Peter Stamm – Das Archiv der Gefühle

Aus der Reihe: aus fremden Regalen

Erschien 2021 bei S.Fischer Verlag mit 190 Seiten

Ich stelle zunehmend fest, dass mich die Romane und Erzählungen des Schweizers Peter Stamm auch auf einer weiteren Ebene interessieren. Neben seiner klaren Sprache und seiner realistischen, aber stets ruhigen und angenehm unspektakulären Erzählweise haben seine Geschichten eine Tiefe, die aus seinen Texten eine Fundgrube über Weltsichten und das Leben an sich werden lässt. „Peter Stamm – Das Archiv der Gefühle“ weiterlesen

T.C. Boyle – Talk Talk

Erschien im amerikanischen Original 2006 bei Viking | deutsche Übersetzung von Dirk von Gunsteren hier vorliegend als dtv Taschenbuch von 464 Seiten

So ziemlich genau vor einem halben Jahr (und in einem halben Jahr) war die Vorweihnachtszeit, und solche Jahreszeiten ermuntern das konsumfreudige Gemüt fast noch ein kleines bisschen mehr, die hart verdienten Groschen vom eigenen Konto in den wirtschaftlichen Kreislauf zurückzuführen. In jenen Tagen sah ich im „Zweitbuch“ Wiesbaden zwei Romane von T.C. Boyle. Während Roman eins, eine aktuelle Ausgabe des amerikanischen Meisters, über den Umweg Weihnachtsgabe in mein Bücherregal fand (und sich auch auf diesem Blog schon findet), war Roman zwei quasi eine Tsondoku-Inspiration, die sich aus der Motivation speiste, dass ich irgendwann einmal alle T.C. Boyle-Romane in meinem Bücherregal begrüßen möchte.[1]

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Benjamin Labatut – Maniac

Erschien 2023 im englischen Original „The Maniac“ bei Penguin Press | deutsche Übersetzung von Thomas Brovot als hier vorliegendes Taschenbuch 2024 bei Suhrkamp mit 397 Seiten

Man kann noch nicht sagen, wohin uns die Entwicklung tragen wird. Werden wir in 20 Jahren alle nur noch vor Geräten sitzen und mit einer Künstlichen Intelligenz interagieren? Wird unsere direkte Sozialität untereinander verschwinden, weil es viel angenehmer, weniger störend und befriedigender sein wird, nur noch mit einer KI zu sprechen, die uns kennt und genau weiß, wie sie eine Kommunikation mit uns zu führen hat?
Oder wird es KI in 20 Jahren nicht mehr geben, weil sie uns als Menschheit stört, nicht hilft oder alles viel komplizierter macht? Das sind sicherlich extreme Pole einer Zukunft, von der wir heute vielleicht nur ahnen können, wie dynamisch sie sein wird. „Benjamin Labatut – Maniac“ weiterlesen

Alexander Osang – Die Leben der Elena Silber

Erschien 2019 bei S.Fischer | hier als Fischer Taschenbuch mit 624 Seiten

Ich habe soeben bemerkt, dass auf diesem bescheidenen Blog keine Möglichkeit vorhanden ist, nach Familienromanen zu suchen, was die Begrenztheit der hier vorliegenden Nullen und Einsen objektiv gut sichtbar macht. Bei Familienromanen fallen mir zumeist nur amerikanische Autoren ein, allen voran natürlich Jonathan Franzen. Meine Freude war daher groß, als ich im Zuge des vergnüglichen Drangs der Abarbeitung eigener Leselisten, auf die sich besonders Autoren drängen, von denen ich meine, viel von ihnen lesen zu wollen, einen Familienroman von Alexander Osang fand. Ich muss Ihnen – geneigter Leser – nicht nochmal erklären, dass Osang seit einiger Zeit zu meinen Lieblingsautoren gehört, nicht nur, weil er brillant und humorvoll schreibt, sondern weil mir seine Erzählperspektive – qua gemeinsamer Herkunft – sehr gefällt. In seinem (5.) Roman porträtiert er ein ganzes Jahrhundert zwischen Deutschland und Russland. „Alexander Osang – Die Leben der Elena Silber“ weiterlesen

Peter Stamm – In einer dunkelblauen Stunde

Erschien 2023 bei S.Fischer mit 254 Seiten

Wie schon vor langer Zeit an dieser Stelle erwähnt, hörte ich das erste Mal in meinem Leben von Peter Stamm bei einer Lesung. Das ist Jahre her, aber im letzten Herbst hatte ich die Möglichkeit Stamm nochmals in Dresden anzuhören, als er zwei neue Kurzgeschichten anlässlich des Literaturfestivals in der Stadt vorlas. Da wurde mir klar, dass ich einen weiteren Roman von ihm gern auf meiner Leseliste sehen würde und entschied mich für „In einer dunkelblauen Stunde“. „Peter Stamm – In einer dunkelblauen Stunde“ weiterlesen

Javier Marías – Tomas Nevinson

Erschien 2021 unter diesem Titel im spanischen Original | deutsche Übersetzung von Susanne Lange 2022 bei S. Fischer veröffentlicht, hier in der Taschenbuchausgabe mit 736 Seiten

Viele Erinnerungen im Leben sind aus längst vergangenen Zeiten, deren Historie näher erscheint als sie war. Wir denken an Sachen zurück und überlegen, wann das war, rechnen nach und bemerken mit Überraschung, der manchmal eine Note Bitterness anhaftet, dass dieses Ereignis jetzt schon so viele Jahre zurück liegt. Manchmal ist aber das Gegenteil der Fall.
Als ich Javier Marías Roman „Berta Isla“ lass, war ich überzeugt davon, ganz schnell mit „Tomás Nevinson“ weiterlesen zu müssen, da mir dieser Roman von Javier Marías, als Weiterführung der Geschichte von Berta und Tomas erschien. Tatsächlich vergingen „nur“ zwei Jahre, die mir wie fünf vorkamen, als ich in diesen Februar, endlich zu „Tomas Nevinson“, dem leider letzten veröffentlichten Text, des großen spanischen Romanciers Marias gegriffen habe. Ich war mir ziemlich sicher, dass wir die Liebes- und Lebensgeschichte von Berta Isla nun gespiegelt bekommen, aus der Perspektive ihres Mannes.
Doch Marias bemerkt selbst, dass Tómas Nevinson nicht wirklich eine Fortsetzung ist“, sondern dass beide Geschichten ein „Paar“ bilden. Anders formuliert könnte man sagen, dass sich der gleiche Kontext einer Erzählung, als Hintergrund des Titelhelden dient, aber es sich eigentlich um ein anderes Sujet handelt. „Berta Isla“ ist ein Roman über die große, einzigartige Liebe, das Warten, den Verlust und das unabhängige Einrichten im Leben. „Tómas Nevinson“ hingegen ist kein Roman über die Liebe (denn sie spielt nur am Rande eine Rolle, ist eher ein Fundament, oder vielleicht nur eine Hoffnung), sondern ein Agententhriller, der über die alte Geheimdienstfrage, die sich schon James Bond stellte, nachdenkt; Leben lassen, oder lieber abmurksen. „Javier Marías – Tomas Nevinson“ weiterlesen

T.C. Boyle – Blue Skies

Erschien 2003 im englischen Original gleichen Titels | in deutscher Übersetzung von Dirk van Gunsteren 2023 bei Hanser mit 400 Seiten

Als ich im November mal wieder in meinem liebsten Buchladen Hessens in Wiesbaden stöberte, waren Vermittler des Weihnachtsmannes mit mir und es ergab sich, dass ich T.C. Boyles neuesten Roman zum Zweitbuch-Preis erspähte und ich den Helfern des Weihnachtsmanns vermitteln konnte, dieses Buch wäre für meinen Platz unterm Christbaum gerade richtig.

Ich stellte diesen Wunsch an die höchste Instanz, die Geschenke in diesem Erdteil haben, weil ich a; ein großer Freund der Literatur Boyles bin und b; mir der Roman „Blue Skies“ in einem Podcast meiner Wahl kurz lobend unterkam. Er wurde dort im Zusammenhang mit Literatur über den Klimawandel angeteasert. So groß auch das kurze Lob im Podcast war, möchte ich mein Urteil an dieser Stelle vorwegnehmen, „Blue Skies“ ist einer der schwächeren Romane von Boyle. „T.C. Boyle – Blue Skies“ weiterlesen

Christian Kracht – Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten

Erschien 2008 bei Kiepenheuer & Witsch | hier vorliegend im dtv Taschenbuch mit 150 Seiten

Es ist eine ganze Menge Wasser an den neuen, von den Abrissbauarbeiten der Ruine der Carolabrücke ausgelösten, Stromschnellen der Elbe heruntergeflossen, seit ich meinen letzten Roman beendet habe. Das lag zu großen Teilen an jeder Menge Sachbücher, die ich in völliger Ignoranz meines diesjährigen (letztlich vollkommen verfehlten) Tsonduku-Anspruches erworben und ansatzweise gelesen habe, aber an dieser Stelle nicht mehr besprechen möchte. „Christian Kracht – Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten“ weiterlesen

T.C. Boyle – Die Frauen

Erschien 2009 im amerikanischen Original als „The Women“ | in deutscher Übersetzung von Dirk von Gunsteren und Kathrin Razum | hier vorliegend als dtv Taschenbuch mit 560 Seiten

Es gibt Buchtitel, die nach einem kurzen Blick für schnelle Aufmerksamkeit sorgen, weniger vielleicht bei mir, mehr bei Menschen, die nur mal geschwind wissen wollen, was der Gegenüber liest (ich kenne das Bedürfnis, ich schaue auch gern – beispielsweise im Freibad oder in der Bahn – darauf, was andere Menschen so lesen, wobei mich weniger der Titel des Werks interessiert, sondern mehr die Autorenschaft). So geschah es, bei meiner Sommerlektüre von T.C. Boyles 12.Roman aus dem Jahr 2009, mit dem griffigen Titel: „Die Frauen“, dass insbesondere gerade genanntes Geschlecht mir verwunderte Blicke und eine gewissen Ablehnung kenntlich machte, wegen meines Buches und ich fühlte mich ein wenig, als wenn die fragenden Blicke mir vorwerfen würden, ich würde ein Machwerk über das „andere Geschlecht“ studieren (was auch immer dann der Inhalt dieses Werkes wäre). „T.C. Boyle – Die Frauen“ weiterlesen

Alexander Osang – Königstorkinder

Erschien 2010 bei S.Fischer, hier in der Taschenbuchausgabe von 2012 mit 336 Seiten

Wie bereits einmal an dieser Stelle erwähnt, habe ich großen Gefallen an Literatur von Alexander Osang gefunden, weshalb sein 2010 erschienener Roman „Königstorkinder“ für meine sommerliche Leseliste beschafft wurde. Was ich beim Erwerb des Buches nicht wusste, war dass der Inhalt durchaus einen biografischen Bezug hat, mit meinem Leben in jenen Jahren.

Andreas Hermann ist Anfang 40 und in seiner beruflichen Karriere in einer Beschäftigungsstelle angekommen. Es ist also noch Luft nach oben für den nächsten Karrieresprung. In seiner kleinen Wohnung im Prenzlauer Berg hat er einen alten Schreibtisch aus einer Haushaltsauflösung eines verstorbenen Professors eingelagert. In diesem findet er ein schwarzes Tagebuch, was der Professor in seinen letzten Monaten verfasste, als dieser wusste, dass er unheilbar erkrankt war. Dieses Fundstück teilt Andreas mit Ulrike, einer verheirateten Frau aus der begüterten Nachbarschaft, in welche er sich verliebt hat. „Alexander Osang – Königstorkinder“ weiterlesen