Jaroslav Kalfar – Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt

Wenn man mal in der Nähe von Wiesbaden ist, dann geht man ins „Zweitbuch“ – einem der besten Buchläden die ich kenne – und wenn man nur seiner Nichte ein Dinosaurierbuch kauft. Aber im Zweitbuch findet sich fast immer was, so wie diesmal der preisreduzierte Erstlingsroman von Jaroslav Kalfar, einen in New York lebenden tschechischen Autoren, das neben dem Dinosaurierbuch gekauft wurde. Ich konnte mich nicht erinnern, wann und wo ich über das Buch Gutes hörte, doch ich meinte mich zu erinnern, dass es Gutes gewesen sei, also waren 7,99€ ein gutes Investment, in einen phantastischen Roman über die böhmische Raumfahrt.

Jakub Procházka wird im Zuge globaler Statuserweiterung der tschechischen Nation vom staatseigenen Kartoffelacker beim ersten reinen nationalen Raumfahrtprogramm Böhmens ins All geschossen. Seine Aufgabe ist es, in mehrmonatiger Alleinfahrt, eine Chopra Wolke zu erreichen und Proben von ihr zu sammeln, von der sich die weltweite Wissenschaft neue Erkenntnisse verspricht. Globale Beachtung ist dem Astronauten sicher, aber das ist Jakub eigentlich nicht so wichtig. Seine Motivation ist eine andere. In den Zeiten des Kommunismus war sein Vater ein strenger Anhänger des Regimes und wie sich nach der Wende herausstellte, war seine Tätigkeit mit der Anwendung von Gewalt bei Regimekritikern verbunden. Jakub war noch ein kleiner Junge als dieser politische Umbruch kam. Bevor sein Vater für seine Taten in der neuen Zeit zur Verantwortung gezogen werden konnte verlor er und seine Frau, Jakubs Mutter, bei einem Unglück sein Leben. Fortan lebt Jakub bei seinen Großeltern auf dem Land, doch schnell holt sie hier die Vergangenheit ein. Ein Opfer seines Vaters, der im neuen System schnell zu Macht und Wohlstand gekommen ist, meldet sich auf dem Bauernhof der Drei, setzt die verbliebene Familie unter Druck. Schnell ist der Ruf der Großeltern und des kleinen Jakub im Dorf angekratzt, sie werden sozial gemieden und bald zeigen sich weitere Konsequenzen. So wird Jakub zu einem Erwachsenen mit der Gewissheit, dass seine Familie und er selbst einen schlechten Ruf mit sich tragen. Sein Streben wird es, dieses Ansehen wieder rein zu waschen. Mit seiner Forschungsarbeit zu Partikeln im Weltraum wird ihm die Möglichkeit angeboten ins All zu fliegen. Alles wäre prima, wenn er dafür nicht seine geliebte Frau Lenka auf der Erde zurücklassen müsste.

„Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt“ wirkt wie ein Science-Fiction Buch. Doch das ist es nur zum Teil und eigentlich nicht mal zum Überwiegenden. Thema des Buches ist mehr die Suche nach dem eigenen Weg im Leben auf der Suche nach Sinn und Anerkennung in Gesellschaften, die immer Zwänge und Einschränkungen hervorbringen. Dabei ist dieses Buch ein bisschen von allem; ein wenig Rückschau auf das Ende des Kommunismus und die politisch-wirtschaftlichen Veränderungen danach in Tschechien, eine kleine Sichtung der eigenen Nation, ein wenig Kritik am Kapitalismus, eine Liebesgeschichte und ein Buch über Raumfahrt und Weltallabenteuer. Ungünstigerweise kann man sich des Gefühls nicht erwehren, vielleicht wäre hier weniger mehr gewesen. Die vielen Einfälle und Ideen des Autors sind manchmal zu eklektisch. Zwar ist das Buch teilweise recht humorvoll, aber das wirkt bisweilen zu bemüht und obwohl es einen ironischen Unterton hat, ist dieser an vielen Stellen recht simpel und teilweise etwas zu wohlwollend der eigenen Geschichte gegenüber, die eine Aneinanderreihung von fremden Einflüssen zu sein scheint, die dem Land nur Böses wollen und das geliebte eigene Volk schikanieren (das mag an vielen Stellen richtig sein, aber es ist leider ebenso zu einfach und kann sich einer Brise Populismus nicht erwehren). Das ergibt ein Buch wie eine kleine Berg- und Talfahrt durch die böhmischen Gebirge, manchmal ein witziger und phantastischer Roman über Tschechien und das Weltall, manchmal ein etwas überzogener Versuch zu viele Seitentäler zu besuchen und etwas vom Weg abkommt.

Schreibe einen Kommentar