich bin mir nicht sicher, ob man das Fensterbrett zwischen dem 1. und 2. Stock im Treppenhaus, an dessen oberen Ende sich meine Wohnungstür befindet, als Friedhof der vergessenen Bücher bezeichnen kann. Aber tatsächlich liegen dort manchmal einige, abgelegte Bücher herum. Durch mein spießbürgerliches Gemüt geprägt, bin ich kein Freund davon, Dinge, die aus irgendwelchen Gründen nicht mehr in die eigenen vier Wände passen, im öffentlichen Raum auszulagern und darauf zu vertrauen, dass irgendjemand anderes mit dem Müll (was es ja per Definition ist, wenn man es aus seinem Haushalt aussperrt) etwas anfangen kann. Jetzt sind Bücher aber etwas anderes als zum Beispiel alte Matratzen, Töpfe oder Unterwäsche (die mir tatsächlich mal ein Nachbar angeboten hat, was mich auf extrem vielen Ebenen verwunderte). Da ich ein kalorienbewusster Mensch bin, laufe ich natürlich die fünf Stockwerke meines Treppenhauses hoch (allein schon wegen der täglichen Schrittstatistik). Eines Tages erspähte ich an besagtem Fensterbrett Carlos Ruiz Zafóns zweiten Teil seiner Saga vom Friedhof der vergessenen Bücher, betitelt mit „Das Spiel des Engels“, und in fast tadellosem Zustand. Also nahm ich das Exemplar mit.
Und jetzt habe ich es gelesen.
David Martin ist ein Schriftsteller, dessen Begabung er jedoch mit billigen Krimis über die dunklen Ecken seiner Heimatstadt Barcelona vergeudet. Sein Verlag, bestehend aus zwei Geldabschneidern und einer bissigen Sekretärin, besteht auf regelmäßig neu eintreffenden Manuskripten, die zu schnellem Geld gemacht werden sollen. Die Arbeitslast für David ist enorm, und er leidet gesundheitlich sehr stark unter dem vielen Schreiben. Da kommt das Angebot eines französischen Verlegers, der ihm die Unsumme von 100.000 Franc (wir sind in den frühen 1930er Jahren) für ein Auftragswerk anbietet, das in einem Jahr fertiggestellt werden soll. David willigt ein, und plötzlich verändert sich die Welt, aber sein neuer Auftrag erscheint eine dunkle Note zu bekommen.
Zafóns zweites Buch aus der Reihe „Der Friedhof der vergessenen Bücher“ ist eine Art Prequel zu „Der Schatten des Windes“. Wie schon beim Vorgänger lassen sich die mehreren hundert Seiten flott lesen. Garniert wird alles mit manchmal sehr humorvollen und intelligenten Sätzen. Doch je tiefer man in die Handlung eintaucht, desto simpler wird die Geschichte, was beim Lesen zunehmend stört. Dies steigert sich in einer Art Handlungsschleife während der letzten 200 Seiten, die ziemlich gekünstelt wirkt. Dadurch wird die Erzählgeschwindigkeit seltsam rasant und passt wenig zum Rest der im ersten Teil des Buches wohl temperierten Erzählung. Aus Krimigesichtspunkten vernebelt zwar die abschließende Schleife etwas die eigentliche Haupthandlung, die immer diffuser wird und schließlich in einem Ende mündet, bei dem man nicht recht weiß, was man mit der etwas künstlichen Konstruktion anfangen soll. Trotzdem ist „Das Spiel der Engel“ gute Unterhaltung, besonders für alle Fans der Stadt Barcelona (wobei man sich wirklich gut auskennen muss, um aus dem Krimi viel über die Stadt mitzunehmen) und noch mehr für alle, die Krimis mit einer Brise Mystery mögen.