Philip Roth – Nemesis

Wir schreiben den heißen Sommer 1944. Die Jungs und ein paar Mädchen, des hauptsächlich von Juden bewohnten Viertels Weequahic in Newark, spielen auf dem Sportplatz. In der Umgebung hat es schon einige Fälle von Polio gegeben, der Krankheit für die es bis in die 1950er Jahre keine Impfung gab, die in schlimmen Fällen zur Verstümmlungen von Gliedmaßen oder gar zum Tode führen kann und die bevorzugt bei jungen Menschen auftritt, weshalb auch der Name „Kinderlähmung“ für die Krankheit gebräuchlich ist.
Bucky Cantor, ein dreiundzwanzigjähriger Sportlehrer, der wegen seiner starken Sehbehinderung nicht zur Armee und damit auch nicht in den 2.Weltkrieg ziehen musste, wie seine beiden besten Freunde, hat die Oberaufsicht auf den Sportplatz. Er wird von den Jungen auf dem Sportplatz wegen seiner ruhigen und sportlichen Art geliebt und gilt als großes Vorbild, weil er nicht nur unverwundbar und besonnen wirkt, sondern stets Pflichterfüllung und Verantwortung für die Kinder und Jugendlichen ausstrahlt.
Eines Tages erreichen einige ungestüme Jugendliche aus einem italienischstämmigen Viertel den Sportplatz und provozieren mit der eigentlich nicht ernstzunehmenden Behauptung, hier die Polio einschleppen zu wollen. Bucky bleibt ruhig und kann sie Kraft seiner natürlichen Autorität vertreiben. „Philip Roth – Nemesis“ weiterlesen

T. C. Boyle – Wassermusik

Es sind turbulenten Zeiten, in die uns T.C. Boyles Debütroman aus dem Jahr 1982 einlädt. Er führt uns in die Epoche kurz nach der französischen Revolution, wobei sich der Blick auf England richtet. Dort überzeugt Mungo Park die hiesige Afrikagesellschaft, der richtige Kandidat zu sein für eine waghalsige Expedition auf den schwarzen Kontinent. An der Wende zum 19. Jahrhundert war der Fluss Niger, übrigens der Drittlängste des Erdteils, zwar in Europa bekannt, aber kein Weißer war je zu ihm vorgestoßen und man war sich geografisch vollkommen unschlüssig, wohin dieser geheimnisvolle Strom fließen würde. Vorherige Expeditionen war aus diversen Gründen gescheitert – jedoch immer tödlich gescheitert –  und so ruhen die Hoffnungen auf den jungen Schotten Parks, der seine Verlobte Allie in Nord-Britannien zurücklässt, um sich ins afrikanische Abenteuer zu stürzen, wo er die Hilfe von Johnson in Anspruch nehmen kann, einen durch seine, teilweise sehr tragischen Lebensumstände, mit der europäischen Kultur in intensiven Kontakt gekommenen, Mandingo-Einwohner.
Ned Rise wiederum lebt auf den Straßen Londons, auf denen es in jenen Jahren hart, rau und schmutzig zuging. Seine notleidende Kindheit macht ihn erfinderisch und so lebt und überlebt er den keinesfalls einfachen Alltag der Jahrhundertwende. Doch immer wenn sich für ihn ein Ausweg aus Armut und Hunger zu eröffnen scheint, stürzt er wieder in ein anderes Unglück, denn sein größtes Talent scheint zu sein, zu überleben. „T. C. Boyle – Wassermusik“ weiterlesen

Jonathan Letham – Der Garten der Dissidenten

Es sind diese 1€ Wühlkisten, die mich anziehen. Allerdings nur, wenn Bücher zu erwühlen sind. Als Kind habe ich Papier beim Sero-Händler abgegeben und dafür sogar Geld bekommen. Heute bin ich mir nicht mehr sicher, ob der Wert des Papiers nicht schon höher ist, als der Preis jedes einzelnen Buches. Das stimmt nachdenklich über die Marktwirtschaft, macht mich als Kunden aber froh, vielleicht kann ich etwas Billiges erwühlen. Nachteil der 1€ Wühlkiste, neben der fehlenden Übersicht und Ordnung, ist die große Anzahl an Büchern, bei denen mir klar ist, warum sie keiner kaufen will, wobei man dann gegen rechnen muss, dass im gegenwärtigen Kapitalismus Produkte verkauft werden, bei den man nicht für möglich halten würde, dass tatsächlich auch nur ein einziger Cent dafür transferiert wird.

Doch da – Jonathan Letham – Amerikaner – Könnte was sein – Ich treten einen Schritt zurück (Bücherwühlkisten sind nie besonders belegt) und studiere schnell seinen wikipedia-Eintrag – Oha, Nachfolger von David Foster Wallace an Pomona College für Creative Writing – Überzeugt, ab zur Kasse! „Jonathan Letham – Der Garten der Dissidenten“ weiterlesen

Martin Walser – Brandung

Einige Jahre sind nach der Lektüre von „Ein fliehendes Pferd“ von Martin Walser ins Land gegangen und seit diesem Zeitpunkt war meine Aufmerksamkeit auf seinen Roman „Brandung“ gelegt worden, denn die Geschichte der beiden Hauptcharaktere Helmuth und Sabine Halm wird darin wieder aufgenommen. Diesmal jedoch verbringen die Beiden keinen Urlaub am Bodensee, sondern gehen für mehrere Monate nach Kalifornien.
Helmuths alter Studienfreund Rainer Meersjohann bittet ihn kurzfristig für ein Semester einzuspringen, da die eigentlich vorgesehene Lehrkraft nach dem Besuch eines privaten Skatabends der anderen Lehrkräfte kurzfristig abgesprungen ist. Obwohl Sabines Mutter erst vor kurzen einem Krebsleiden erlag, gelingt es den Plan umzusetzen und an der Westküste der USA das Leben in Deutschland, wann auch nur für eine Zeit, hinter sich zu lassen, was insbesondere den mittlerweile 55-jährigen Helmuth entgegen kommt, denn seine Existenz als Lehrer an einem Stuttgarter Gymnasium ärgerlich anstrengend geworden ist, da ihm die Kollegenschaft, insbesondere Vizedirektor Kiderlen mit ihrer frischen Art nerven. Helmuth, Sabine und die jüngst von ihrem Lebenspartner verlassene und daher zu Antriebslosigkeit neigende Tochter Lena fliegen nach Oakland und können dort in einem etwas eigenwillig eingerichteten Professorenhaus wohnen. Der Neustart kann beginnen! Meersjohann jedoch, den Helmuth als strahlenden Lebemann in Erinnerung hatte, ist zu einem dicklichen Alkoholiker geworden, dessen Ehe gescheitert ist. Die zwei Kurse an der wundervoll gelegenen Universität, die Halm übernimmt, verlaufen nicht wirklich schlecht und schließlich ist da die 22-jährige Fran, deren Verhalten ihr Dozent als Avancen liest und sich dabei gleichzeitig Hals über Kopf in seine Studentin verliebt. Und so springt Helmuth beim ersten Familienausflug ans Meer in den Pazifik und die Brandung erwischt ihn voll, wirbelt ihn durchs Wasser und spült ich ihn wieder am Strand aus. „Martin Walser – Brandung“ weiterlesen

Paul Auster – Sunset Park

Ein Zwischentext! Nachdem mir im letzten Jahr Paul Austers „Unsichtbar“ sehr gefallen hat und in diesem Jahr sein recht umfangreiches Werk „4321“ von der Kritik scheinbar positiv angenommen wurde, dachte ich daran mich diesem neuesten Werk des Meisters aus New York anzunähern, durch die Lektüre von, „Sunset Park“, erschienen 2010, dem Roman der zwischen dem Erscheinen der beiden erstgenannten liegt.

Miles Heller räumt in Florida Wohnungen aus, die durch die Immobilenkrise von ihren Bewohnern aufgegeben werden mussten. Es ist eine traurige Tätigkeit, die zum 28-järhigen aber gut passt, denn er lebt ein verlassenes Leben. Vor 7 Jahren hat er seine Eltern in New York zurückgelassen und ist ohne ein Wort des Abschieds gegangen. Zu sehr lasteten die Erinnerungen an den Tod seines Stiefbruders auf ihm, an dem er sich eine Mitschuld gibt. Der Lichtstrahl in seinem Leben ist Pilar, eine 17-jährige Highschool Schülerin, in die sich Miles verliebt hat. Doch in ihrem Alter liegt ein Problem, denn es wird von Pilars ältester Schwester als Druckmittel benutzt, um Miles zu erpressen. Also muss eine Lösung her und die heißt wiederum; weggehen. Es treibt Miles zurück nach New York, da er dort von seinem alten Kumpel Nate das Angebot erhalten hat, ein leerstehendes Haus in Sunset Park zu besetzen. „Paul Auster – Sunset Park“ weiterlesen

Christoph Hein – Landnahme

Bernhard Haber ist ein schweigsamer und schulisch leistungsschwacher Schüler. Trotzdem hat er eine beachtliche Präsenz, niemand in der Klasse würde sich mit ihm anlegen, obwohl man es allzu gern täte, denn ein Merkmal ist es, das ihn scheinbar am besten beschreibt und gleichzeitig zum großen Außenseiter macht, in den 1950er Jahren im kleinen fiktiven Städtchen Guldenberg an der Mulde: er ist ein aus Schlesien vertriebener Umsiedler.

In Christoph Heins 2004 erschienenen Roman „Landnahme“ wird ein Großteil des Lebens eines Vertriebenen erzählt, der noch in Kindheitstagen aus Breslau nach Sachsen kommt, mit einem behinderten, einarmigen Vater, der als Tischler kaum mehr arbeiten kann und deren gemeinsam größtes Problem vielleicht nicht einmal die große Armut ist, in welcher sie leben, sondern das sie keine Heimat mehr haben und das der neue Lebensort sie argwöhnisch und feindlich begrüßt und ihnen klar machen möchte, ihr seit hier Fremde – und Fremde sind nun mal keine Einheimischen. „Christoph Hein – Landnahme“ weiterlesen

Marc-Uwe Kling – Qualityland

Dystopien sind ein gern genutztes Genre, um heutige Entwicklungen kritisch zu durchleuchten, um sie in einer entfernten Zukunft zu spiegeln. Interessanterweise sind sie weitaus jünger als Utopien, die einen fiktiven Nicht-Ort, ein herbeigewünschtes Nirgendwo beschreiben. Dystopien tauchen erstmals seit der industriellen Revolution auf und in den letzten Jahren scheint diese Gattung durchaus Konjunktur zu haben, was vielleicht dafür spricht, dass wir in bewegenden Zeiten leben. „Marc-Uwe Kling – Qualityland“ weiterlesen

Juli Zeh – Nullzeit

Die Schönheit Lanzarotes sieht Sven schon lange nicht mehr, wenn er sie denn je beachtete. Seit fast 14 Jahren ist er Tauchlehrer auf der Kanareninsel und betreibt eine Tauchschule mit angeschlossenem Gästehaus in einem abgelegenen Teil des Archipels, gemeinsam mit seiner Jugendfreundin Antje. Bald wird er 40 Jahre alt werden und für seinen Geburtstag hat er sich etwas Besonderes ausgedacht. Er möchte auf 80m Tiefe steigen und ein altes Schiffswrack erkunden, was nahezu unbekannt vor der Insel auf Grund liegt. Doch vorher muss er noch einen Großauftrag abarbeiten. Die Schauspielerin Jola von der Pahlen, eine bezaubernd gut aussehende B-Prominente und der Schriftsteller Theo Hast, dessen literarische Veröffentlichungen bei der Zahl eins stehen blieb, wollen einen zwei wöchigen Intensivtauchkurs aufnehmen, dem Sven die stattliche Summe von 14.000€ bescheren wird. Jolas und Theos Beziehung scheint dabei außergewöhnlich, denn Liebe und Hass, Zärtlichkeit und Gewalt lösen sich bei ihnen unvermittelt ab und Sven wird in eine nicht ungefährliche Dreiecksbeziehung getrieben. „Juli Zeh – Nullzeit“ weiterlesen

Don DeLillo – Null K

Wie die Zeit verrennt. Zu einer meiner absoluten Lieblingsautoren gehört Don DeLillo. Ich erinnere mich daran, „Weißes Rauschen“, „Unterwelt“ oder „Mao 2“ verschlungen zu haben. Doch das war alles vor 2008, als ich anfing über die Bücher, die ich lese zu schreiben. So ist dies tatsächlich meine erste schriftliche Reflektion zu einem Don DeLillo Buch.

„Null K“ wirkt ein wenig wie Don DeLillos letztes Buch, denn der 1936 in New York geborene Autor, beschreibt darin ein vermutlich elementares anthropologisches Thema, die Überwindung der eigenen Endlichkeit. Sind wir ehrlich, jeder hat darüber schon mal nachgedacht; die Begrenztheit des eigenen Lebens, des Lebens überhaupt, den Tod.
Jeffrey wird von seinem reichen Vater Ross in die Wüste irgendwo nach Vorderasien geholt. An dem geheimen Ort, der weit weg von aller Zivilisation liegt, wurde durch Ross großzügige Investitionen und seinem finanziellen Netzwerk ein einzigartiges Projekt gestartet; Null K. Dabei handelt es sich um eine ganz besondere Einrichtung. Sie friert den menschlichen Körper ein, um ihn in einer fernen Zukunft zum Leben zu erwecken, in einer Zeit, wo das ewige Leben wissenschaftlich möglich wird. Eine der ersten Teilnehmer dieses Projektes ist Ross neue Frau Artis. Sie ist schwer krank und wird bald sterben. Doch durch Null K soll ihr Dasein unendlich werden. „Don DeLillo – Null K“ weiterlesen

Christian Kracht – 1979

Wir schreiben das Jahr 1979 als der namenlose, deutschstämmige Erzähler mit seinem Freund Christopher in Teheran ankommt. Die ehemalige Liebesbeziehung der Beiden ist schon lange am Ende und wenn ein Fünkchen Liebe noch aufblitzt, so um gleich von einer Welle von Hass weggespült zu werden. Zusammen gehen sie auf eine Party, wo die iranische Oberschicht noch ein letztes Mal dekadent feiert, die islamische Revolution steht vor der Tür und hat das Anklopfen schon lange hinter sich gebracht, der Schah soll schon geflüchtet sein. Während Christopher sich ausschweifend Drogen hingibt, lernt der Erzähler den sehr mysteriösen Rumänen Mavrocordato kennen, der ihm prophezeit, dass der Erzähler sich halbieren wird und es ziemlich schlimm kommen wird. „Christian Kracht – 1979“ weiterlesen