(im japanischen Original: Aku wa Sonzai Shinai) | Jahr: 2023 | Regie & Drehbuch: Ryūsuke Hamaguchi | Spielfilm | 106min |
Schon lange stand bei mir Ryūsuke Hamaguchis (dem Regisseur des von mir am besten befundenen Films des Jahres 2022; „Drive My Car“) neuester Spielfilm auf der Watchlist „Evil Does Not Exist“. 2023 beim Filmfestival von Venedig uraufgeführt, gewann er dort den 2.Preis (wenn man das so sagen kann, genau genommen war es der „Silberne Löwe“) hinter „Poor Things“. Nun ergab es sich, dass ich auf einen neuen Streamingdienst aufmerksam wurde, der hauptsächlich alternative Titel im Angebot hat. Da auch „Evis Does Not Exist“ dazu gehörte, stand einem Probe-Abo nichts mehr im Weg.
Wir sind in einer bergigen und waldreichen Gegend, irgendwo in der japanischen Provinz, wo Takumi (Hitoshi Omika) und seine schulpflichtige Tochter Hana (Ryo Nishikawa) leben. Hana geht lieber allein die Natur erkunden, als mit den Mitschülern zu spielen. Eines Tages kommen zwei Vertreter einer Agentur in das Dorf, um mit den Einwohnern darüber zu sprechen, dass hier eine Glamping Anlage (eine Art Edelcampingplatz) errichtet werden soll. Bei der Besprechung der Details wird den Dorfbewohnern schnell bewusst, dass sich mit dieser Anlage einige Gefahren für die Umwelt der sensiblen Natur ergeben, während den beiden Agenten, den verhinderten Schauspielern Takahashi Keisuke (Ryuji Kosaka) und Mayuzumi Yuuko (Ayaka Shibutani) klar wird, dass die Umsetzung des Projekts kompliziert werden könnte, besonders in der Aushandlung, was ihre Chefs verlangen und die Einwohner für notwendig halten.
„Evil Does Not Exist“ ist wie ein Abtauchen in die Natur. In sehr langsamen Kamerafahrten führt uns Regisseur Hamaguchi in das Leben mit der Schönheit der Landschaft der Berge ein. Seine Bilder beeindrucken ähnlich wie schon bei „Drive My Car“, hier aber sind die Einstellungen noch weitaus langanhaltender. Die Story des Films zieht sich ähnlich wie ein beruhigender Waldspaziergang und man ist geneigt zu glauben, dass das Böse tatsächlich nicht existiert auf dieser Welt, bis wir an das Ende gelangen (was etwas kontraintuitiv gefühlt, erstaunlich schnell erreicht wird). Final überschlagen sich die Ereignisse und man bleibt fast verwundert zurück und ich kann mir vorstellen, dass einige Zuschauer insbesondere mit diesem Ende hadern, weshalb ich eine Interpretation anbieten möchte (Achtung SPOILER!).
Man sollte die letzten 15 Minuten von „Evil Does Not Exist“ nicht zu sehr als konkrete Handlungen interpretieren, oder anders gesagt, aus dem Spielfilm wird in der letzten Viertelstunde eigentlich kein tödlicher Krimi. Vielmehr ist es eher ein symbolischer Kampf zwischen der Reinheit (der Natur) hier in der Figur von Hana und der einschmeichelnden Penetranz der Kommerzialisierung (in der Figur von Takahashi Keisuke) in welcher sich Takumi plötzlich wiederfindet. Das findet auch in den Bildern Ausdruck. Der Film versucht die Natur nicht als Postkartenmotiv zu inszenieren, sondern als Ort der Reinheit, Ruhe und im Einklang mit dem dörflichen Leben. Die Bilder zeigen gerade nicht spektakuläre Bergformationen, sondern Wald, Bäche und Wiesen. Sehr originell ist die Idee des Skripts, dass die Gefahr für die ungestörte Natur und den Ort aus einer neuen Anlage entsteht, welche auf kommerziellem Wege versucht, dass in der Natur-Sein zu simulieren.
Schaut man aber den Film als realistische Handlungsfolge an, so sind einige Schwächen nicht wegzudiskutieren und das Ende ist eher schwer erklärlich. Aber auch vorher schon ist nicht klar, wieso bei der Auseinandersetzung zwischen Clamping Betreiber und Dorfgemeinschaft so rein gar nicht auf institutionalisierte Reglungen verwiesen wird, denn Umweltgesetze muss es auch in Japan geben und nicht jeder neue Besitzer kann machen, was er möchte. „Evil Does Not Exist“ hinterlässt ein eher gemischtes Gefühl bei, einen sehr symbolisch geladenen Film, der insbesondere in der Inszenierung von Natur seine Stärken hat.